Nürnberg vor 50 Jahren

1. Juni 1971: Gegen die radikalen Kräfte

1.6.2021, 07:00 Uhr
1. Juni 1971: Gegen die radikalen Kräfte

© N.N.

Als bei der Kundgebung auf dem Nürnberger Hauptmarkt (über 30 000 Besucher) Transparente der extremistischen Gruppe "Aktion Widerstand" auftauchten, wurden die Plakate binnen weniger Minuten entfernt und zerrissen. "Wir wollen unser Treffen nicht mißbrauchen lassen", rief mitten in der Rede von Ministerpräsident Goppel ein Sudetendeutscher und stürmte auf die rot-goldenen Transparente der "Aktion Widerstand" los. Er wurde von Landsleuten unterstützt, meist Angehörigen der Sudetendeutschen Jugendgruppen. Es kam zu Schlägereien. Die "Aktion Widerstand" gab sich nicht so leicht geschlagen. Ihre Mitglieder schmetterten die Transparente auf die Köpfe der Angreifer. Diese aber behielten die Oberhand. Binnen kurzem waren die Plakate verschwunden.

Es gab einige Verletzte, aber viele Kundgebungsteilnehmer äußerten zufrieden: "Das war ein notwendiger Prozeß der Selbstreinigung. Jetzt haben wir uns mehr als durch hundert Reden von dem Ruf freigemacht, Revanchisten zu sein." Die "Aktion Widerstand" hatte sich durch einen Trick Zugang zur Kundgebung verschafft: Ihre Vertreter waren mit schwarz-weißen Plakaten erschienen, auf denen harmlos stand: "Für Frieden und Freiheit – dem Recht verbunden." Niemand nahm an diesen Plakaten Anstoß. Als aber Goppel sprach, da waren die friedfertigen Aufkleber plötzlich verschwunden und auf den Transparenten prangten die Parolen gegen die Ostpolitik der Regierung. Maßvoller als je zuvor wurde diese Ost-Politik auch von den offiziellen Rednern unter die Lupe genommen. Es gab Buh-Rufe gegen den Bonner Kurs, es gab Einwände gegen den bedingungslosen Verzicht von Ansprüchen, es gab historische Reminiszenzen zurück bis 1918. Aber es gab keinen Großangriff gegen Verhandlungen mit der Tschechoslowakei, im Gegenteil: immer wieder wurde Freiheit für das tschechische und slowakische Volk gefordert und daran das Verlangen geknüpft, man möge auch den Sudetendeutschen die Selbstbestimmung gewähren.

So maßvoll und diszipliniert die Kundgebung verlief, so wirksam die Entfernung von den rechtsextremen Plakaten durch die Landsmannschaft war, in der Zahl der Teilnehmer dürften sich die offiziellen Sprecher wohl gewaltig vertan haben. Sie redeten von 200 000 und da fragt man sich: wo sind sie geblieben? Die Polizei schätzt, daß auf dem Hauptmarkt zwischen 30 000 und 40 000 versammelt waren. Beim Heimattreffen am Nachmittag gab es schätzungsweise 5000 Besucher in den Messehallen Den Karlspreis bekam in diesem Jahr (1970 war es Otto von Habsburg) ein Mann der sich aus völlig anderer Richtung um die sudetendeutsche Frage von Jugend an verdient gemacht hat. Karl Kern, der Preisträger kommt aus der sozialistischen Jugendbewegung, ist Sozialdemokrat, emigrierte während der Nazizeit und lebt heute in Schweden.

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