Hand aufs Herz: Affenforscherin Goodall als Barbie - stimmiges Signal oder reine Marketingmasche?
19.7.2022, 16:30 UhrAm Zahn der Zeit: Dass Barbie nicht mehr einfach nur mit dickem Busen und schlanker Taille überzeugen kann, ist dem Hersteller Mattel vermutlich schmerzlich vor ca 15 Jahren bewusst geworden. Pretty in Pink geht nicht mehr so recht auf. In eine neue Barbie-Produktionsserie über inspirierende Frauen reiht sich auch eine unerwartete Person ein: Jane Goodall, wegweisende Affenforscherin und heute auch Kämpferin für Klima- und Artenschutz. Goodall hat sich ab den 1960ern vor allem in der Primatologie, der Verhaltensforschung an Affen und Menschenaffen, verdient gemacht. Die Wissenschaftlerin, die sich vor allem auf die Erforschung von Schimpansen konzentriert hat, soll nun als Puppe junge Mädchen inspirieren, sich auf ihren eigenen Weg zu trauen. Der Hersteller Mattel will so auf Goodalls bahnbrechende Studien zur Erforschung von Schimpansen und deren Schutz hinweisen. Die Goodall-Barbie trägt Khaki-Shorts und ein passendes Hemd für die Erkundung im afrikanischen Dschungel sowie eine Armbanduhr. In einer Hand hält sie ein Notizbuch, um ihre Forschungsergebnisse festzuhalten, um ihren Hals haben die Puppenhersteller der Barbie ein Fernglas gehängt, um Affen aus der Distanz beobachten zu können. An ihrer Seite: David Greybeard, eine Nachbildung jenes Schimpansen, dessen Verhalten die Britin zuerst untersuchen konnte. Und: Natürlich besteht diese Barbie, zeitgemäß wie sie ist, aus recyceltem Plastik.
Doch was ist das jetzt, die Forscherin als Barbie? Ist das nur eine neckische Verkaufsstrategie, um starken jungen und wissensdurstigen Mädchen Rechnung zu tragen? Oder ist es die Ausrichtung des Herstellers, der seit seinem Anbeginn in Kritik steht, ein falsches Bild von Frauen zu zeichnen? Sie zu Püppchen zu machen, obwohl sie Soldatin, Forscherin oder Politikerin sind? Klar, die Welt ist divers, aber arbeitet Mattel nicht mit den billigsten Bandagen - nach dem Motto: "Ah, das verkauft sich garantiert bombig, weil..."?
Barbie als Forscherin oder als Wissenschaftlerin mit blauen Haaren, Barbie als Kanutin, Barbie mit neongrünen Haaren, Barbie mit etwas Hüftgold, Barbie mit den Augen einer Japanerin, Barbie mit üppigem Afrob, Barbie als Innenarchitektin mit Beinprothese. Samantha Cristoforetti, die Astronautin, - und jetzt halte Dich fest: Die Queen als Barbie. Ebenso in der Serie: die US-amerikanische Bürgerrechtlerin Rosa Parks oder die Menschenrechtsaktivistin Eleanor Roosevelt: Damit will Mattel auf das Schlagwort "female empowerment" setzen und daraus nicht nur ein positives Image, sondern auch dick Knete ziehen. Ist ja so en vogue. Du merkst: Ich bin zwiegespalten, hin und her gerissen, ob ich dieses Projekt gut oder haarig finden soll - oder ob es wirklich der Weg zu mehr Sichtbarkeit von weiblicher (Willens-)Stärke ist.
Der US-amerikanische Spielzeughersteller Mattel setzt schon seit einiger Zeit auf Puppen, die ein diverseres Bild der Gesellschaft nachzeichnen sollen - das ist durchaus und an sich löblich. Denn: In den neunziger Jahren waren die gängigsten Barbies noch vorrangig durch pinke Kleidung, blonde Haare und leuchtendes MakeUp geprägt. Was die Ausstattung anbetraf, bestachen die Puppen damals weniger durch ihren Beruf, dafür mehr mit ihren Hobbies. Die Barbies wurden mit Inlineskates, Mikrofonen, Haustieren, einem Pferdetransporter oder einem pinken Cabrio ausgestattet.
Heute arbeitet Mattel, der Zeit entsprechend, mit Vielseitigkeit und vermeintliche Unperfektheit bei den beliebten Plastikpuppen. Schön! Und überfällig. Denn als in den 90ern noch Supermodels das Maß aller Dinge und Frauen noch nicht so empowered wie heute waren, als Frauen noch das alte Rollenklischee der adretten Hausfrau und Socialiserin transportierten, genügte es, Barbie in tollen Kleidern und mit schickem Haar in die Regale der Spielzeugläden zu stellen. Diese Vorstellung ist so überholt wie inzwischen unangebracht. Denn uns allen ist klar, Frauen sind kein neckisches Accessoire, sie haben ebenso wie Männer knallharte Power und den Willen, für ihre Ziele und Wünsche einzustehen. Warum hat das nicht schon eher jemand umgemünzt und Barbies Erscheinung entsprechend angepasst?! Ich freue mich also über die Goodall im Mini-Format. Sie transportiert die Botschaft: Mach, was Dich interessiert, geh raus in die Welt. Jane Goodall hatte damals nur männliche Vorbilder - solche wie Dr. Doolittle oder Tarzan. Cool, dass junge Generationen jetzt mehr Auswahl haben - und Mattel transportiert Goodalls Wirken und Werk mitten in die Hände der Zukunft der Menschen. Für 50,99 Euro.
Die 88-jährige Verhaltensforscherin, die in den 60er-Jahren mit ihren Studien in Ostafrika begann, begrüßt die Vielfalt der Barbies - die sie sich schon lange gewünscht hat, wie sie im unten gezeigten Video anklingen lässt. Barbiepuppen sind nicht mehr nur "mädchenhaft", sagt Goodall, sie stellen heute auch Astronautinnen und Ärztinnen dar. Und da passt eine Affenforscherin gut in die Reihe. Zu ihren damaligen Vorbildern habe Jane Goodall vor allem „Tarzan“ und „Dr. Doolittle“ gezählt, der mit Tieren sprechen konnte. Auf ihre Jugend blickend resümierte die 88-Jährige „Es gab keine Frauen, die die Sachen gemacht haben, die ich machen wollte.“ Machen wir es besser.
Doch geht es nicht nur um Diversität und um Ehrung Jane Goodalls für ihre Pionierarbeit in der Verhaltensforschung: Ich finde, auch für den Klimaschutz und die Artenvielfalt sowie die Sensibilität dafür, ist die prominente und wegweisende Forscherin ein sensibilisierendes Moment für die Sorgfalt, die wir für diesen schönen Planeten tragen sollten. Nicht nur allein das Material der Barbie - aus dem Ocean gefischtes Plastik - zollt dem Tribut. Spielerisch wird die Hingabe an Mutter Erde und ihren Geschöpfen den aufwachsenden Generationen ja mit der Goodall-Puppe schon ans Herz gelegt.
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