Stehen Kleinwagen vor dem Aus?
26.1.2019, 09:19 UhrHerbert Diess sorgt sich um das Schicksal des kleinsten VW-Modells. In einem Interview mit dem Fachblatt "Automobilwoche" äußerte der Volkswagen-Chef seine Befürchtung, dass sich der "up" um bis zu 3500 Euro verteuern könnte, sollte er die schärferen Umweltstandards erfüllen. Damit wäre dieses 10.000-Euro-Modell tot – es könnte kaum noch konkurrenzfähig angeboten werden. Schlimmer noch: Sogar der Polo, eine Klasse höher an-gesiedelt, stünde dann womöglich auf der Kippe. Selbst die IG Metall fürchtet, dass angesichts der geforderten CO2-Reduktion bis 2030 (was einen Verbrauch von höchstens 2,5 l/100 km erforderlich machen würde) kein Auto unterhalb der Golf-Klasse mehr produziert werden kann. Was laut Gewerkschaft "sozialem Sprengstoff" gleichkäme.
Teure Autos weniger betroffen
Ob nun wirklich Mehrkosten von 3500 Euro entstehen, um den CO2-Ausstoß auf das gewünschte Niveau zu drücken, sei dahingestellt. Aber selbst wenn "nur" 2000 Euro erforderlich wären (es geht dabei nicht nur um die Technik, sondern auch um die Entwicklungsleistung und die CO2-Strafsteuer), würde das bei einem Wagen der 10.000-Euro-Klasse 20 Prozent Kosten verursachen. Bei teureren Fahrzeugen fiele der Aufwand hingegen anteilsmäßig nicht so sehr ins Gewicht: Bei einem 40.000-Euro-Auto würde der 2000-Euro.-Mehraufwand fünf Prozent ausmachen.
Diess ist nicht der einzige, der in Sachen Klein- und Kompaktwagen besorgt erscheint. Auch andere Hersteller haben schon verlauten lassen, dass so manche Modelle auf dem Prüfstand stünden. Dass die Opel-Kleinwagen Karl und Adam keine Nachfolger bekommen, hat nicht nur mit der Eingliederung der Marke in den PSA-Konzern zu tun. Und Smart Fortwo sowie Forfour werden ab 2020 auch bei uns nur noch als elektrische Versionen angeboten, in den USA ist dies schon jetzt so.
Arbeitsplätze in Gefahr
Die Stilllegung oder Beschränkung der Kleinwagenproduktion hätte letztlich nicht nur Folgen für die Kunden, die auf höherpreisige Modelle umsteigen müssten. Es würden vielmehr auch Arbeitsplätze wegfallen, weil für ganze Produktionsbänder, wenn nicht sogar für Werke, kein Bedarf mehr bestünde.
Doch nicht nur die zukünftig aufwendigere Bauweise erscheint als Problem für weniger betuchte Käufer. Auch die neue Verbrauchsermittlung nach WLTP und RDE, die zwar praxisnähere, aber höhere Werte nach sich zieht, erschwert das Dasein der Kleinwagen. Denn bei manchen Mo-dellen fallen aufgrund der gestiegenen, realitätsnäheren Werte höhere Steuern an. Das aber trifft gerade jene Autonutzer, die nicht mit einer dicken Geldbörse gesegnet sind und sich keine größeren Modelle leisten und unterhalten können.
Überhaupt wurden die alten Norm-Verbrauchswerte von den Kritikern in gewisser Hinsicht falsch bewertet. Gedacht waren sie nicht zuletzt dazu, um auf dem Papier Fahrzeug A gegen Fahrzeug B vergleichen zu können. Dass sich in der Fahrpraxis (auch bei der neuesten Norm!) andere Werte ergeben, ist und war weder überraschend noch neu. In Fahrberichten von Fachzeitungen, aber auch hier an dieser Stelle, konnte man sich stets ein gutes Bild über den tatsächlichen Verbrauch machen.
Noch wichtiger, und das gilt auch für den neuen WLTP-Verbrauchswert: Der tatsächliche Verbrauch hängt letztlich vom persönlichen Fahrstil ab. Fährt man viel in der Stadt, auf Landstraßen oder auf der Autobahn? Neigt man zum schweren Gasfuß, schaltet man präzise hoch oder lässt man den Motor eher in höheren Drehzahlen laufen? Dies und anderes mehr beeinflusst den tatsächlichen Verbrauch viel mehr, als es letztlich durch den amtlichen Wert zum Ausdruck gebracht wird.
Problem für weniger betuchte Käufer
WLTP, Euro-6d-temp-Abgasnorm (führt zu etwas höherem Verbrauch) oder künftige CO2-Grenzwerte, die eigentlich noch strenger ausfallen sollten: Das trifft vor allem die weniger betuchten Käufer. Denn diese können sich die dadurch entstehende Teuerung weniger leisten als jemand, der finanziell bessergestellt ist. Und: Das Ganze wird aller Voraussicht nach Folgen für die Beschäftigung und die gesamte Volkswirtschaft haben. Positives hier, Negatives dort. Das sind eben die zwei Seiten der Medaille.
Gerhard Windpassinger
Keine Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen