Guide Michelin 2020: Keine neuen Sterne für die Region

Katja Jäkel

Redaktion Genuss & Leben/Aufgetischt

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3.3.2020, 14:12 Uhr
Am Dienstag hat der Guide Michelin neue Sterne für 2020 verteilt - Chefköche aus der Region gingen diesmal leider leer aus.

© Frank Rumpenhorst Am Dienstag hat der Guide Michelin neue Sterne für 2020 verteilt - Chefköche aus der Region gingen diesmal leider leer aus.

Um Punkt 11 Uhr beginnt auf Facebook der Livestream des Guide Michelin. Erstmalig wurde die Preisverleihung ins Internet verlegt - wegen des Corona-Virus hatte der Guide die Veranstaltung in Hamburg abgesagt. Gwendal Poullennec, Internationaler Direktor des Guide Michelin, gab also die glücklichen Neu-Ausgezeichneten über den Live-Stream bekannt. Der Spannung tat dies keinen Abbruch.

Los ging es mit den neuen Ein-Sterne-Restaurants, gefolgt von denen, die nun zwei Sterne tragen dürfen. Etliche fränkische Sterne-Köche sahen der Preisverleihung über Facebook gebannt zu, wie Fabian Denninger ("Entenstuben"), Gerald Hoffmann ("Koch und Kellner") oder Stefan Meier ("ZweiSinn").

Überraschungen oder gar ein erneuter Sterne-Regen für die Metropolregion blieben diesmal leider aus. Dabei sind sich viele Gourmets einig, dass beispielsweise Christian Wonka, Chef des gleichnamgen Restaurants, schon lange einen verdient hatte. Aberkannt wurde dem Restaurant "Der schwarze Adler" in Kraftshof sein Stern, den Rene Stein und sein Team erst 2019 erkocht hatten, da das Lokal zum Jahresende geschlossen wurde. Es soll aber demnächst unter einem neuen Pächter wieder eröffnen.

Die 57. Ausgabe des renommierten Restaurant- und Hotelführers empfiehlt auf 756 Seiten insgesamt 1.579 Restaurants und 524 Hotels, darunter zehn Drei-Sterne-Restaurants (eine neue Adresse), 43 Zwei-Sterne-Restaurants (sieben neu) und 255 Ein-Stern-Restaurants (29 neu).

In Berlin dürften die Champagner-Korken geknallt haben: Der 49-jährige Marco Müller, seit 2004 Küchenchef, erhielt den dritten Stern für das "Rutz". 2008 bekam das Restaurant in Berlin-Mitte erstmals einen Michelin-Stern, 2017 stieg das Haus in die Zwei-Sterne-Liga auf. Nochmals drei Jahre später folgt jetzt der dritte Stern. "Die Küche von Marco Müller und seinem Team hat in nur kurzer Zeit eine sagenhafte Entwicklung vollzogen. Die Gerichte sind voller Finesse, Ausdruck und toller geschmacklicher Balance. Auch in ihrem ausgeprägten Bezug zur Natur heben sie sich deutlich ab", würdigt Gwendal Poullennec das "Rutz". Deutschland kann weiterhin mit zehn Drei-Sterne-Häusern punkten, denn das durch einen Brand zerstörte Drei-Sterne-Restaurant "Schwarzwaldstube" in Baiersbronn verlor seine Bewertung.

Grüner Stern für Nachhaltigkeit eingeführt

Das "Sosein", das Felix Schneider in Heroldsberg betreibt, ist auch unter den 18 Restaurants, die erstmals mit einem neuen, grünen Stern für ihre Nachhaltigkeit geadelt wurden.

Das "Sosein", das Felix Schneider in Heroldsberg betreibt, ist auch unter den 18 Restaurants, die erstmals mit einem neuen, grünen Stern für ihre Nachhaltigkeit geadelt wurden. © PR/Cristopher Civitillo Photography

Erfreulich ist die Entwicklung auch bei den Zwei-Sterne-Restaurants. Hier verzeichnet der Guide gleich sieben Neuzugänge, darunter das ebenfalls in Berlin ansässige "CODA Dessert Dining", wo René Frank ein in der deutschen Spitzengastronomie einmaliges Konzept verfolgt: eine unverwechselbare und kreative Küche auf Basis moderner Patisserie-Techniken. Ebenfalls neu in die Zwei-Sterne-Liga aufgestiegen sind zwei Adressen in Bayern: das "Les Deux" in München und das Restaurant "Obendorfers Eisvogel" in Neunburg vorm Wald in der Oberpfalz nahe Schwandorf. Vervollständigt wird die Liste der neuen Zwei-Sterne-Häuser durch das "Olivo" in Stuttgart, das "Gustav" in Frankfurt am Main, das "bianc" in Hamburg und das "Jante" in Hannover. Insgesamt zeichneten die Tester für die Neuauflage des Guide Michelin Deutschland 43 Restaurants mit zwei Sternen aus, so viele wie noch nie in der Geschichte der Ausgabe. Das "Sosein" in Heroldsberg und das "Essigbrätlein" in Nürnberg sowie das "Alexander Herrmann by Tobias Bätz" in Wirsberg konnten ihre zwei Sterne erfolgreich verteidigen.

Das "Sosein" ist auch unter den 18 Restaurants, die erstmals mit einem neuen, grünen Stern für ihre Nachhaltigkeit geadelt wurden. Denn für die deutsche Spitzengastronomie wird auch das Thema Nachhaltigkeit immer wichtiger. Dies betrifft Herkunft und Transportwege der Produkte ebenso wie die Art des Anbaus, Tierhaltung oder Verarbeitung. Mehr denn je im Fokus der Küchenchefs sind außerdem Speisen, die nicht mehr nur wohlschmeckend sind, sondern auch gesund.
Und das würdigt der Führer mit dem neuen Piktogramm, dem grünen "Stern": Die Tester heben damit Restaurants hervor, die ein besonders nachhaltiges Konzept verfolgen. "Wir freuen uns natürlich sehr über diese zweite, neue Auszeichnung", sagt "Sosein"-Küchenchef Felix Schneider. "Daran erkennt man, dass das Thema Nachhaltigkeit endlich mehr Aufmerksamkeit bekommt, was einfach enorm wichtig ist."

308 Adressen im Guide aufgelistet

Auch die Zahl von 29 neuen Ein-Stern-Adressen belegt die starke Position der deutschen Spitzengastronomie in Europa. Getragen wird diese Entwicklung unverändert von einem Mix aus jungen, talentierten Köchen mit neuen, spannenden Ideen sowie etablierten Altmeistern, die häufig die Lehrer der erfolgreichen Newcomer waren, so der Guide.
Gleich in drei Städten gibt es jeweils zwei neue Ein-Stern-Häuser: in München die Restaurants "Mural" und "Sparkling Bistro", im westfälischen Münster das "Coeur d’Artichaut" und "ferment" und in Berlin das "CORDO" und "prism". Zusammen mit den beiden Neuzugängen hat die Bundeshauptstadt jetzt insgesamt 24 Sterne-Restaurants, über denen insgesamt 31 Sterne leuchten, was den Status Berlins als kulinarischen Hotspot von europäischem Rang festigt.

255 Adressen mit einem Stern listet die Ausgabe 2020 des Guide Michelin Deutschland auf. Damit liegt die Zahl der Restaurants in der Bundesrepublik mit einem oder mehreren Michelin Sternen bei 308 Adressen. Die Restaurants "Soulfood" in Auerbach, "Keidenzeller Hof" bei Langenzenn, "ZweiSinn", "Waidwerk", "Koch und Kellner" sowie "Entenstuben" in Nürnberg verteidigten ihren Stern jeweils erfolgreich.
Neben einem breiten Spektrum an Küchenstilen von klassisch-französisch bis kreativ-modern, von mediterran bis regional und sogar rein vegan zeichnet die deutschen Spitzenrestaurants auch eine ausgeprägte Vielfalt an Gastronomiekonzepten aus. Ungebrochen ist der Trend zum "Casual Fine Dining", das heißt: kulinarischer Genuss auf hohem Niveau in legerer, lockerer Atmosphäre. "Der Besuch eines Sterne-Restaurants ist längst keine formelle und elitäre Angelegenheit mit Schlips und Kragen mehr. Eine wachsende Zahl von Gastronomen in Deutschland macht vor, dass es auch anders geht, und nimmt damit vielen Gästen die Hemmungen vor dem Besuch im Gourmet-Restaurant", erklärt Gwendal Poullennec.

In die Freude mischt sich Bedauern

In die Freude über den anhaltenden Aufschwung der deutschen Topgastronomie mischt sich das Bedauern über das plötzliche Aus für das dienstälteste 3-Sterne-Restaurant Deutschlands: die "Schwarzwaldstube" in Baiersbronn, seit 1993 mit dem höchsten Prädikat des Guide Michelin ausgezeichnet. Zusammen mit der "Köhlerstube", der "Bauernstube" und dem Stammhaus des Hotels "Traube Tonbach" wurde die Gastronomielegende Anfang des Jahres bei einem Großbrand komplett zerstört. Der Hotelbetrieb in der "Traube" geht weiter, der Wiederaufbau der Restaurants wird jedoch Zeit in Anspruch nehmen.

Der kleine Bruder des Guide, der "Bib Gourmand" listet ebenfalls 372 Restaurants auf. 23 Restaurants wurden neu ausgezeichnet, davon allein fünf in Berlin. Kennzeichen des "Bib Gourmand" ist das Gesicht des Michelin Männchens "Bibendum", das sich genussvoll die Lippen leckt. Das Symbol weist auf Restaurants hin, die eine gute Küche zu einem besonders guten Preis-Leistungs-Verhältnis bieten. Ein Drei-Gänge-Menü ist hier bereits für 37 Euro erhältlich. Neu aufgenommen wurde der "Gasthof Hoffmanns-Keller" in Spalt. Gestrichen wurde die Nürnberger "Zirbelstube", da ihr Drei-Gang-Menü über den geforderten 37 Euro liegt, und das "Rosmarin" in Erlangen, das kein Drei-Gang-Menü mehr anbietet. Erwähnt sind im "Bib Gourmand" außerdem: "La Corona" in Ansbach, "Polster Stube" in Erlangen, "Zöllner's Weinstube" in Forchheim, das "Freihardt" in Heroldsberg, die "Wirtschaft von Johann Gerner" in Heßdorf, der "Waldgasthof am Letten" in Lauf, in Nürnberg der "Landgasthof Gentner" und in Spalt neben dem "Gasthof Hoffmanns-Keller" auch der "Gasthof Blumenthal".

Beide Genuss-Führer sind ab Freitag, 6. März, im Buchhandel für 17,90 Euro bzw. 29,95 Euro erhältlich.

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