Mehr Gemüse, weniger Weißbrot
Acht Millionen Deutsche betroffen: Schwabacher Diabetes-Experte im Interview
24.10.2021, 07:07 UhrHerr Dr. Hagel, im Einladungsflyer zum Diabetestag am 13. November ist das Problem ja schon klar benannt: Zehn Prozent der Bevölkerung in Deutschland, das sind ca. acht Millionen Menschen, die von der Krankheit Diabetes betroffen. Aber heißt das, am Tag der Diabetes-Vorsorge wird uns gesagt, dass wir keinen Zucker mehr essen dürfen?
Dr. Jürgen Hagel: Wir sollen zumindest Zucker einsparen. Aber das Entscheidende ist nicht der reine Zucker, sondern die Kohlenhydrate, die gar nicht als zuckrig angesehen werden, sprich: Weizenbrot. Unsere Ernährung ist insgesamt zu kohlenhydratlastig, und wir essen zu wenig Eiweiß. Ein Fisch wie Karpfen, selbst ein Steak – also Roastbeef – wäre gesünder, als die praktizierte Kohlenhydrat-Mast.
Also weniger Nudeln, Reis, Kartoffeln?
Hagel: Ja, weniger davon. Wobei es bei der Kartoffel schon wieder komplizierter ist. Ein Kartoffelsalat zum Beispiel hat einen günstigeren glykämischen Index. Ein hoher glykämischer Index dagegen fördert die Entstehung von Diabetes.
Wer ist denn zu dem Tag eingeladen – die Erkrankten oder die (noch) Gesunden?
Hagel: Auf keinen Fall nur die Kranken. Es geht ja um Vorbeugung. Das ist das Hauptanliegen von Professor Dr. Nicolai Worm. Der Ökotrophologe ist der führende Ernährungswissenschaftler Deutschlands. Er hält bei der Veranstaltung einen exklusiven Vortrag über Lebergesundheit und Diabetes mellitus. Professor Worm hat in den 80-er Jahren die mediterrane Diät bekannt gemacht: Viel Obst und Gemüse, wenig Kohlehydrate, viel gutes Olivenöl, viel Eiweiß…
Also ist Fett nicht „schlecht“?
Hagel: Nein, um Fett geht es weniger, sondern um die schnell-resorbierbaren, ballaststoffarmen Kohlenhydrate. Die werden im oberen Darm besonders schnell aufgespalten, werden im Blut zu Glukose umgewandelt und führen zu raschen Blutzuckerspitzen. Die Folgen können Gefäßerkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall sein.
Und warum nimmt Diabetes so stark zu, dass schon ein Zehntel der Menschen davon betroffen ist und weltweit alle sechs Sekunden ein Mensch daran stirbt?
Hagel: Eine wichtige Ursache für die Zunahme ist sicher das Fastfood und die Tatsache, dass wir uns immer weniger bewegen. In den Vereinigten Staaten hat eine Studie sogar ergeben, dass schon eines von zehn Kindern unter zehn Jahren Diabetes mellitus hat. Das Ergebnis war so erschreckend, dass der Lions Club in den USA sich die Aufklärung über gesunde Ernährung auf die Fahnen geschrieben hat. Und so kam es, dass dieses Ziel auch die deutsche Organisation der Lions Clubs erreicht hat. Denn auch hier werden die Patienten immer jünger. Inzwischen sind schon viele 40- bis 50-Jährige an Diabetes erkrankt. Das bedeutet zum Beispiel Schäden an Augen und an Gefäßen. Das macht uns Sorge.
Der Lions Club Schwabach ist Veranstalter des Diabetes-Vorsorgetages, wie kam es dazu?
Hagel: Ja, das Engagement hat sich entwickelt, weil wir als Schwabacher Lions Club schon vor längerer Zeit einen Vortrag darüber geplant hatten. Doch dann kam Corona dazwischen. Jetzt hat uns die Stadt Schwabach angeboten, sogar den Markgrafensaal dafür zu nutzen. Also können wir – mit der 3G+-Regel und ohne Maske schon ab dem Foyer – tatsächlich viele Interessierte dazu einladen. Den Besuchern bieten wir exzellente Vorträge: von Professor Worm über gesunde Ernährung und das Leberfasten, außerdem von Professor Dr. Dieter Ropers, dem Chefarzt der Medizinischen Klinik für Kardiologie und internistische Intensivmedizin, St. Theresien Krankenhaus Nürnberg, über die Krankheit und ihre Therapie. Moderiert wird der Tag von Dr. Wolfgang Hagel. Er ist Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie, betreibt Ernährungsmedizin, ist zudem Diabetologe – und mein Sohn.
Häufig ist es leider so, dass die, die gemeint sind, auf solche Angebote nicht reagieren…
Hagel: Deshalb haben wir viele Flyer gedruckt und sie an die Kolleginnen und Kollegen in der Region verteilt – mit der Bitte, sie persönlich an die Patienten weiterzugeben. Die Betroffenen werden direkt angesprochen und eingeladen.