Erfahrungsbericht Center Parcs: Schlechtes Essen, geniales Konzept
16.9.2020, 05:52 Uhr"Hej, wir fahren in den Center Parcs Allgäu. Kommt ihr mit?" Fragte meine Schwester, das war Ende 2019. Die erste Reaktion meines Mannes: Fünf Kinder, eine künstliche Ferienanlage mit vielen, vielen Touristen - und der ganze Spaß für ziemlich viel Geld. "Ach nö...!" Ich sagte: "Naja. Zeit mit meiner Schwester und Kinder, die ihr eigenes Ding machen - vielleicht doch?" Unsere beiden Kinder schrieen: "Jaaaaaaaaa!" Papa war überstimmt.
Aus der gemeinsamen Reise Pfingsten wurde nichts, wir vier - Papa, Mama, zwei Töchter plus Junghund - fuhren aber jetzt Ende der Sommerferien für vier Tage hin. Und ich zweifelte mittlerweile wieder mehr: weil meine Schwester fehlte, das durchgestylte Tourivergnügen aber blieb.
+++ Wie Center Parcs auf das Seenland aufmerksam wurde +++
Ich bin Fränkin. Ich bin's echt auch gerne, aber mal ganz ehrlich: Dieser erst mal alles schlecht redende Charakterzug, der scheint uns schon ein wenig im Blut zu liegen. Diesmal wählte ich die Schublade: nervige Menschenmassen, Massenabfertigung, künstliche Welt, außen hui - innen pfui, schlechtes Essen, teuer.
Mein erster Eindruck: Ich war überrascht
Gut, das mit dem schlechten Essen, das würde ich jetzt nicht gänzlich korrigieren. Aber der Rest - stimmt teilweise natürlich auch, aber nach dem echten Erleben vor Ort stehen die Worte in einem anderen Kontext. Sie klingen für mich nicht mehr so miesmuffelig, sondern eher - ich will es mal so sagen: Der Plan war, Abstand zu finden und sich zu erholen. Und dieser Plan ist aufgegangen. Eines muss ich noch vorausschicken: Wir hatten herrlichstes Wetter. So gesehen strahlt da ja alles in einem anderen Licht. Aber trotzdem...
Mein erster Eindruck: Ich war überrascht. Weil das wirklich riesige Gelände richtig wildwüchsig daherkam. Hier wurde offensichtlich nicht einfach alles platt gemacht und künstlich auf schön getrimmt. Die Natur hatte Raum, um zu sprießen, und zwar in ihrer urallgäuerischsten Form. Gräser, Bäume, Blumen, Sträucher versteckten auch die unzähligen, ich nenn sie jetzt mal Reihen-Cottages, die verstreut lagen. Und selbst diese Holz-Häuschen waren schlicht und sympathisch.
Im Vorfeld haben wir einige Kritiken gelesen, vor allem war immer mal wieder von mangelnder Sauberkeit die Rede. Zumindest wir konnten das nicht bestätigen. Es war alles soweit in Ordnung. Bis auf die ein oder andere Kinderfingerschliere an den Fenstern als kleines "Hallo!" der Vor-Gäste. Sauberkeits-Päpste finden mit Sicherheit immer was. Ich dagegen finde, dass Fensterputzen ohnehin überbewertet wird...
Center Parcs: Wer macht hier Urlaub?
Wer macht hier Urlaub? Natürlich Familien. Eltern, Großeltern und Kinder, Kinder, Kinder. Weil die dort springen dürfen, einen Streichelzoo vor der Türe haben inmitten einer künstlich angelegten und doch irgendwie auch natürlichen Landschaft. Weil man sich zurückziehen kann, wenn man will oder sich das volle All-inclusive- und Entertainment-Programm kauft, ganz nach Geschmack und Geldbeutel (denn: Das ist ein teurer Spaß). Weil es ein Bungee-Trampolin gibt und Spielplätze und Wasserläufe und Ponys zum Reiten. Eine Kletterwand und eine Bowlingbahn, wenn's regnet. Und weil da eben auch das Herzstück ist, dieses dicke, fette Hallenbad mit allem Schnick-Schnack, in dem auch die Erwachsenen prima und mit Freude die Zeit verdödeln können - vor allem zusammen mit ihren jauchzenden Kids.
Netter Nebenaspekt: Die Chance auf sechs Stunden Schlaf am Stück, die steigen enorm, wenn das Kleine sich stundenlang im Wasser und inmitten von luftfeuchtigkeitstropischer Atmosphäre ausgetobt hat. Und Sie glauben gar nicht, wie wertvoll sechs Stunden ununterbrochener Nachtschlaf sind mit einer Zwei- und einem Fünfjährigen; oder einem Baby, einem Kindergarten- und einem Schulkind; oder nach zehnjähriger Elternschaft. Gäbe es das Unternehmens-Konzept für die Zielgruppe Familie noch nicht, man müsste es ganz schnell erfinden.
Ein paar Familien aus meinem Bekanntenkreis waren bereits vor uns im Center Parcs Allgäu, und diese Eltern sind weit entfernt vom All-inclusive-Touristen-Image. Sie haben sich für den Urlaub entschieden, weil es viele Beschäftigungsmöglichkeiten vor der Tür und für jedes Wetter gibt, das die Kids glücklich und zufrieden macht. Weshalb auch die Großen eine reale Chance auf Zurücklehnen und Erholung haben.
Keine geschlossene Gesellschaft
Wir haben aber auch was ganz Verrücktes gemacht, und gehören damit nicht zur Mehrheit der Gäste: Wir sind mal raus gegangen. Das fanden unsere Töchter nicht so toll, aber das war der Deal: ein halber Tag Planschen, ein halber Tag Erwachsenen-Programm. Und was soll ich sagen: Uli und ich waren verzückt vom Allgäu. Im Gegensatz zum farblich ausgedörrten Nürnberg war es selbst in der Hitzewoche einfach sattgrün und schrecklich schön hier.
Wir waren im Örtchen Isny, haben dort Eis gegessen und einen Lebensmittel-Einkauf gemacht, mit der Gondel auf dem Hündlekopf und wandern (sagen meine drei Familienmitglieder; andere nennen es Spaziergang) und in Leutkirch Abendessen in einer Brauerei, wo das Essen hervorragend war (und das Bier auch).
Nach dem Auschecken im Center Parcs haben wir in der Allgäuer Genussmanufaktur Halt gemacht. Die liegt im angrenzenden Örtchen Urlau. Wir haben ein Mitbringsel für die Schwiegereltern und uns, ein Dankeschön für die Meerschweinchen-fütternden Nachbarn gekauft und einen Cappuccino getrunken. Was ich mit all dem sagen will: Wir haben die regionale Wirtschaft finanziell unterstützt.
+++ Center Parcs: Das erwarten die Tourismus-Unternehmen in der Region +++
Mit der Inhaberin der Kaffeerösterei sind wir ins Gespräch gekommen. Wie sie den Center Parcs denn so findet?, haben wir gefragt und gerechnet mit einer eher kritisch ausfallenden Antwort. Die aber lautete: Sie findet ihn super! Weil er der Region viel gebracht habe. Leutkirch wäre abgehängt ohne ihn, das habe man auch dem engagierten Einsatz des Leutkircher Oberbürgermeister Hans-Jörg Henle zu verdanken (ein Interview mit ihm lesen Sie hier). Aber bleiben die Touristen denn nicht auf dem Parkgelände? Viele schon, bestätigt sie. "Aber ehrlich: Alle brauchen wir ja auch gar nicht." Wir haben das mal als Kompliment aufgefasst. Und gleich noch was gekauft.
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