Mein Ende des After-Bergs auf der Bergkirchweih

Katharina Tontsch

Sportredakteurin in Erlangen

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2.1.2019, 10:21 Uhr
Mein Ende des After-Bergs auf der Bergkirchweih

© Klaus-Dieter Schreiter

Meine armen Freunde wissen das am allerbesten. Ich möchte nie nach Hause gehen. Egal wie früh es ist, wie austauschbar-schlecht die Musik. Ich möchte bleiben. Bei der Bergkirchweih war das nie anders. Selbst nach stundenlangem Schunkeln spürte ich die Müdigkeit nicht. Ich wollte weiter. Immer weiter. Wie so viele beim After-Berg ein Abenteuer nach dem nächsten erleben. Es ist die unstillbare Gier nach großem Spaß. Und die fortwährende Angst, die entscheidende Party des Jahres zu verpassen. 

2018 war das anders.

Wenn ich mich an diesen Berg erinnere, in wirren Träumen, beim Blick auf das große Lebkuchenherz in meinem Büro oder auch nur für diese persönlichen 120 Zeilen — die Kerwa ist für mich untrennbar mit dem After-Berg-Abend verbunden. Und mit dieser ganz neuen Erfahrung, das nicht total super zu finden.

Für eine Reportage bin ich mit einer Freundin durch die Clubs gezogen. Wir haben getanzt, gelacht und getrunken. Zwei Kilometer sind wir die Hauptstraße entlang gewandert. Auf der Suche nach etwas wirklich Großem. Nach dem absoluten Abschluss eines unfassbar tollen Tages. Gefunden haben wir ihn nicht. Stattdessen taten irgendwann die Füße weh. Wir sind dann nach Hause gegangen. Dunkel war es noch. Die Clubs waren voll. Doch ich wollte gerne nach Hause. Und ich habe es nie bereut.

Seither frage ich mich, was das war. Etwa das Alter? Doch das Erwachsenwerden? Vernünftig zu sein und an morgen zu denken? Eigentlich ausgeschlossen. Ich bin 28 Jahre alt. Habe in Erlangen studiert. Wir sind immer auf die Bergkirchweih gegangen, in Dirndl und Lederhosen. Und wir sind nie nach Hause gegangen. Ich gehöre dieser Generation an, auch wenn viele das nicht verstehen, nicht gutheißen, nicht mitmachen wollen.

2018 war meine dritte Kirchweih als Berg-Reporterin. Mittlerweile kenne ich nicht mehr nur den Niklas Keller und den Zirkel. Ich habe alle Keller kennengelernt und ihre Wirte, die Schausteller, Polizisten, Feuerwehr- und Rettungskräfte, die Bands und Mitarbeiter der Stadtverwaltung. Ich habe meine liebsten Musiker, die schnellsten Schleichwege und besten Klo-Frauen. Ein guter Berg-Tag beginnt für mich um 10 Uhr morgens, wenn die Brezenverkäufer ihre Rollläden hochziehen und aus dem Schächtners Zelt Blasmusik wummert.

+++ Der LiveBlog zur Bergkirchweih 2018 +++

Ich bin immer noch jemand, der die Menschenmassen mag, der besonders gern abends über die Keller wandert und an jeder fünften Bierbank ein wenig mitschunkelt. Sogar die Heimfahrten in der überfüllten letzten S-Bahn Richtung Nürnberg gehören für mich dazu, wenn alle weiterfeiern oder schon einschlafen, während ich noch das letzte Smartphone-Video des Tages schneide. Ich liebe die Vorfreude in der Stadt, den Anstich-Tag, das Pfingst-Wochenende, den Frauen-Stammtisch, die riesigen Käse-Laibe, das Kreischen der Achterbahnfahrer, die Ruhe unter der Woche und die Wehmut am Abschiedsabend.

230 Straftaten hat die Polizei 2018 registriert, 50 Körperverletzungen, zwölf Schwerverletzte. Es gab sexuelle Übergriffe auf Frauen. Betrunkene haben Polizisten und Rettungskräfte beleidigt. Schlägereien, zerbrochene Krüge, Diebstähle. Völlig zugedröhnte junge Mädchen. In Hauseingänge pinkelnde und kotzende Menschen.

Mir ist bewusst, dass die Bergkirchweih hässlich ist. Dass es nicht nur die Bierbank-Lampion-Schunkel-Welt ist, die ich so sehr liebe und über die ich immer wieder erzählen möchte. Ich weiß von den verhassten Bau- und Sicherheitsmaßnahmen, damit rund eine Million Besucher an den zwölf Tagen überhaupt unter den alten Bäumen am Burgberg feiern können. Von den Kollegen höre ich Meinungen dazu, ebenso von Berg-Besuchern, Wirten, Schaustellern und natürlich den Entscheidungsträgern in der Stadtverwaltung. Die meisten kennen das Fest länger ich als ich auf der Welt bin.

Das Fest und sein Gelände wird sich weiter verändern. Genauso wie sich meine Einstellung dazu verändert mit jedem Jahr, in dem ich tiefer eintauche in den wundervollen Wahnsinn. Deshalb glaube ich auch nicht, dass ich älter werde. Ich glaube, ich habe mich 2018 nur noch ein Stück mehr in diese Bergkirchweih verliebt. So sehr, dass ich sogar sehr gerne die Partys sausen lasse und an morgen denke. Am 6. Juni ist es wieder soweit.

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