So wird das Wetter

Trüber Himmel, trübes Gemüt? So nimmt die Winter-Wahl Einfluss auf unsere Entscheidung

Minh Anh Nguyen

Online-Redaktion

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15.02.2025, 05:00 Uhr
Eine Person geht mit Schirm spazieren. (Symbolbild)

© IMAGO/Bihlmayerfotografie Eine Person geht mit Schirm spazieren. (Symbolbild)

Eingeigelt auf dem Sofa ist es sicherlich schöner, als bei winterlichen Temperaturen zum nächsten Wahllokal zu stapfen. Doch was ist, wenn die moralische Pflicht ruft? Denn: Nachdem Ende 2024 die Ampelkoalition geplatzt war, Bundeskanzler Olaf Scholz die Vertrauensfrage gestellt hatte und der Bundestag aufgelöst wurde, stehen nun Neuwahlen an. Am 23. Februar wird erstmals seit 1990 im Winter ein neuer Bundestag gewählt. Was macht das Wetter mit unserem Wahlverhalten?

Vorab, ganz kurz und knapp: Ja, Studien zeigen, dass das Wetter politisch ist. Jessica Haak, Sozial- und Politikwissenschaftlerin an der Universität Hamburg, erklärt im Gespräch mit unserer Redaktion, dass eine Vielzahl von Arbeiten in verschiedenen Ländern den Zusammenhang von Regenwetter und Wahlbeteiligung untersucht haben. Viele kamen zum Schluss, dass ein "negativer Zusammenhang zwischen Regenwetter am Wahltag und der Wahlbeteiligung besteht".

Die Forscherinnen und Forscher konnten feststellen, dass bei Regenwetter die Wahlbeteiligung sinkt, andersherum bei Sonnenschein steigt. Demnach wägen die Wählerinnen und Wähler Kosten und Nutzen ihrer Wahlbeteiligung ab. Ist das Wetter schlecht, steigen die Kosten für die Stimmabgabe. Gleichzeitig könnte bei erwartbar knappen Wahlen der individuelle Nutzen die entstehenden Kosten übersteigen.

Wer profitiert vom miesen Wetter?

Wählerinnen und Wähler sind aber nicht gleichermaßen von den Wettereinflüssen betroffen. Haak verweist auf eine dänische Studie der Politikwissenschaftlern Søren Damsbo-Svendsen und Kasper M. Hansen. Die Untersuchung zeigt, dass sich bei schlechtem Wetter die Unterschiede in der Wahlbeteiligung "zwischen Wählern mit hoher und niedriger Neigung, zwischen Stammwählern und Randwählern vergrößern und damit die Ungleichheiten in der Wahlbeteiligung verstärken und die demokratische Vertretung beeinträchtigt wird". Haak bewertet die Studienergebnisse ähnlich und erklärt: "Auch andere Studien bestätigen, dass schlechtes Wetter ungleiche demokratische Teilhabe verstärken kann, in dem es vor allem sozial benachteiligte Gruppen von der Stimmabgabe abhält, die ohnehin seltener wählen."

Die Wissenschaftlerin unterstreicht jedoch, dass man Ergebnisse und Fallstudien ohne weiteres nicht übertragen sollte. Auch bei Studien in Deutschland muss man darauf achten, dass die Ergebnisse lediglich eine Momentaufnahme darstellen. "Grundsätzlich ist der Zusammenhang von Wetter und Wahlentscheidung sehr komplex. Infolge des Klimawandels sind etwa Extremwettereignisse in ihrer Häufigkeit und Intensität gestiegen. Deshalb haben Studien in den letzten Jahren vermehrt untersucht, ob und wie Extremwettereignisse Wahlergebnisse beeinflussen."

Faktor Briefwahl: Und was ist, wenn die Wahl nicht mehr vom Wetter abhängt?

Bei der letzten Bundestagswahl lag der Anteil der Briefwählerinnen und -wähler auf einem Allzeithoch. Seit Einführung der Briefwahl nutzen bei nahezu jeder Wahl mehr Menschen die Briefwahl, erklärt die Bundeszentrale für politische Bildung. Während 2005 der Anteil bei 18,7 Prozent lag, stimmten 2021, vermutlich wegen der Corona-Pandemie, 47,3 Prozent der Wählerinnen und Wähler per Briefwahl ab. Angesichts des Wetters nimmt die Briefwahl eine besondere Rolle ein, als Alternative, die es Wählerinnen und Wählern erlaubt, unabhängig von Wetterbedingungen und Uhrzeit zu wählen.

Eine von Nick Turner, Ökonom und Mitarbeiter in der Fiskalischen Analyse bei der Notenbank der Vereinigten Staaten von Amerika, 2024 veröffentlichte Studie legt nah, dass negative Auswirkungen von Regen teilweise durch die Briefwahl ausgeglichen werden können. Wie Haak erklärt, hatte der Ökonom in seiner Studie die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen 2012 bis 2020 in North Carolina analysiert. Die Untersuchung hat ergeben, dass Regen in einer vorherigen Wahl den Anteil an Briefwahlstimmen in der darauffolgenden Wahl erhöht hat.

Die Ergebnisse seien aber mit Vorsicht zu genießen, da viele Faktoren Einfluss auf die Wahlbeteiligung haben können, erklärt die Politikwissenschaftlerin. Der Einfluss des Wetters darf nicht überschätzen werden: "Zu den wesentlichen Gründen für die Nichtwahl zählen ein geringes politisches Interesse, politische Unzufriedenheit sowie eine schwache Bindung an Parteien", betont Haak.

Wahlkampf im Winter: Das verändert sich für die Parteien

Der Winter kann die Mobilisierung von Wählerinnen und Wähler sowie die Rekrutierung von Freiwilligen erschweren und so Einfluss auf die Planung des Wahlkampfs haben. Es könnte sein, dass Parteien weniger Veranstaltungen im Freien planen und auf einen wetterunabhängigen Wahlkampf setzte, zum Beispiel in Form von Online-Kampagnen. Solche strategischen Gedanken könnten die Parteien sich aber auch in einem regulären Wahlkampf stellen. Besonders bei dieser Bundestagswahl stehen die Parteien aber vor der Herausforderung, einen schnellen und intensiven Wahlkampf zu führen, erklärt Haak. Durch den vorgezogenen Wahltermin bestehe weniger Planungssicherheit.

Wie wird das Wetter am Wahlsonntag?

Laut Trendprognose des Deutschen Wetterdienstes ist am Wahlwochenende im Norden und Nordwesten vereinzelt mit leichten Niederschlägen zu rechnen. Im Rest des Landes bleibt es voraussichtlich trocken und teils länger sonnig. Die Höchstwerte liegen zwischen 4 und 11 Grad, im Westen und Südwesten sind bis zu 14 Grad möglich (Stand Freitag, 14.02.2025).

Jessica Haak ist Sozial- und Politikwissenschaftlerin der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Universität Hamburg. Im Rahmen ihrer Promotion beschäftigt sich die wissenschaftliche Mitarbeiterin mit dem Zusammenhang von Wetter, Einstellungen zum Klimawandel und Wahlentscheidung.