Sommerschule
Lernen in den Ferien: Auch Schulen in Erlangen bereiten sich vor
22.6.2021, 12:30 UhrDen Distanzunterricht hätte man sich, so berichtet online das Magazin Spiegel, einer neuen Bildungsstudie zufolge auch schenken können. "Distanzunterricht gerade mal so effektiv wie Sommerferien", lautet der Titel. Darüber kann Nathali Jückstock-Kießling, Direktorin des Erlanger Ohm-Gymnasiums, nur den Kopf schütteln. Das sei Sensationsberichterstattung, meint sie, und eine so starke Verkürzung des Ergebnisses der Untersuchung der Frankfurter Forscher, dass dabei die Tatsachen auf der Strecke bleiben. Denn man müsse einfach dazu sagen, dass die Studie aus dem ersten Lockdown im Februar 2020 stammt. Seitdem aber habe sich Vieles getan im Bereich Schule. Wenn man jetzt so tue, als ob das alles nichts sei, würden Schüler, Eltern und nicht zuletzt auch Lehrer ihre eigenen Anstrengungen mit Füßen getreten sehen. Andere Schulleiter in Erlangen stimmen ihr uneingeschränkt zu.
Dennoch, und das will die Schulleiterin des Ohm-Gymnasiums gar nicht bestreiten, stellt sich die Frage, wo man jetzt, nach der Rückkehr zum Präsenzunterricht, ansetzen muss. An den bayerischen Schulen hat die große Forschungsarbeit begonnen. Welche Lücken haben die Kinder und Jugendlichen, die im letzten Winter 45 Tage reinen Distanzunterricht hatten, der danach häufig von Wechselunterricht - also einer Mischung aus Präsenz- und Distanzunterricht - abgelöst wurde? Wo sind die Defizite und was kann dagegen unternommen werden?
Psychische Defizite
An der Erlanger Eichendorffschule wurde sowohl nach dem ersten als auch nach dem zweiten Lockdown eine Umfrage bei den Schülern und Eltern gemacht. "Das Pauschalurteil, dass der Distanzunterricht wenig gebracht hat, würde ich nicht unterschreiben", sagt Schulleiter Helmut Klemm mit Blick auf das Ergebnis. "Es gibt keine alarmierenden Hinweise auf Lücken in den Kernfächern, aber Hinweise auf psychische Defizite", fügt er hinzu. "Wir sind nicht der Meinung, dass die Schüler in der Summe abgehängt wurden." Ähnliches kann auch Nathali Jückstock-Kießling berichten. Am Ohm-Gymnasium laufen derzeit "Diagnosewochen", in denen der Lernstand ohne Notengebung abgefragt wird. Bisher habe es sehr positive Rückmeldungen von den Lehrern gegeben, so die Schulleiterin.
Damit der pandemiebedingte Rückstand im Bereich Lernen ebenso wie im Sozialen besser aufgeholt werden kann, hat das bayerische Kultusministerium unter dem Titel "gemeinsam.Brücken.bauen" ein Förderprogramm aufgelegt. Unter anderem ist auch eine "Sommerschule" vorgesehen. Zwei Wochen Schule in den Ferien: Pädagogisch zwar eine gute Idee, meint Stefan Bühler, BLLV-Kreisvorsitzender Erlangen, aber schwer organisierbar. Und vor allem stelle sich die Frage, ob die Schüler überhaupt teilnehmen an dem freiwilligen Angebot. "Die Schwächeren, die es eigentlich bräuchten, werden vermutlich nicht kommen." Anton Salzbrunn, Sprecher der GEW in Erlangen, teilt diese Ansicht Bühler weiter: Es sei beispielsweise auch davon auszugehen, dass gerade Schüler mit Migrationshintergrund die Sommerferien für einen längeren Besuch im Herkunftsland nützen.
"Nachhaltiges Konzept ist gefordert"
"Die Sommerschule wird keine alleinige Lösung darstellen", ist sich Armin Kolb sicher. Der Schulleiter des städtischen Marie-Therese-Gymnasiums (MTG) ist überzeugt, dass "uns das längerfristig beschäftigen und ein nachhaltiges Konzept gefordert sein wird", zumal es Schüler gebe, die die Lockdown-Situation auch im psychosomatischen Bereich als Belastung empfunden hätten. Gleichwohl wird die kommunale Schule, ebenso wie die staatlichen Gymnasien, eine "Sommerschule" anbieten und hat dafür grünes Licht von der Stadt erhalten. Die Erlanger Gymnasialschulleiter wollen die Organisation gemeinsam stemmen. Das Personal zu finden, ist das eine - Praktikanten, Studierende, Lehrer, die freiwillig mehr arbeiten. Aber auch mit der räumlichen Situation muss man sich im Vorfeld auseinandersetzen. Am MTG zum Beispiel läuft in den Sommerferien planmäßig die Sanierung auf Hochtouren.
Wichtig ist aus Kolbs Sicht jetzt erst einmal vor allem eines: das Erleben eines gemeinschaftlichen Erfolgs. "Wir müssen mit viel Fingerspitzengefühl vorgehen", meint er. Und es sei wichtig, dass "Schule etwas ist, wo man gern hingeht". Das sieht Helmut Klemm genauso. An seiner Schule wird, wie in allen Sommerferien, das Sommercamp der Bürgerstiftung und der Talentcampus der Volkshochschule angeboten. "Es geht darum, die Schüler durch gemeinsame Angebote zueinander zu bringen", sagt Klemm.
Innovative Konzepte
Kreative Lösungen zu finden, wird bei all dem auch gefragt sein. Klaus Wild, Leiter des Praktikumsamts für das Lehramt an Grund- und Mittelschulen bei der Friedrich-Alexander-Universität, ist da zuversichtlich. So wurden mit dem "Deutschen Schulpreis 2021 Spezial" innovative Konzepte ausgezeichnet, die Schulen im Umgang mit der Corona-Krise entwickelt oder weiterentwickelt haben. 360 Bewerbungen gab es - weitaus mehr als sonst.
Wild, der ehrenamtlich in der Jury für den Deutschen Schulpreis ist, beobachtet die Entwicklung an den Schulen sehr genau. Und skizziert die nähere Zukunft so: "Die Schulen werden die digitale Methodenkompetenz sowohl der Lehrer als auch der Schüler weiterentwickeln, sie werden sich mit eigenverantwortlichem Lernen beschäftigen, und sie werden den Schülern wieder Gemeinschaftserlebnisse und emotionale, soziale Stabilität ermöglichen".
Jetzt aber stehen erst einmal die Ferien vor der Tür. "Was die Schüler eigentlich brauchen, sind Arschbomben, nicht noch Nachhilfestunden", meint Helmut Klemm. Eine unbeschwerte Zeit eben. Denn auch das hat es schon lange nicht mehr gegeben.
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