7. Oktober 1970: Rekordzahlen der Bundesbahn
7.10.2020, 07:00 UhrDas Berufsbeamtentum sei eine tragende und unentbehrliche Säule der freiheitlich-demokratischen Ordnung. Genscher lehnte auch ein Streikrecht für Beamte „entschieden“ ab. Er warnte vor „manchen Anwälten des Streikrechts“, die in Wahrheit das Berufsbeamtentum in Frage stellen wollten. Den Beamten ein Streikrecht einzuräumen, heiße, den öffentlichen Dienst zu verunsichern. Dies dürfe im Interesse des Gemeinwohls nicht geschehen.
Verantwortung des Staates
Aus dieser Einstellung heraus komme aber zwangsläufig eine besondere Verantwortung des Staates als Dienstherr gegenüber seinen Beschäftigten. Der Bundesinnenminister sieht es als eine seiner Aufgaben an, die Beamten aus der „unverdienten Rolle des ewigen Bittstellers“ herauszuführen. Er werde deshalb alles daransetzen, bei den Tarifgesprächen den Besoldungsrückstand nicht noch größer werden zu lassen.
Die SPD/FDP-Bundesregierung habe sich, so fuhr Genscher fort, als eine Regierung der inneren Reformen bezeichnet. Das Ziel des Fortschrittes für jeden einzelnen Menschen könne aber nur dann erreicht werden, wenn für diese Bundesrepublik Deutschland die innere und äußere Freiheit gewahrt bleibe.
Der Bundesinnenminister sprach speziell das Problem radikaler Ausländergruppen an, die die Auseinandersetzungen in ihrem Heimatland auf die Bundesrepublik zu übertragen versuchten. Er freue sich, daß zwischen allen tragenden politischen Kräften Einigkeit darüber bestehe, die Bundesrepublik nicht zum Tummelplatz in- oder ausländischer Terroristen werden zu lassen. „Wir sind zum Kampf angetreten“, erklärte Genscher.
„Konzentrischer Angriff“
„Der konzentrische Angriff auf das Berufsbeamtentum hat begonnen.“ Das meinte der Bundesvorsitzende des Deutschen Beamtenbundes, Alfred Krause. Bei Bundespost und Bundesbahn würden von „interessierter Seite“ die Weichen in Richtung Abbau gestellt. Versteckt würden solche Absichten hinter dem Wort „Reform“. Die so angebotenen Neuerungen verdienten aber diesen Namen nicht, sondern müßten schlicht „Umsturz“ genannt werden. Krause warf allen im DGB vorhandenen Richtungen vor, auf die Abschaffung des Berufsbeamtentums hinzuarbeiten. Ein Unterschied bestehe nur darin, daß die einen – insbesondere die ÖTV – dies deutlich sagten, während die DGB-Spitze diese Einstellung durch die Beibehaltung einer beamtenrechtlichen Terminologie noch zu verschleiern suche.
Das gelte auch für die GDED, deren Plädoyer für ein Beamtenstreikrecht die Problematik verharmlose. Eines sei ganz deutlich erkennbar, sagte Krause: „Die umstürzlerischen Forderungen auf Veränderungen des öffentlichen Dienstrechtes zielen auf eine Umschichtung der Machtverhältnisse in unserem Staat hin. Die parlamentarische Verantwortung soll entleert werden zugunsten der Verstärkung der Machtposition einzelner Gruppen.“
Der Präsident der Deutschen Bundesbahn, Professor Dr. Heinz-Maria Öftering, griff das brisante Thema der Neuorganisation der Mittelinstanz auf, die die Auflösung von sechs der insgesamt 16 Bundesbahn-Direktionen vorsieht. „Die Würfel sind gefallen“, stellte er fest. Jetzt gehe es darum, die mit der Straffung der Mittelinstanz verbundenen sozialen Härten so klein wie möglich zu halten. Der Bundesbahnpräsident erklärte, daß derzeit Höchstleistungen erbracht und Rekordzahlen erreicht würden.
Die Deutsche Bundesbahn sei auf dem Weg zu einem modernen Leistungsbild schon weit vorangeschritten. Die vor drei Monaten eingeführte Neuordnung des Stückgutverkehrs scheine sich zu bewähren. Trotz der angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt sei es der Deutschen Bundesbahn gelungen, ihren Personalbestand spürbar zu erhöhen. Vom 1. Juli 1969 bis 31. August 1970 hätten fast 53.300 neue Mitarbeiter eingestellt werden können. Die Netto-Erhöhung liege freilich wegen der erheblichen Abgänge lediglich bei 14 300 Dienstkräften.
Namens der bayerischen Staatsregierung wiederholte Arbeitsminister Dr. Fritz Pirkl die Bedenken, die Bundesbahn-Direktionen Augsburg und Regensburg aufzulösen. Er sprach die Hoffnung aus, daß in dieser Frage das letzte Wort noch nicht gesprochen sei. Für die Deutsche Bundesbahn dürfe es nie und nimmer nur eine betriebswirtschaftliche Betrachtungsweise geben. Eine volkswirtschaftliche Betrachtungsweise sei als Ergänzung notwendig.
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