Nach Nürnberger S-Bahn-Drama: Heroldsberg in Schockstarre
28.1.2019, 21:36 UhrDie beiden Familien der Jugendlichen sind in Heroldsberg weithin bekannt. Die Jungen waren im Ort in verschiedenen Gruppen engagiert, äußerst beliebt und dort tief integriert. Die Bestürzung über deren Tod ist auch deshalb enorm. Dies gilt um so mehr, als die Polizei bekanntgab, dass ein "nichtiger Anlass" zu der Tragödie an dem S-Bahn-Gleis führte, die die zwei 16-Jährigen mit dem Leben bezahlten.
Besonders betroffen zeigt sich der Gemeindereferent der katholischen Kirchengemeinde St. Margaretha in Heroldsberg, Bernhard Wolf. Bei ihm war eines der jungen Opfer in der Jugendarbeit im Einsatz.
Um der Trauer vor allem der jungen Menschen aus dem Ort Raum zu geben, hat der Seelsorger die Kirche über Nacht öffnen lassen. Viele Jugendliche nutzten dies zur Einkehr und zu Gesprächen. Über das Wochenende waren zudem die Jugendräume der Kirchengemeinde geöffnet. Auch dort kamen Menschen zusammen, um gemeinsam zu trauern. Dass die Bürger von Heroldsberg in dieser schwierigen Situation zusammenrücken, macht Bernhard Wolf aber auch Mut. "Das zeigt, wie groß der Zusammenhalt vor allem unter jungen Heroldsbergern ist."
Auch die Zusammenarbeit von evangelischer und katholischer Kirchengemeinde im Ort habe sich, so Wolf, in den schweren Tagen seit dem schlimmen Vorfall bewährt, der sich in der Nacht von Freitag auf Samstag kurz nach Mitternacht ereignete.
Vereinsmitglieder trauern um junge Sportler
Schockiert, fassungslos, ergriffen oder unendlich traurig äußern sich die Menschen auf den Straßen in Heroldsberg. "Wir finden dazu keine Worte", sagt Stefanie Piegert, die Vorsitzende des Turn- und Sportvereins, "wir sind in einer gewissen Schockstarre." Die beiden getöteten 16-Jährigen hatten in dem Verein von Kindesbeinen an Fußball gespielt, zuletzt in der A-Jugend. "Es waren tolle Spieler, nette freundliche Jungs." Sportler aus den beiden Erwachsenen-Mannschaften würden sich nun auch der trauernden Jugendlichen mit annehmen.
Hubert Selzle, Fraktionschef der SPD im Heroldsberger Gemeinderat, kennt den Vater eines der ums Leben gekommenen Jugendlichen sehr gut, ebenfalls aus dem Sportvereinsleben. Auch er ist tief bestürzt.
Viele Heroldsberger suchen nach Möglichkeiten, ihrer Trauer über das Geschehen vom Wochenende öffentlich Ausdruck zu verleihen. Auf der Treppe neben dem Rathaus, die zum Bürgersaal hinaufführt, stehen und liegen Hunderte von Lichtern und andere Zeichen des Gedenkens, wie Blumen, Zeichnungen und Fotos. Freunde, Bekannte, aber auch völlig Fremde haben sie dort abgelegt.
Die beiden Jugendlichen selbst sind in Nürnberg und Eckental zur Schule gegangen. Dort helfen Pädagogen und Psychologen vor allem den Mitschülern der beiden, den schmerzlichen Verlust zu verarbeiten.
Schulen bieten psychologische Hilfe an
Das Unglück hatte über private Kanäle schnell seine Runde in den Schulfamilien gemacht. Burkard Eichelsbacher, Leiter des Gymnasiums von Eckental, habe, so hieß es aus Schulkreisen, noch am Sonntagabend einen Brief auf das Elternportal der Schule gestellt und alle erdenkliche Hilfe angeboten. Auf dieses Portal haben nur Berechtigte Zugriff.
Auch Andrea Franke, die Schulleiterin des Nürnberger Labenwolf-Gymnasiums, das der zweite Jugendliche besucht hatte, wandte sich gestern in einem langen Brief an alle Eltern der Schule. "In den kommenden Tagen möchten wir versuchen, die normale Tagesstruktur aufrechtzuerhalten, da dies stabilisieren kann", heißt es in dem Schreiben. Am Morgen hätten die Schüler eine bewegende Andacht in der Schule gestaltet und sich gegenseitig getröstet, berichtete sie. Auch hier können sich alle Schüler und ihre Familien jederzeit weitere psychologische Unterstützung holen.
In Heroldsberg stimmt der schockierende Fall eine Mutter zweier Kinder sehr nachdenklich. Sie habe, erzählt sie, eines ihrer Kinder erst kürzlich erstmals allein mit dem Zug von Heroldsberg nach Nürnberg fahren lassen. Kinder und Jugendliche, so die junge Mutter, könnten die Gefahren an Bahnsteigen grundsätzlich nicht immer richtig einschätzen. Gefahren lauerten dort auch ohne Konflikte, wie sie in Nürnberg eine Rolle spielten.
Gefährliches Verhalten
Frotzeln, Schubsen oder spielerisches Gerangel unter Schülern und Jugendlichen sei sehr häufig auf den Bahnsteigen von S- und U-Bahnen zu sehen, meint die Heroldsbergerin. Unter dem belastenden Eindruck der Todesfälle vom Wochenende schlägt sie vor, dieses gefährliche Verhalten zu thematisieren.
Heute prägt aber der "Schock" über den Tod der beiden 16-Jährigen das Klima im Ort. Viel mehr als dieses eine Wort bringt ein Frau nicht heraus, die gerade an der Treppe zum Gemeindesaal vorbeikommt. Auch sie kannte die beiden Opfer und deren Familien sehr gut.