Erlangen: Covid-Pfleger wird zu Covid-Patient
4.4.2021, 06:00 UhrIm Dezember selbst als Corona-Patient, jetzt als Intensivpfleger auf der Covid-Station. Dort, wo er mit "viel Glück" als Kranker schließlich doch nicht hin muss, aber ganz nah dran war. "Bei mir war es fünf vor zwölf, es war ein schwerer Verlauf", sagt er und muss es wissen.
Schließlich ist der 53-Jährige aus Wichsenstein im Landkreis Forchheim lange genug in dem Bereich tätig. Ihm ist klar: Die Krankheit hätte ihn schlimmer treffen können.
Zustand verschlechtert sich
Für Hohmann war es aber schon schlimm genug. Kurz vor Weihnachten, er hat sein positives Testergebnis und befindet sich in angeordneter Quarantäne, verschlechtert sich sein Zustand. Sonst, sagt er, ist er bei Erkältungen und Bronchitis immer eher verschleimt, diesmal aber hat er zum ersten Mal trockenen Husten: "Das war mir schon sehr verdächtig." Die Lunge sei langsam einfach "zugegangen", beschreibt er das beklemmende Gefühl.
Zu diesem Zeitpunkt wacht er in einer Panikattacke nachts auf, die Sauerstoffsättigung reicht schon nicht mehr aus, er redet nur noch abgehackt, die Kurzatmigkeit lässt seine Sätze stolpern. Hohmann, der zugleich Heilpraktiker ist, beruhigt sich mit Yoga-Übungen, das funktioniert zwar für den Moment – doch für den erfahrenen Intensivpfleger ist klar: Er muss in die Klinik – und zwar rasch. Das ist am 23. Dezember.
Innerhalb kurzer Zeit ist er dort, wo er seit vielen Jahren arbeitet: im Universitätsklinikum Erlangen. Diesmal aber ist nicht er derjenige, der sich um Schwerkranke kümmert, sondern Kolleginnen und Kollegen versorgen jetzt ihn auf der Covid-Station. Er bekommt immer mehr Sauerstoff, es geht ihm besser.
Lunge bereits angegriffen
Doch die Ärzte sehen schnell, wie heftig der heimtückische Sars-CoV-2-Erreger schon in Hohmanns Körper gewütet hat: "Meine Lunge war bereits zu 30 Prozent angegriffen, also entzündet", erzählt er. Eine Woche lang liegt er in der Klinik, bekommt weiterhin Sauerstoff, Antibiotika und Kortison. "Es war mein ruhigstes Weihnachten, das ich je hatte", berichtet er. Kontakt hält er über WhatsApp-Videoanrufe mit seinen Eltern, seinen Schwiegereltern und natürlich seiner Frau. Auch sie steckt sich an, vermutlich bei ihm.
Doch Fragen, wer wen wann wo mit dem Coronavirus infiziert hat, spielen für Gerald Hohmann keine Rolle. Wie auch: Immerhin ist er mittendrin in der Gefahr. Angst, dass er sich bei der Arbeit die Krankheit holen könnte, hat er nicht gehabt, sagt er, aber Respekt vor ihr und den Übertragungswegen.
Um seine Einstellung zu beschreiben, findet er deutliche Bilder: "Wer an der Front arbeitet, muss damit rechnen, dass er auch einmal angesteckt werden kann." Vielleicht, vermutet Hohmann, lag es daran, dass seine Abwehr im November und Dezember nicht ganz so stark war wie üblich – und er sich dadurch leichter anstecken konnte. "Ich scheine mich bei einem Patienten angesteckt zu haben, das geht dann schnell, egal, wie gut man sich sichert."
Seit ein paar Wochen ist er aber im Berufsleben zurück, er trägt FFP2-Maske, immer und überall. Keinen Moment musste Hohmann zögern, nach seiner Krankheit wieder auf die Intensiv-Station mit Corona-Patienten zu gehen. Er liebt seine Arbeit und ist froh, dass er sie ausführen kann, als "Held" will er sich deshalb aber noch lange nicht bezeichnen, eher als jemanden, der seine Arbeit professionell macht – und eben kranke Menschen pflegt. So wie er es nun am eigenen Leib erfahren hat.
Kurz vor Silvester kann er nach Hause. Bisher hat er keine Nachwirkungen, seine Befürchtung, er könne am Post-Covid-Syndrom leiden, also Langzeitfolgen haben, hat sich nicht bestätigt. Er kommt sich schon ein bisschen vor wie eine "kleine Ausnahme", sagt der Oberfranke. Manche haben noch wochen- und monatelang Beschwerden.
Unberechenbare Krankheit
Inzwischen sind es nicht mehr die Hochbetagten, die er mit Covid betreut, sondern die 50- bis 60-Jährigen, seine Altersklasse. Wie unberechenbar die Krankheit ist, hat er nun selbst erfahren, deshalb will er gar nicht beurteilen, wie es nun weitergeht, ob die dritte Welle bereits angekommen ist und wie verheerend sie im schlimmsten Fall werden könnte.
Doch was ist mit den Kranken, kann er die jetzt besser verstehen, sich besser einfühlen? Bei der Frage wird Gerald Hohmann am Telefon leidenschaftlich – nein, eine Pflegekraft müsse nicht erst selbst schwer krank im Bett liegen, um zu wissen, wie sich ein Patient fühlt. "Das Einfühlungsvermögen hat man, sonst ist man in dem Beruf wirklich fehl am Platz."
Von Reha zu Reha
Auch in Patienten, die nach der Covid-Erkrankung noch immer nicht wirklich genesen sind, von Reha zu Reha müssen und düstere Prognosen haben, jemals wieder ihr altes Leben richtig führen zu können, kann sich Gerald Hohmann hineindenken – auch dazu muss er die Erfahrung nicht erst persönlich machen.
Tatsächlich hat Gerald Hohmann bisher nichts, keine Untersuchung hat irgendetwas Auffälliges gezeigt. "Ich bin so dankbar", sagt er, "jetzt bin ich wieder voll leistungsfähig."
Einige Zeit nach der Krankheit, er ist bereits negativ getestet, sah das noch anders aus. Spaziergänge in der Fränkischen Schweiz, direkt vor seiner Haustür, rund um den idyllisch-aufragenden Felsen, fallen ihm anfangs noch schwer, schon bei winzigen Runden geht ihm die Puste aus.
Dabei sind er und seine Frau leidenschaftliche Outdoor-Menschen, sie gehen wandern und klettern, ernähren sich bewusst und gesund, gehen in die Sauna. Außerdem verreisen die Hohmanns gerne – auf der Insel La Réunion waren sie schon, auch in den Vereinigten Staaten und auf den Kanaren.
In fremde Länder
Der Zeit blickt er entgegen, wenn er mal wieder in fremde Länder kann. Dass sie im vergangenen Sommer spontan noch mal Urlaub gemacht haben, davon zehrt er noch heute. Denn Aktivität gehört zum Leben des Ehepaars. Bis auf etwas Übergewicht und leichten Bluthochdruck, was bei Corona zwar schon als etwas riskant gilt, gehört Gerald Hohmann doch zu den sogenannten "Fitten" – doch Covid, sagt er, kann jeden treffen, egal, wie durchtrainiert man ist.
Umso mehr genießt er es, dass er jetzt wieder voll im Leben steht. Einen anderen Blick darauf, so wie man es oft von Menschen nach einer schweren Krankheit kennt, hat er nicht.
Denn Gerald Hohmann nennt sich von jeher einen achtsamen Menschen: "Ich kann Sachen schätzen, und nehme alles sehr intensiv und bewusst wahr, so das habe ich schon vor der Covid-Erkrankung gemacht."
Genauso aufmerksam wird er gemeinsam mit seiner Ehefrau in diesen Tagen durch die Wiesen laufen und sich an der Natur erfreuen. Wenn das Wetter passt, will er vor seinem Dienst mit seiner Frau noch eine schöne Runde drehen, abends fährt er dann täglich bis einschließlich Ostermontag nach Erlangen, in das Krankenhaus. Sein Dienst dauert von 21 Uhr bis 7 Uhr morgens, das Osterwochenende verbringt er quasi in der Klinik – aber diesmal eben nicht als Patient.
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