Gegen den Verkehrskollaps: Per Robo-Shuttle durch die City
16.1.2019, 15:36 UhrWer sich zur Rush Hour über den Rathenauplatz oder die Fürther Straße staut, möchte am liebsten ins Lenkrad beißen. Das geht den Autofahrern in praktisch allen Metropolen so. Im Vergleich zu seinen Leidensgenossen in anderen Städten ist der mittelfränkische Autofahrer freilich noch gut dran. Beispiel London: In der britischen Metropole hat das Durchschnittstempo 2016 quälend langsame 12,5 km/h betragen.
Eine Situation, die sich noch verschärfen dürfte. So besagt eine UNO-Studie, dass im Jahr 2050 schon zwei Drittel der Menschheit in Citys leben wird. Dass sich die innerstädtische Mobilität wandeln muss, daran besteht längst kein Zweifel mehr.
Vorteile gegenüber heutigen "Öffentlichen"
Die Visionen gehen dabei in Richtung kleiner bis höchstens mittelgroßer Shuttlebusse, die autonom sowie elektrisch fahren, sich permanent im Umlauf befinden und gegenüber den heute genutzten öffentlichen Verkehrsmitteln entscheidende Vorteile haben: Die Robo-Shuttles lassen sich direkt vor die Haustür bestellen und bringen den Fahrgast unmittelbar ans Ziel, vor die Meistersingerhalle beispielsweise, vor den Supermarkt oder vors Ärztehaus.
Der Fußmarsch zur U-Bahn-Haltestelle fällt also weg, was gerade für ältere Menschen eine große Erleichterung bedeutet. Sofern es sich um kleinere Robo-Taxen handelt, bleibt außerdem - wie vom Auto gewohnt - die Privatsphäre erhalten, mit individuellem Musikprogramm beispielsweise, ungestörten Gesprächen oder einfach Ruhe.
Auf brachiale Fahrleistungen kommt es nicht an
Und die Zulieferer haben alles, was es braucht, um ein solches Robo-Taxi auf die Räder zu stellen und damit in Konkurrenz zu ihren eigentlichen Auftraggebern wie Daimler, Volkswagen oder BMW zu treten. Auf brachial sportliche Fahrleistungen oder PS-Rekorde kommt es bei den autonomen Kleinbussen schließlich nicht an. Continental könne "auf ein nahezu lückenloses Portfolio an eigenen Sensoren, Aktuatoren, Steuergeräten sowie Kommunikations- und Vernetzungstechnik zurückgreifen" sagt Vorstandsmitglied Frank Jourdan selbstbewusst.
Auch bei Bremssystemen und Antriebstechnologien verfüge das Unternehmen über langjährige Expertise. Selbst die Gestaltung der künftig ganz anders aussehenden Innenräume vermag man in die Hand zu nehmen, indem beispielsweise moderne Oberflächenmaterialien oder Folien zur Einrichtung beigesteuert werden.
Etwas vorsichtiger äußert sich Peter Gutzmer, Technologievorstand bei Schaeffler. "Wir wollen kein Automobilhersteller werden", betont er. Auch das Herzogenauracher Unternehmen arbeitet zwar an seinem autonomen "Mover". Um ihn tatsächlich zu realisieren, seien aber Kooperationen nötig, sagt Gutzmer.
Robo-Shuttles in der Erprobung
Mit dem schwarz-orangefarbenen "CUbe" hat Continental am Standort Frankfurt den fahrerlosen Personentransport bereits erprobt und steht damit nicht allein da. ZF hat zusammen mit dem Elektroauto-Start-up e.GO den autonomen Kleinbus "e.GO Mover" entwickelt, noch in diesem Jahr soll in Aachen die Serienproduktion anlaufen, vorerst allerdings nur die eines elektrischen Shuttles, autonom fahren soll er erst später.
Im niederbayerischen Bad Birnbach pendelt ein autonomer Kleinbus der Deutschen Bahn, konzipiert wurde er von der französischen Firma Easy Mile. Und Bosch hat in der zweiten Januarwoche 2019 auf der weltweit größten Elektronikmesse CES in Las Vegas die völlige Eigenentwicklung eines Shuttles gezeigt, der Bestandteil eines Systems von Mobilitätsdienstleistungen werden soll, das auch Buchungs-, Sharing- und Vernetzungsplattformen umfasst, ebenso wie Parkplatz- und Ladeservices sowie Softwarelösungen für das Verwalten und Warten der Fahrzeuge und das Infotainment während der Fahrt.
"Ohne digitale Services von Bosch wird in Zukunft kein Fahrzeug mehr unterwegs sein", erklärt Geschäftsführer Markus Heyn. Als Kundschaft hat man die künftigen "Smart-Cities" im Visier, intelligent vernetzte Städte also, ein erster Auftraggeber für Bosch ist London Transport.
Auch der Schweizer Tüftler Frank M. Rinderknecht hat die CES genutzt, um einen Robo-Bus vorzustellen; der Rinspeed "Micro Snap" setzt sich aus einem Fahrgestell ("Skateboard") und Aufbauten ("Pods") zusammen, die blitzschnell von Robotern ausgetauscht werden und neben Passagierkabinen auch Transportboxen oder mobile Apotheken sein können. Man führe bereits Gespräche mit Investoren, sagt Rinderknecht.
Auch die Autobauer bleiben dran
Die klassischen Automobilhersteller sind freilich bemüht, sich das Geschäft nicht wegnehmen zu lassen und wollen ebenso mitmischen. Mercedes beispielsweise hat den "Vision Urbanetic" in petto, der sich stark an das Rinspeed-Konzept anlehnt, die Robo-Studie von VW heißt "Sedric". Und Toyota will für den Fahrdienstvermittler Uber autonome Autos bauen.
Ihrem Einsatzzweck entsprechend sehen die elektrisch-autonomen Shuttles allesamt sehr ähnlich aus: Wie rollende Quader, von vorne und hinten kaum zu unterscheiden, hoch aufbauend und mit einem loungeartig licht gestalteten Innenraum, der keine Pedale braucht. Und kein Lenkrad, in das vom Stau frustrierte Fahrer beißen könnten. Müssen sie in der schönen autonomen Zukunft aber ja auch nicht mehr.
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