17. August 1970: Mäuse machen den Durst nicht schön

17.8.2020, 07:00 Uhr
17. August 1970: Mäuse machen den Durst nicht schön

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Die Ergebnisse unterstreichen nachdrücklich die Notwendigkeit dieser Überwachungsinstanz: Bequemlichkeit mancher Lebensmittelhändler. die lieber einen großen Vorrat einlagern, statt öfter frisch einzukaufen, läßt Waren verderben, Unachtsamkeit in den Herstellerbetrieben gibt zu Beanstandungen Anlaß und Importe entsprechen oft nicht den deutschen Gesetzen.

Pro Jahr werden deshalb rund 6.000 Proben untersucht, von denen 400 durchschnittlich positiv ausfallen. Dabei handelt es sich dann nicht um bloße Ordnungswidrigkeiten, sondern um Vergehen, um Straftaten. Die Höhe der Strafe kann entsprechend sein: wegen krasser Verstöße gegen die Hygienebestimmungen läuft zur Zeit ein Verfahren gegen einen Nürnberger Verkaufsbetrieb, der 3.000 DM zahlen soll. Eine Herstellerfirma ist bereits zu einer Strafe in Höhe von 5.000 DM verurteilt worden.

Erziehung statt Strafe

Dabei ist die Überwachung der Chemischen Untersuchungs-Anstalt vorbeugender Art: „Wir wollen nicht Übeltäter fassen, sondern erzieherisch wirken“, sagt Dr. Bruno Trinczek, Leiter der Anstalt. Und da auch die kleinste Beanstandung dem Betreffenden eine Menge Unannehmlichkeiten bringt, wirkt die Tätigkeit der Kontrolleure durchaus erzieherisch: wer einmal ertappt worden ist, sieht sich in Zukunft doppelt vor.

Doch ein lückenloses Gesetz und eine Rechtsprechung mit fühlbaren Strafen sind unerläßlich. Das haben die sich vor Jahren häufenden Fälle, in denen Wurstwaren Nitrat beigesetzt wurde, deutlich gemacht: nach scharfem Eingreifen und einigen Prozessen gegen die Nitrat-Mischer war die Wurst von dieser verbotenen Beimengung befreit – und sie est es auch heute noch.

Dafür gibt es heute andere Fälle: im Mehl wird das gefährliche Lindan gefunden. Nach Meinung von Dr. Trinczek weist die Spur eindeutig auf die Mühlen hin, wo das Schädlingsbekämpfungsmittel verwendet wird. Sorgen bereiten auch ausländische Obstsaft-Konserven, weil auf der Innenwand der Büchsen der in Deutschland vorgeschriebene Schutzlack fehlt. Die Folge: der säurehaltige Saft löst aus dem Metall Zinn heraus, das dann mitgetrunken wird und zumindest Magenbeschwerden hervorrufen kann.

Datum nicht beachtet

Während der heißen Sommermonate sind es vor allem die leichtverderblichen Nahrungsmittel, die von den Kontrolleuren unter die Lupe genommen werden: Milcherzeugnisse und Fleisch- und Wurstwaren. Dabei wird immer wieder festgestellt, daß besonders Früchte-Joghurt und Fisch- und Fleischsalate zu lange gelagert werden, obwohl auf der Verpackung das Datum steht, bis zu dem die Ware verkauft werden kann.

Deutlicher wird es bei Käse und Wurst: Schimmelpilz und herumwimmelnde Maden schrecken auch die gutmütigsten Käufer auf. Wenn sie lediglich Umtausch verlangen, hat der Kaufmann Glück gehabt. Erfährt die Untersuchungs-Anstalt jedoch davon, geht es ihm an den Kragen.

In letzter Zeit scheinen auch auf Flaschen gezogene Mäuse in Mode zu kommen. Einige Male schon wurden die kleinen Nagetiere in solch feuchtem Grab angetroffen und kürzlich erst schwammen in einer Malzbierflasche gleich drei Mäuse umher. „Wie solche Schlampereien passieren können, ist mir unerklärlich“, meint Dr. Trinczek.

Auch das wird zur Routinearbeit, so wie man weiß, daß in Fleisch- und Wurstkonserven zu viel Fett und zuviel Bindemittel festgestellt werden, daß manchmal der Stammwürzegehalt beim Bier nicht stimmt oder ein Schnaps gar nicht immer so hochprozentig wie angegeben sein muß.

So ist die Arbeit der elf Kontrolleure, vier Chemiker und acht Laborgehilfen im Sinne des Verbrauchers höchst erfolgreich. Lebensmittelkontrollen wird und muß es immer geben.

Denn die Zahl der Beanstandungen sinkt nicht. Die Gesetze befinden sich noch in ständigem Fluß. Werden sie erweitert, vergrößert sich auch der Aufgabenkreis der Untersuchungsanstalt.

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