Betonland Bayern? So will der Freistaat gegensteuern

Martin Müller

Redaktion Metropolregion Nürnberg und Bayern

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3.11.2020, 05:17 Uhr
50.000 Menschen hatten im Jahr 2018 das Volksbegehren "Betonflut eindämmen" in Bayern unterzeichnet. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof lehnte es dann allerdings aus formalen Gründen ab.

© Matthias Balk, dpa 50.000 Menschen hatten im Jahr 2018 das Volksbegehren "Betonflut eindämmen" in Bayern unterzeichnet. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof lehnte es dann allerdings aus formalen Gründen ab.

Fünf Hektar Fläche pro Tag dürfen in Bayern künftig nur noch verbraucht werden. So steht es im Koalitionsvertrag und so soll es nun im Landesplanungsgesetz als Ziel für 2030 ausgegeben werden.


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Momentan ist man weit davon entfernt, und droht sogar, das Ziel immer mehr aus den Augen zu verlieren. Im Jahr 2019 wurden pro Tag im Schnitt 10,8 Hektar in Verkehrs- und Siedlungsflächen umgewandelt, im Jahr zuvor waren es noch 10,0 Hektar.

"Wir wollen keine Planwirtschaft"

Wie man die Trendumkehr schaffen will? "Insbesondere sollen die Potenziale für die Wiedernutzbarmachung von Flächen, für die Nachverdichtung und für andere Maßnahmen zur Innenentwicklung (...) ausgeschöpft werden. Geeignete Maßnahmen zur Verminderung der Flächeninanspruchnahme sollen unterstützt werden", soll nach dem Gesetzentwurf der Staatsregierung künftig im Landesplanungsgesetz stehen, das im Dezember zur Zweiten Lesung in den Landtag kommen soll. Konkreter wird es nicht.

"Die kommunale Selbstverwaltung ist das Erfolgsrezept unseres Bundeslandes Bayern. Wir wollen keine Planwirtschaft, sondern die Leute mitnehmen", erklärt Walter Nussel den Mangel an konkreten Vorgaben. Der CSU-Landtagsabgeordnete aus Herzogenaurach ist im Wirtschaftsausschuss des Landtags Berichterstatter zu dem Thema.

Nussel setzt vor allem auf Freiwilligkeit. "Die Bürgermeister schauen ja auch selbst drauf, dass sie nicht so viel ausweisen. Da gibt es ein Umdenken", ist er überzeugt. "Für den wirtschaftlichen Erfolg Bayerns spielt es eine entscheidende Rolle, dass das Bild der bayerischen Landschaft in hoher Qualität erhalten bleibt", glaubt dagegen Josef Göppel, langjähriger CSU-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Deutschen Verbandes für Landschaftspflege.

Konkretes Flächenbudget für Gemeinden

Zusammen mit Fachleuten des Umweltbundesamtes hat Göppel bereits vor zwei Jahren ein Konzept ausgearbeitet, das den Flächenverbrauch in Bayern auf fünf Hektar pro Tag begrenzt. Demnach soll den Kommunen ein jährliches Flächenbudget zugeteilt werden. Kleine Gemeinden haben pro Einwohner ein höheres Flächenkontingent als große Kommunen. Gemeinden dürfen auch ihr jährliches Budget ansparen und dann geballt verbrauchen.

Ein Gesetzentwurf der Grünen stützt sich weitgehend auf dieses Konzept. Nussel lässt kein gutes Haar daran. "Da zeigt sich wieder, dass die Grünen eine reine Verbotspartei sind. Damit würden sie ein Bürokratiemonster schaffen", ist er überzeugt und bringt das Beispiel, dass Gemeinden durch überörtliche Radwege ihr Budget für Jahre verbrauchen könnten.

"Wenn man die CSU so reden hört, könnte man meinen, der Flächenverbrauch in Bayern sei hauptsächlich auf neue Radwege, Golfplätze und Friedhöfe zurückzuführen", wundert sich Christian Zwanziger, Grünen-Landtagsabgeordneter aus Erlangen und Parteisprecher für Landesplanung. Dabei bekämen laut Gesetzentwurf ohnehin alle Kommunen eine Flächen-Reserve für überörtliche Projekte zugeteilt, die sich am Bedarf der vergangenen Jahre orientiert.


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Außerdem gibt es ein Kontingent für Härtefälle, das bei überregional bedeutsamen Projekten zum Tragen kommt. Nach Vorstellung der Grünen soll die Flächenverbrauchs-Höchstgrenze im Freistaat pro Jahr um einen Hektar sinken, bis sie im Jahr 2026 fünf Hektar pro Tag erreicht hat.

50.000 Menschen hatten im Jahr 2018 das Volksbegehren "Betonflut eindämmen" in Bayern unterzeichnet, das dann aber vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof aus formalen Gründen abgelehnt wurde. Die Richter hatten zum Beispiel konkrete Vorgaben vermisst, wie der Flächenverbrauch in den Kommunen gesenkt werden soll. Diese Vorgaben fehlen nun allerdings auch in den Gesetzesänderungen der Staatsregierung.

Veränderte Berechnungsmethode?

Ändern würden CSU und Freie Wähler dagegen gerne die Berechnungsgrundlage für den Flächenverbrauch. Sie möchten weniger Nutzungsarten den Verkehrs- und Siedlungsflächen zuordnen und Grünstreifen herausrechnen. "Tatsächlich werden diese Flächen ja nicht alle versiegelt. Wir sind eigentlich längst in Richtung fünf Hektar unterwegs. Wenn zum Beispiel Steingärten bei Privathäusern verboten werden, sollte man die grünen Flächen auch nicht zum Flächenverbrauch rechnen", fordert Nussel.

Einen entsprechenden Änderungsantrag haben CSU und Freie Wähler bereits am 22. Oktober im Wirtschaftsausschuss eingebracht. In der Begründung plädieren sie für Flächensparen "mit Augenmaß" und dafür, dass der Grad der Bodenversiegelung berücksichtigt wird.

Es stimmt, tatsächlich ist nur etwa die Hälfte der Verkehrs- und Siedlungsflächen versiegelt. Nicht nur Straßen, Wohnhäuser und Industriebetriebe zählen zu diesen Flächen, sondern auch Golfplätze, Friedhöfe und der Nürnberger Tiergarten.

Fachleute warnen: Werte nicht mehr vergleichbar

Allerdings: Das ist schon seit jeher so, und die Staatsregierung hat sich auch an diesen Zahlen orientiert, als sie im Koalitionsvertrag das Fünf-Hektar-Ziel ausgegeben hat und den Flächenverbrauch verringern wollte. Fachleute warnen ohnehin davor, die Systematik grundlegend zu ändern, da dann jegliche Vergleichbarkeit zu vergangenen Jahren unmöglich gemacht wird.

Josef Göppel appelliert an die Staatsregierung, doch zumindest für eine Übergangsphase von fünf Jahren eine halbverbindlichen Weg zu wählen, bei dem die staatliche Förderung noch viel mehr auf Bauprojekte im Innenbereich, Nachverdichtung sowie die Reaktivierung von Leerständen und Brachen konzentriert. "Sonst ist man bei der Verringerung des Flächenverbrauches völlig unglaubwürdig", meint er.

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