Ausnahmezustand in München: Eine Stadt in Angst

23.7.2016, 03:34 Uhr
Großalarm in München: Alle verfügbaren Einsatzkräfte wurden am Freitag nach Schüssen in einem Einkaufszentrum mobilisiert.

© dpa Großalarm in München: Alle verfügbaren Einsatzkräfte wurden am Freitag nach Schüssen in einem Einkaufszentrum mobilisiert.


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Wilde Schüsse in München – aktuell spricht die Polizei von zehn Toten. Um 17.52 Uhr geht der erste Alarm bei der Polizei ein. Die Nachricht über das Blutbad in einem Münchner Einkaufszentrum macht über Twitter und andere soziale Medien wie ein Lauffeuer die Runde.

Dann gibt es auch am Stachus mitten in der City Alarm – aber niemand weiß zunächst etwas Genaues. Menschen flüchten aus der Innenstadt, überall marschieren schwerbewaffnete Polizisten auf. Eine Stadt in Todesangst – zu frisch sind noch die Eindrücke von Nizza und von der Axt-Attacke in Würzburg.

In der Innenstadt hasten Menschen in Bürohäuser und Restaurants. Eine junge Frau setzt sich völlig erschüttert auf die Steintreppen in einem Bürogebäude und weint. "Ich will nicht sterben", schluchzt sie mit bebender Stimme. "Hier bist Du in Sicherheit", versucht eine Frau sie zu beruhigen.

Auch in den Keller des Restaurants "Il Sogno" flüchteten etwa 20 bis 30 Menschen. Bei Twitter bieten unter dem Hashtag #Offenetür Nutzer sichere Zufluchtsorte für Passanten an. Die Fußgängerzone, auch der Marienplatz in der Innenstadt – sonst Mittelpunkt des städtischen Trubels – sind schnell wie leer gefegt. Angst, Todesangst treibt die Leute weg.

Die Geschäfte in der Innenstadt schließen weit vor Ladenschluss. Eiserne Gitter werden eilends runtergelassen, manchmal bleiben die Auslagen draußen mit Sonderangeboten stehen. Sicherheit geht vor. Über der Stadt kreisen Polizeihubschrauber, überall hört man Sirenen von Polizei- und Rettungsfahrzeugen. U-Bahn, S-Bahn, Straßenbahnen und Busse – alles steht still, der Hauptbahnhof wird geräumt. Menschen flüchten über die Gleise Richtung Heimat. Auf den Straßen unzählige Staus.

Großalarm in München: Alle verfügbaren Einsatzkräfte wurden am Freitag nach Schüssen in einem Einkaufszentrum mobilisiert.

Großalarm in München: Alle verfügbaren Einsatzkräfte wurden am Freitag nach Schüssen in einem Einkaufszentrum mobilisiert. © dpa

Eine Touristin aus Italien fragt in der Innenstadt einen Münchner, wo sie sicher ist. "Am besten gehen Sie in ein Restaurant", lautet die Antwort. Nur runter von der Straße. Im Nordosten der Stadt, am Ort der Schüsse rund um das Olympia-Einkaufszentrum herrscht Ausnahmezustand.

Schnell wurde es von der Polizei geräumt, alles ist weiträumig abgesperrt, auch die Straßen rund um das Einkaufszentrum sind dicht. Doch wo sich der oder die Täter befinden, darüber herrschte zunächst noch Ungewissheit. Die Tat hier trifft die Stadt an einem Lebensnerv, hier herrscht Freitagnachmittag in der Regel Hochbetrieb. Alle großen Ketten haben hier Geschäfte.

Dann machen Gerüchte die Runde, auch in der Innenstadt seien Schüsse gefallen. Die Polizei ruft die Menschen dazu auf, zu Hause zu bleiben. "Natürlich macht man sich Sorgen, ich habe schon ein komisches Gefühl", sagt eine Verkäuferin in einem Zoofachhandel, knapp zwei Kilometer von dem Einkaufszentrum entfernt.

Auch um ihre Familie macht sie sich Sorgen, "vor allem, weil ich meinen Bruder und meine Schwester nicht erreicht habe. Die waren vielleicht dort einkaufen." Ob sie am Abend nach Hause kommt, weiß sie noch nicht: "Ich wohne ganz in der Nähe, nur fünf Minuten mit dem Auto. Ich hoffe, dass die Straßen da frei sind."

Das Schlimmste für viele Menschen ist die Ungewissheit. War es der Amoklauf eines Einzelnen, aus Eifersucht oder Rache? Oder gar ein Terroranschlag, möglicherweise von mehreren Tätern? Die Polizei spricht nach einiger Zeit von drei Tätern, die auch Stunden nach den ersten Schüssen noch auf der Flucht seien. Erst nach quälend langen Stunden wird sich herausstellen, dass es sich um einen Einzeltäter gehandelt hat und die Gefahr gebannt ist.