E-Bikes: Diebe werden immer skrupelloser

28.4.2021, 12:30 Uhr
E-Bikes: Diebe werden immer skrupelloser

© Foto: Klaus-Dieter Schreiter

Horst Weber wartete wie immer am Hauptbahnhof auf den Bus, der ihn von der Arbeit nach Hause bringen sollte. Durch die Pandemie war schon länger nicht mehr so viel Andrang auf dem Vorplatz, keine Reisenden, die zu den Zügen stürmten, keine Jugendlichen, die in Gruppen beieinander standen und sich unterhielten – dafür bemerkte Weber einen jungen Mann, der weiter hinten am Bahnhofsgebäude vor ein paar abgesperrten Fahrrädern kniete.

Dieb flexte in aller Ruhe das Faltschloss auf

Ein Winkelschleifer kreischte hörbar durch die Nacht, leuchtende Funken schlugen bei dem jungen Mann durch die Luft. Weber war verunsichert. Als er vorsichtig etwas näher kam und deutlicher guckte, wurde ihm klar: Es war kein Arbeiter, der dort eine Leitung reparierte, es handelte sich offenbar um einen dreisten Fahrraddiebstahl – seelenruhig und ohne sichtbare Aufregung flexte ein Dieb am Erlanger Bahnhof gerade das massive Faltschloss, mit dem ein E-Bike versperrt war, durch. Ein Lieferwagen stand ein paar Meter weiter zum Abtransport.

"Es ist wirklich alarmierend, mit welcher Skrupellosigkeit und auch mit welchem Gerät Diebe mittlerweile anrücken und sich offensichtlich von nichts aus der Ruhe bringen lassen", sagt Jochen Blum von der Erlanger Polizei. Er hat Horst Weber, der eigentlich anders heißt, später vernommen. "Er war sich sicher, dass ein Winkelschleifer im Einsatz war, er hat die Funken schlagen sehen und auch den Lärm vernommen." Das Pedelec, das an diesem Tag verschwand, gehörte einem Kollegen von Blum. Als die Polizei eintraf, war der Dieb über alle Berge. Leider hatte sich Weber das Kennzeichen nicht gemerkt – "wenn man so etwas beobachtet", so Blum, "ist es ganz wichtig, sich das Kennzeichen zu notieren".

Gelegenheitsdiebe, die zu faul zum Laufen sind

Bis zu 700 Fahrräder werden im Schnitt Jahr für Jahr in Erlangen geklaut. Oftmals sind es Gelegenheitsdiebe, die in der Studentenstadt nur zu faul sind, angetrunken nach Hause zu laufen und sich daher ein unabgesperrtes, günstiges Fahrrad "ausleihen". "Dass die Zahlen nun auch ohne Bergkirchweih und nächtliche Feierei hoch bleiben, dafür sorgen die vielen Diebstähle an hochwertigen E-Bikes", sagt Jochen Blum.

Auch in Herzogenaurach und in Höchstadt sind die Diebstahlzahlen gleichbleibend – wenn auch bei Weitem nicht so hoch wie in Erlangen. So wurden in Herzogenaurach 2020 36 Fahrräder gestohlen, 22 davon waren abgesperrt. Acht Räder tauchten bei drei Tätern wieder auf, zwei wurden anderweitig gefunden.

Angekettet auf Privatgrund - und trotzdem geklaut

In Höchstadt kam es zwischen Oktober 2018 und Oktober 2020 zu 83 Fahrraddiebstählen, 36 der Bikes waren versperrt. Neun gingen auf das Konto eines Täters, lediglich zwei Räder waren E-Bikes. Diese allerdings wurden, so die Polizei, von Privatgrund geklaut – auf dem sie angekettet standen.

Es scheinen Banden das Geschäft längst für sich entdeckt zu haben. Dafür spricht der Fang der Grenzpolizei Waidhaus im März, der ein Transporter ins Netz ging, der zwölf am Vortag in Erlangen gestohlene Pedelecs geladen hatte. "Den Eigentümern kann man kaum einen Vorwurf machen", sagt Jochen Blum: "Alle Fahrräder waren mit hochwertigen Schlössern gesichert."

Steckt organisierte Kriminalität dahinter?

Neben der Skrupellosigkeit und der Ausrüstung spricht auch die Masse an Diebstählen, die nach ruhigeren Tagen plötzlich aufschlägt, für organisierte Kriminalität: "Erst ist wochenlang Ruhe, dann haben wir an einem Morgen zehn Diebstähle auf einen Schlag", so Blum. Dabei schrecken die Diebe auch nicht vor hochwertigen Faltschlössern zurück – sie werden, wie von Horst Weber beobachtet – einfach aufgesägt. In anderen Fällen wurden in Erlangen bereits Schuppen aufgebrochen, E-Bikes, die nur ab- und nicht an Bügeln oder Laternen festgesperrt waren, mitsamt des Schlosses weggetragen.

Tipp: Hinterrad mit dem Rahmen festsperren

"Daher ist es wichtig, immer das Hinterrad mitsamt des Rahmens festzusperren", sagt Jochen Blum. Eine neue Generation Schlösser – sogenannte GPS-Schlösser – geben zudem einen Signalton von sich, wenn der Standort des Fahrrads sich verändert, es also abgesperrt in einen Transporter geladen wird. Fraglich ist nur, ob sich ein Dieb, der mit kreischendem Winkelschleifer am Bahnhof hantiert, sich vom Pfeifton eines Schlosses stören lässt.


Das hilft gegen Fahrrad-Klau

"Neben den Fahrrädern haben es die Diebe auch aufs Zubehör abgesehen", so der Polizist. Ein E-Bike-Akku ist rund 300 Euro wert.

Auch Transporter werden kontrolliert

Die Polizei hat deshalb ihre Wachsamkeit noch einmal erhöht. Es werden vermehrt Fahrradfahrer kontrolliert – aber auch verdächtige Transporter unter die Lupe genommen. Wem, wie Horst Weber, ein Fahrraddiebstahl auffällt, der sollte keinesfalls den Helden spielen: "Unbedingt das Kennzeichen notieren – und den Notruf wählen", rät Jochen Blum.

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