Bezirkskliniken Mittelfranken: Für Nawratil wird es eng
14.9.2017, 05:53 UhrAm Ende seines fast zweiseitigen Klagebriefes seufzt der Ehemann erleichtert auf: "Ich will mir gar nicht vorstellen, wie die Situation meiner Frau heute wäre, wenn wir den Wechsel nicht vollzogen hätten." Die Patientin war nach einem Hirnstamminfarkt vom Nürnberger Südklinikum zur neurologischen Reha in das Erlanger Klinikum am Europakanal des Bezirks verlegt worden. Die Zustände dort waren für den Rentner schlicht unerträglich.
Er schildert das in seinem Schreiben ohne übertriebene Empörung, eher nüchtern und abgewogen. Die Zimmer sowie die ärztliche und pflegerische Betreuung in Erlangen habe man als angenehm empfunden, "absolut unzureichend" sei aber die therapeutische Unterstützung des Genesungsprozesses seiner Frau gewesen. Der besorgte Ehemann der Kranken bemühte sich um Besserung, die habe man ihm "mit dem Hinweis auf fehlendes Personal" allerdings nicht in Aussicht stellen können. "Mir wurde klar, dass die Personalsituation nicht durch einen erhöhten Krankenstand, sondern durch die Personalbemessung allgemein hervorgerufen wurde."
Wolle er dauerhaften Schaden von seiner Frau abwenden, habe er sich umgehend um die Unterbringung in einer anderen Reha-Klinik bemühen müssen. Die fand er schließlich in Oberfranken. Seinen Brief schickte er in Abdruck an Bezirkstagspräsident Richard Bartsch, seit über zehn Jahren Vorsitzender des Verwaltungsrates der Bezirksklinken, und an ein weiteres Mitglied des Gremiums, das Klinikvorstand Nawratil kontrollieren soll.
Nicht die einzige Patientin mit Klagen
Dies habe er getan, so der Ehemann, weil er davon ausgehe, dass seine Frau nicht die einzige Patientin in Erlangen sei, die dort unter unzureichender Ausstattung mit Mitarbeitern zu leiden habe. Mit dieser bitteren Vermutung hatte er recht. Die Mediziner am Erlanger Zentrum für Neurologie und Neuroligische Rehabilitation (ZNR) rafften sich geschlossen zu einem aufrüttelnden Brief an Helmut Nawratil höchstpersönlich auf.
"Personalmangel Therapeuten im ZNR" steht im Betreff, unterschrieben ist er "mit kollegialen Grüßen, die Ärzteschaft". Die sorgt sich darin ernsthaft um den guten Ruf, "den unsere Reha-Klinik (noch) besitzt". Die Ärzte schildern ausführlich die äußerst bedrohlichen Folgen fehlender Therapiemöglichkeiten für die Patienten und halten fest: "Berechnungen haben ergeben, dass 15 Therapiestellen fehlen, um die von den Krankenkassen geforderten 300 Therapieminuten pro Patient täglich zu gewährleisten." Sie bitten Nawratil eindringlich, "diese Stellen zu schaffen und entsprechend zu besetzen, um eklatante medizinische Mängel zu beseitigen".
Alarmruf bereits vor zwei Jahren
Geschehen ist das nicht. Der Ärzte-Alarmruf ging bereits vor zwei Jahren bei Klinikmanager Nawratil ein. Dennoch der lässt kurz darauf einem der sehr beunruhigten Angehörigen ein Besänftigungsschreiben zukommen. Man habe die Personalzahlen am ZNR aufgrund der Beschwerde "prüfend betrachtet". Und siehe da: "Als Ergebnis können wir sagen, dass ausreichend Personal zur Verfügung steht."
Helmut Nawratil, der stets mit außergewöhnlich guten Wirtschaftszahlen glänzt, steht im Ruf, gravierende Probleme, wie sie in Erlangen zu bewältigen waren, anders zu lösen. Störenfriede werden bisweilen mundtot gemacht. Intern wird den Verantwortlichen schnell mangelhafte Fähigkeit unterstellt, die Abläufe ordentlich zu organisieren. Sie sollen Maßnahmen darlegen, wie "kritische Punkte" beseitigt werden, und zwar "innerhalb von 2 Wochen", wie es in einer Aktennotiz Nawratils vom März vergangenen Jahres zu den Vorgängen am Erlanger ZNR heißt.
Nur Erlöse zählen
Wer das Ziel nicht erreicht, fällt bei Nawratil in Ungnade. Stimmen müssen vor allem die Erlöse. "Aber wenn die Decke zu kurz ist, dann ist es egal, ob man sie nach oben oder nach unten zieht, irgendwo wird es dann immer kalt", sagt ein Insider. Wenn Personal fehle, stoße man selbst bei bester Optimierung von Abläufen nun mal schnell an Grenzen.
Vor gut einem Jahr wurde dann ZNR-Chefarzt Dr. Detlef Kohl tatsächlich entlassen. Die Mehrheit der Verwaltungsräte, allesamt Politiker mit Sitz im Bezirkstag, hat diesem Schritt zugestimmt. Zumindest einer von ihnen versichert heute, von dem Warnbrief der Ärzte nichts erfahren zu haben. Nawratil habe die Vorgänge so beschrieben, dass die Kündigung unumgänglich erschienen sei.
Dabei hatte auch Dr. Detlef Kohl schon sehr frühzeitig darauf hingewiesen, dass die Therapiezeiten mangels Personals nicht erfüllt werden. Die Kassen würden deshalb, so der frühere Chefarzt damals, bei Einzelfallprüfungen zunehmend Rechnungssummen um 30 Prozent bis 50 Prozent kürzen.
Dies stelle auch wirtschaftlich ein "erhebliches Risiko" dar, hat er geschrieben. Es müssten "unbedingt rasche Sofortmaßnahmen" ergriffen werden, etwa eine Mehrung der Therapeuten um erst einmal vier Stellen. Helmut Nawratil will derzeit zu diesen internen Vorgängen keine Stellung nehmen.
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