Fitness-Unternehmer klagen: "Alle Mühen umsonst"

16.11.2020, 17:58 Uhr
Fitness-Unternehmer klagen:

© Foto: Harald Sippel

Alles war angerichtet fürs Wochenende. Die zwölf Athleten hatten sich vorbereitet, die Kampfrichter standen bereit. "In den vergangenen Jahren hatten wir bei unserem Wettkampf mehrere Hundert Zuschauer", sagt Simon Brünner. Diesmal, im Corona-Lockdown, sollte alles wenigstens digital ablaufen. Ohne jubelnde Massen zwar, dazu jeder Finalist einzeln und allein an der riesigen Kletterwand in der 1600 Quadratmeter großen Boulderhalle. "Es war ein enormer Aufwand, aber niemand wäre sich direkt begegnet. Und alle, unsere Community, hat sich so sehr drauf gefreut – es war auch symbolisch wichtig zu zeigen, dass wir den Kopf nicht hängen lassen."

Dann kam die erste Nachricht, dass das Gericht die Schließung von Fitnessstudios aufhob. Kurz darauf die zweite, dass die Staatsregierung dann eben jeglichen Indoor-Sport pauschal verbietet. Damit war all die Vorbereitung der "Blockhelden" umsonst geworden. Der Kletterwettkampf musste abgesagt werden, der Kopf hing danach sehr tief. "Das hat uns furchtbar enttäuscht", sagt Simon Brünner. "Vor allem sehen wir eine Ungleichbehandlung, wenn etwa Gottesdienste stattfinden dürfen."

Mehr Abstand, gefilterte Atemluft

Szenenwechsel. Als das mit Corona im März begann, hat Alexander Benedikt ein Hygienekonzept aufgestellt. Einen großen Teil an Geräten hat der Diplom-Sportwissenschaftler aus seinem Fitness- und Gesundheitsstudio "Benevital" in Herzogenaurach rausgeräumt, die übrigen Fitnessgeräte in dieselbe Richtung gedreht. "Es ging um mehr Abstand und darum, dass die Atemluft nur noch in eine Richtung gelenkt wird." Benedikt hat später sogar noch Luftfilter angeschafft, in die bestehende Lüftung speist er eine Chemikalie ein, die die Virenanzahl in den Räumlichkeiten reduziert.

"Ich denke, die Wahrscheinlichkeit, sich beim Sport bei uns anzustecken, ist weit geringer als in einem Baumarkt oder Supermarkt", sagt er. Zudem weiß er genau, wer wann zum Trainieren kommt, eine Kontakt-Nachverfolgung wäre kein Problem. "Das Problem war vor dem Lockdown vielmehr die, nun ja, Panikmache", so der Fitnessstudio-Besitzer. Gerade die älteren Personen hatten Angst um ihre Gesundheit, viele Mitglieder kamen nicht mehr mit der Begründung: In geschlossenen Räumen mit mehreren Leuten – das ist zu gefährlich. Konzept hin, Konzept her. "Ich verstehe die Menschen. Aber ich glaube, dass wir wirklich alles dafür getan haben, dass man sich nicht infizieren kann."

Überstunden und Luftfilter

Das sieht Simon Brünner, geschäftsführender Gesellschafter der Blockhelden, ähnlich. "Wir haben so viele Maßnahmen getroffen: umgebaut, Luftfilter aufgestellt. Das ganze Team hat unendlich viele Überstunden gemacht, damit es weitergehen kann." Die Mühe hat sich ausgezahlt, immerhin: Beim ersten Lockdown, als sie die Kletterhalle erstmalig vorübergehend zumachen mussten, haben sie eine Umfrage unter den Mitgliedern gestartet. Jeder konnte kündigen, die Mitgliedschaft aussetzen – oder den Monatsbeitrag spenden. "Ich hatte wirklich Tränen in den Augen", sagt Brünner: 97 Prozent entschieden sich zur Spende. "Davon profitieren wir heute noch, nur so konnte es überhaupt weitergehen."

Nun sind die Kletterhalle in Dechsendorf wie auch das Benevital in Herzogenaurach wieder geschlossen. Getroffen hat die jüngste Entscheidung des Gerichts, Indoor-Sport grundsätzlich zu verbieten, aber auch das Fitnessstudio von Alexander Benedikt: "Wir haben separat das Angebot, dass man EMS nutzen kann." Eine neuere Trainingsart, in der man sich durch einfache Übungen und geringe Trainingsdauer mit Elektroimpulsen fit halten kann. "Das wollte ich für Mitglieder jetzt öffnen", sagt Benedikt. Der Clou: Hier kann man ganz allein trainieren. Diese Überlegungen sind mit dem grundsätzlichen Nein zu Indoor-Sport nun ebenfalls nicht mehr umsetzbar.

"Die Verhältnismäßigkeit sehe ich nicht"

Alexander Benedikt hat gelernt, mit der Situation umzugehen, sich nicht mehr all zu sehr zu ärgern, wie er sagt. Doch es fällt schwer, er sieht die Verhältnismäßigkeit nicht. "Ich bin ja froh, dass nur kurz nach der Lockerung sofort das Verbot kam. So hatten viele Mitglieder gar nicht erst die Chance, sich falsche Hoffnungen zu machen."

Wirtschaftlich trifft beide Unternehmer die zweite Schließung hart, wenngleich die Entschädigung in Höhe von 75 Prozent des Vorjahresumsatzes Hoffnung macht. "Durch Corona haben wir so gut wie keine Mitglieder gewonnen, dafür nicht wenige verloren", sagt Benedikt.

Gesundheit und Spaß

Simon Brünner und seine Blockhelden verstehen nicht, dass ausgerechnet sie, die sich für ein gesundes, sportliches Leben entschieden haben, mit dem wirtschaftlichen Überleben in einer Pandemie kämpfen müssen, während Autokäufe, Busfahrten und Shopping möglich bleiben. Brünner sagt, er sei nicht gegen einen Lockdown, "der Coronavirus ist definitiv gefährlich. Aber bei den Blockhelden geht es nicht zuerst um Leistung und Fitness, bei uns kommen erst Spaß, Gesundheit und die Community. Das alles, was uns glücklich macht, wird uns genommen".

Auch Alexander Benedikt kann die Maßnahmen bei derzeit stark steigenden Infektionszahlen absolut verstehen. "Nur fühlt man sich als Selbstständiger gerade im Gesundheits- und Fitnessgewerbe schon veräppelt."

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