Ausgangssperre - das sind die rechtlichen Grundlagen

20.3.2020, 14:24 Uhr

"Wir haben es alle in der Hand" - die Ansprache des Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) vor wenigen Tagen waren als Warnung an die bayerische Bevölkerung zu verstehen. Er sprach von einer "Zeit der Einschränkungen" und bat darum, Hamsterkäufe zu lassen und nicht übermäßig Bargeld abzuheben.


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Doch die ganze Woche strahlte am weiß-blauen Himmel die Sonne - am vergangenen Wochenende waren auf der Zugspitze die Hütten voll mit Menschen und in Nürnberg, Neumarkt und Schwabach mussten Polizeibeamte immer wieder größere Corona-Partys von Jugendlichen auflösen. Alle diese Leute hielten es für eine gute Idee, sich in Parks zu treffen und zu feiern, als gäbe es die Corona-Krise nicht. Freilich fliegt das Virus nicht als Massenvernichtungswaffe durch die Luft, doch Menschenansammlungen zu vermeiden, ist das wichtigste Gebot der Stunde.


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Um zu vermeiden, dass die Pandemie außer Kontrolle gerät, wurde das öffentliche Leben bereits eingeschränkt: Bayern hat den Katastrophenfall ausgerufen, das Landratsamt Tirschenreuth/Oberpfalz hat nach einem Starkbierfest für den Ort Mitterteich am 18. März eine Ausgangssperre verhängt. Nun, zwei Tage später, ist Mitterteich überall. Für Bayern wurden Ausgangsbeschränkungen verhängt.

Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

All diese Maßnahmen greifen massiv in die Grundrechte ein. Wer diesen Schritt geht, muss daher auch die Verhältnismäßigkeit im Blick haben, sagt Markus Krajewski, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Völkerrecht an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.

Als juristischer Laie stellt man sich diesen juristischen Grundsatz am besten mit Hilfe der Symbolfigur Justitia und ihrer Waage vor: In einer Schale liegt die Pandemie, samt der Bedrohung, dass unser Gesundheitssystem zusammenbricht. Die Maßnahmen, die in die andere Waagschale gepackt werden, dürfen also schwer wiegen.


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"Rechtsgrundlage ist das Infektionsschutzgesetz", so Professor Krajewski. Das Gesetz regelt, welche Krankheiten bei Verdacht, Erkrankung oder Tod meldepflichtig sind; dies gilt auch für manche labordiagnostischen Nachweise von Erregern. Und das Gesetz erlaubt, der Gefahrenlage der Pandemie entsprechend, Verordnungen zu erlassen.

Man kann all dies auch mit Eskalationsstufen vergleichen: Der Ministerpräsident hatte an die Vernunft der Bevölkerung appelliert, nun folgen Taten.

Um Missverständnisse zu vermeiden: Nun wurden nur Augangsbeschränkungen verhängt, und nicht einmal eine Ausgangssperre würde Hausarrest bedeuten. Erlaubt wäre es auch in diesem Fall zur Arbeit und zu Ärzten zu gehen, in Supermärkten einzukaufen und den Hund Gassi zu führen. Aber: Im Interesse aller sollte niemand ohne trifftigen Grund seine Wohnung verlassen.

Die Ausgangssperre schränkt Grundrechte ein

Die Freiheit der Person, bezeichnet in Artikel 2. Gemeint sind die körperliche Bewegungsfreiheit und das Recht jedes Menschen, jeden zulässigen Ort seiner Wahl zu betreten, dort zu bleiben und zu verlassen, ohne durch die Staatsgewalt daran gehindert zu werden.

Eingeschränkt wird auch die Freizügigkeit, garantiert durch Artikel 11 Grundgesetz, wonach sich jeder Bürger an jedem Ort innerhalb des Bundesgebietes aufhalten und Wohnsitz nehmen kann. Eingeschränkt werden durch eine Ausgangssperre auch die Versammlungsfreiheit aus Artikel 8, die Unverletzlichkeit der Wohnung aus Artikel 13 und das Brief- und Postgeheimnis aus Artikel 10 des Grundgesetzes.

Die Notstandsgesetze werden nicht angewendet

Der Corona-Virus sorgt zwar für Stillstand - aber wir haben es nicht mit einer Massenvernichtungswaffe zu tun. Und nicht mit einem Verteidigungsfall. Die Notstandsgesetze werden daher nicht angewendet.

Doch ausgeschlossen ist auch dies, gemessen am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, nicht. Angenommmen, den Hamsterkäufen folgen Plünderungen, kann die Situation als innerer Notstand verstanden werden. Kommt es soweit, wäre es denkbar, Polizeikräfte zwischen den Bundesländern auszutauschen.

Bundeswehr im Inneren

Aufgrund einer Pandemie ist es nicht möglich, die Bundeswehr im Inneren einzusetzen - diese Möglichkeit gibt es nur bei Naturkatastrophen, so Professor Markus Krajewski.

In der Geschichte des Landes ist dies immer wieder geschehen: Helmut Schmidt (SPD) holte als Polizeisenator von Hamburg die Bundewehr zur Hilfe - 1962 brachen nach einer Sturmflut die Deiche, Zehntausende waren in den eisigen Fluten gefangen. Im Jahr 2002 marschierte der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) in Gummistiefeln durch Sachsen. Es hatte zu regnen begonnen und hörte nicht mehr auf - die Elbe stieg und stieg und wurde am Ende zur Sintflut. Soldaten der Bundeswehr und Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks schufteten bis zum Unfallen. Und im vergangenen Jahr half die Bundeswehr in den Alpen, als die Schneemassen von den Hausdächern geräumt werden mussten.

Kein Notstandsparagraf

Einen Notstandsparagrafen wie in der Weimarer Verfassung, der dem Reichpräsidenten damals ermöglichthat, wesentliche Grundrechte außer Kraft zu setzen, gibt es heute nicht mehr. Das Grundgesetz kennt nur ein rudimentäres Notstandsrecht, nach den Erfahrungen des sogenannten Dritten Reiches sitzt die Angst vor einer Diktatur zu tief.


Was soll ich tun, wenn ich selbst den Verdacht habe, an dem Virus erkrankt zu sein? Hier haben wir häufig gestellte Fragen zum Coronavirus zusammengestellt. Bayern hat wegen des Coronavirus den Katastrophenfall ausgerufen - das hat weitreichende Konsequenzen. Unter anderem fallen viele Großveranstaltungen in Franken aus oder werden verschoben.

Außerdem gelten bei Supermärkten nun geänderte Öffnungszeiten. Sollte man beim Einkaufen überhaupt noch mit Scheinen und Münzen zahlen? Ein Experte klärt auf, ob Corona auch über Geld übertragen werden kann.

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