"Bedauerliches Versehen"

Ärger um CSU-Mann Stefan Müller: Nebentätigkeit nicht angegeben

Sharon Chaffin

Redakteurin Erlanger Nachrichten

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19.6.2021, 15:30 Uhr
Der CSU-Politiker Stefan Müller sitzt für den Wahlkreis Erlangen, der die Hugenottenstadt und den Landkreis Erlangen-Höchstadt umfasst, im Bundestag. 

© Henning Schacht, NN Der CSU-Politiker Stefan Müller sitzt für den Wahlkreis Erlangen, der die Hugenottenstadt und den Landkreis Erlangen-Höchstadt umfasst, im Bundestag. 

Noch Ende März 2021 hatte der Bundestagsabgeordnete Stefan Müller (CSU) gemeinsam mit einer Mehrheit aus CDU/CSU und FDP einen Gesetzentwurf für strengere Transparenzregeln für Abgeordnete abgelehnt. Die Linke wollte mit ihrem Antrag die Veröffentlichung von Nebeneinkünften der Abgeordneten offener gestalten.

Im Grundsatz hatten sich Union und SPD bereits im Sommer 2020 auf die Einführung eines verbindlichen Lobbyregisters geeinigt. Auslöser war vor allem der Fall des CDU-Politikers Philipp Amthor, der für das US-Unternehmen „Augustus Intelligence“ lobbyierte und im Gegenzug Aktienoptionen erhalten hatte.

Da war es dann nur eine Frage der Zeit, bis es zu einer Einigung in Berlin kam. Am vergangenen Freitag, 11. Juni 2021, war es so weit: Union und SPD beschlossen mit Linken und Grünen doch noch strengere Transparenzregeln für Abgeordnete.

Der Beschluss sieht unter anderem Folgendes vor: Alle Einkünfte von Abgeordneten, die 3000 Euro pro Jahr übersteigen, sollen auf Euro und Cent genau veröffentlicht werden. Monatliche Beträge über 1000 Euro müssen ebenfalls angegeben werden.

Das bisherige Stufensystem wird damit abgeschafft. Einkünfte aus Dividenden sowie Aktienoptionen müssen ebenfalls veröffentlicht werden. Freiberuflich tätige Abgeordnete müssen ihre Geschäftspartner nennen. Abgeordneten soll es künftig verboten sein, als Lobbyist tätig zu sein. Darüber hinaus dürfen Abgeordnete keine Honorare für Reden mehr annehmen, die mit ihrem Mandat im Zusammenhang stehen.

Diesem Gesetz stimmte dann auch der Erlanger CSU-Mann Müller zu. Mehr noch, wie er gegenüber diesem Medienhaus betont: "Der Neufassung der Verhaltensregeln für Bundestagsabgeordnete habe ich nicht nur zugestimmt, sondern war an der Neuformulierung als Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe auch maßgeblich beteiligt." Er halte diese Neufassung insbesondere im Hinblick auf die Offenlegung von Nebenverdiensten, "nicht zuletzt im eigenen Interesse der Abgeordneten, für absolut notwendig".

Zwischen der Ablehnung im März und der Zustimmung im Juni liegt eine Debatte über die eigene Nebentätigkeit des 45-Jährigen. Gemeinsame Recherchen von "Zeit online" und der Internetplattform "Abgeordnetenwatch" hatten vor Kurzem ergeben, dass der CSU-Politiker als Vorstandsmitglied für den Verein "Gesellschaft zum Studium strukturpolitischer Fragen" tätig ist, das aber bislang verschwiegen hatte. Damit verstieß Müller gegen die Bundestag-Verhaltensregeln, die Abgeordnete verpflichten, transparent zu machen, für wie viele Kunden sie neben dem Mandat noch arbeiten.

Seit 19. April 2021 nun erfasst auch Abgeordnetenwatch.de (www.abgeordnetenwatch.de) Müllers ehrenamtliche Vorstandsarbeit für die "Gesellschaft zum Studium strukturpolitischer Fragen", für den Verein tätig aber ist er schon seit 2017, also seit dem Jahr der letzten Bundestagswahl. Laut "Zeit online" hat sich Müller bereits für die Nicht-Veröffentlichung entschuldigt.

Stefan Müller: "Das ist keine Absicht gewesen"

Auch auf Nachfrage dieses Medienhauses räumt er ein: "Richtig ist, dass ich diese Mitarbeit im Vorstand der Strukturgesellschaft nicht, wie erforderlich, im vorgeschriebenen Zeitraum beim Bundestagspräsidenten gemeldet hatte."

Dies sei aber keine Absicht gewesen, was schon daran erkennbar sei, dass die Funktion jederzeit auf der Website der Strukturgesellschaft nachlesbar gewesen sei. "Es handelte sich", so Müller, "schlicht um ein bedauerliches Versehen".

Die Funktion sei selbstverständlich sofort ordnungsgemäß nachgemeldet worden, nachdem er Mitte April darauf aufmerksam gemacht worden sei, erläutert Müller weiter, und könne seitdem auf seiner Abgeordnetenseite auf www.bundestag.de unter dem Punkt "Veröffentlichungspflichtige Angaben" eingesehen werden.

Wer steht hinter dem Verein?

Doch wer oder was verbirgt sich eigentlich unter dem recht allgemein gefassten Namen "Gesellschaft zum Studium strukturpolitischer Fragen"? Unter den Mitgliedern finden sich viele Verbände aus der Energieversorgung, der Automobil- oder Chemieindustrie.

Außerdem sind darin vertreten der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, Deutscher Braunkohle-Industrie-Verein, Deutscher Wasserstoff- und Brennstoffzellenverband, innogy SE (E.ON) Propan Rheingas und die Lobby-Initiative Zukunft Gas.

Laut Lobbypedia (www.lobbypedia.de), ein von Lobby Control betriebenes unabhängiges und kritisches Lobbyismus-Lexikon, bringt der Verein Wirtschaftsverbände, Unternehmen und einzelne Personen mit Abgeordneten (insbesondere Mitglieder von Bundestagsausschüssen) und Vertretern der Bundesregierung (insbesondere Parlamentarische Staatssekretäre) zusammen und ermöglicht damit die informelle Einflussnahme auf die Gesetzgebung.

Müller hingegen sieht das anders. Die Gesellschaft zum Studium strukturpolitischer Fragen sei ein traditionsreiches überparteiliches Forum für den Austausch zwischen Wirtschaft, Wissenschaft, Gesellschaft und Politik zu Fragen, die, so der CSU-Mann, für die Weiterentwicklung unseres Landes relevant seien und/oder werden könnten.

"Sie ist keine Lobbyorganisation", bekräftigt der Abgeordnete, "und sie ist auch nicht einseitig auf eine Branche ausgerichtet, wie Sie leicht erkennen können, wenn Sie sich die thematische Vielfalt ansehen, die sich in den Beiräten widerspiegelt." Sie vertrete nicht die Interessen der Mitglieder, betreibe keine eigene politische Kommunikation und formuliere auch keine eigenen politischen Positionen.

Auch die Liste der individuellen Mitglieder und der Verbände und Unternehmen, die Mitglied der Strukturgesellschaft sind, sei äußerst vielfältig, wie jedermann auf der Website der Gesellschaft völlig transparent nachlesen könne. Im Vorstand, dem Müller angehört, fände man auch Kollegen wie Siegmar Mosdorf von der SPD und Cem Özdemir von den Grünen, der auch den Beirat Verkehr und Digitale Infrastruktur leitet.

Der Verein selbst bleibt indes auf seiner Homepage (www.strukturgesellschaft.de) im Ungefähren: Es finden sich keine Protokolle und auch keine Angaben zu Treffen oder Ausschüssen.

Bleibt man aber als Vorstandsmitglied eines solchen Vereins wirklich völlig unabhängig bei seinen Entscheidungen? Müller sieht da, wie er gegenüber diesem Medienhaus betont, keinen Zusammenhang. "Meine Vorstandstätigkeit in der Strukturgesellschaft ist rein ehrenamtlich, ich erhalte dafür keinerlei Vergütung. Sie hat keinerlei Einfluss auf meine Aufgabe und Unabhängigkeit als Abgeordneter."

Erlangen und ERH forcieren Energiewende

Auch mit Blick auf seinen Bundestagwahlkreis Erlangen, der die Hugenottenstadt und den Landkreis Erlangen-Höchstadt umfasst und die von beiden Teilen forcierte grüne Energiewende, hält er für unproblematisch: "Ich sehe keinen Zusammenhang zwischen der Energiewende in Stadt und Landkreis und meiner ehrenamtlichen Tätigkeit in der Strukturgesellschaft", entgegnet er. Im Übrigen setze er sich dafür ein, dass Deutschland das erste klimaneutrale Industrieland werde.

Wer allerdings Müllers Tweets insbesondere aus der ablaufenden Legislaturperiode anschaut, stellt durchaus eine besondere scharfe Haltung gegenüber Umweltverbänden fest. So sorgte er im März 2019 für große Aufregung, als er in einem Tweet die Gemeinnützigkeit der Deutschen Umwelthilfe (DUH) in Frage stellte.

Für (noch) größeren Ärger sorgte dann Ende August 2020 ein weiterer Tweet. Diesmal hatte Müller, der auch parlamentarischer Geschäftsführers der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag ist, die Umweltorganisation Greenpeace mit einem Mob gleichgesetzt, der kurz zuvor versucht hatte, den Bundestag zu erstürmen. Wörtlich schrieb Müller auf Twitter: "Der Reichstag ist das demokratische Symbol aller Deutschen. Weder kindisch-kreischende Chaoten noch Öko-Transparente von Greenpeace haben dort etwas zu suchen."

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