Ein Stück Hollywood: Erlangen ist Kulisse von Agentenstreifen

9.1.2020, 06:00 Uhr
Ein Stück Hollywood: Erlangen ist Kulisse von Agentenstreifen

© Verein WIR SIND FILM

James Bond, Jason Bourne, "Mission Impossible" – und nun "Faust". Der ist doch von Goethe? Was hat der Dichterfürst mit Geheimdiensten zu tun? Goethe war immerhin Geheimrat. Und die Fränkische bietet attraktive Szenerien für Spionagedramen.

Jede Serie variiert ihr Erfolgsrezept: James Bond tummelt sich an exotischen Schauplätzen, klotzt mit spektakulärer Action und legt Bösewichte reihenweise um wie Gespielinnen flach. "Mission Impossible" setzt auf Teamwork und Maskerade. Und Jason Bourne wittert jede noch so durchdachte Falle der allmächtigen CIA und entrinnt den Killern durch Improvisation und Brachialgewalt.

"Faust" nun ist wie "Mission Impossible" ein Team. Allerdings ein Geheimteam innerhalb des deutschen Geheimdiensts BND. Und nein, bei "Faust" handelt es sich nicht um eine Parodie auf Agentenfilme, sondern um Kino auf semiprofessioneller Basis. Der Kopf hinter dem Unternehmen heißt Christian Kern (28), sein Unternehmen ist ein Verein namens "WIR SIND FILM e.V.", und die Filme sind auch schon mal im Kino gelaufen – wenn auch nur für einen Tag. "Angefangen hatte ich als kleiner Bub mit Camcorder und Kurzfilmen", erzählt der Jungregisseur. 2009 folgte der erste Spielfilm: "Starfleet Academy", ein SF-Abenteuer mit Roland Eugen Beiküfner. Nach diversen mal spaßigen, mal ernsten Kurzfilmen nahm Kern 2015 sein ehrgeizigstes Projekt in Angriff: "Faust", die Geschichte eines Teams, das Anschläge aufklärt beziehungsweise verhindert, aber sich immer tiefer in undurchschaubaren Verbindungen verheddert. "Eben darum heißt das Team ,Faust‘", erläutert Kern, "denn wie bei Goethe zeige ich, was geschieht, wenn sich jemand mit dem Teufel einlässt."

Zwei Chefs, ein Psychologe, eine junge Profilerin, ein Analyst und der Mann fürs Grobe bilden das Team. Dem Pilotfilm "Im Schatten der Nation" folgte eine vierteilige Staffel zu je 55 Minuten namens "Faust – Agentenleben" über einen Anschlag auf einen ICE in voller Fahrt. Die Spur führt nach Prag. Und immer tiefer in den Sumpf der Drahtzieher . . .

Klingt nach Hollywood, ist aber Erlangen. "Inzwischen ist die Filmtechnologie derart fortgeschritten, dass man Filme praktisch mit dem Handy drehen könnte", erzählt Christian Kern. Luftaufnahmen liefert eine Drohne, 4K-Kameras bieten Bilder in ultraperfekter Tiefenschärfe. Und das Beste: Christian Kern schafft es, Bühnen- und Filmschauspieler kostenlos vor die Kamera zu bewegen, Schauplätze wie Atombunker und verfallene Hinterhöfe in der Region ausfindig zu machen, den Versorgungskontrollraum der Meistersingerhalle zur Schaltzentrale umzufunktionieren und Actionszenen und Motorradjagden so einzusetzen, dass es einigermaßen spektakulär wirkt.

Wo gibt es diese Independent-Filme zu sehen? Hauptsächlich als Premiere für einen Tag in hiesigen Kinos wie dem Lamm und dem E-Werk, dem Fürther Babylon oder dem Casablanca in Nürnberg; auf Filmfestivals wie der "Seriale" in Gießen oder auf dem Webfilmfest in Berlin. Danach auf DVD oder im Video on Demand.

Zurzeit sind drei Kurzfilme zu je 20 Minuten Länge in Arbeit, die 2020 aufgeführt werden sollen. Dann steht die zweite Staffel an: "Faust – Operation Genesis". Kann man damit Geld verdienen? Das will Christian Kern, der einen festen Beruf hat, gar nicht: Auch wenn das Budget für einen Kleinwagen reiche, spendet sein Verein das Eintrittsgeld für wohltätige Zwecke. Und sollte eines Tages die ARD bei ihm klingeln und ihm einen Franken-Tatort anbieten? "Dann würde ich nicht Nein sagen. Aber das käme zuerst auf die Geschichte an!"

Und mal ehrlich: Wirkt das Erlanger Rathaus mit seinem Betoncharme nicht wie die Zwingburg einer Spionage-Organisation?

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