Plötzliches Kitzmann-Aus: Bestürzung in Erlangen hallt nach
1.10.2018, 13:54 UhrUnd wieder hoch auf die Bretterbühne, ran ans Mikrofon, den Krug mit schwappendem Bier in der Hand, dem gefüllten Bierzelt zuprosten, dazu zünftige Blasmusik – und lächeln. Immerzu lächeln. Dass die Eröffnung der Kirchweih in Frauenaurach ihr letzter offizieller Amtstermin sein würde, hätte sich Theresa Pregartner an diesem Abend niemals träumen lassen. "Ganz ehrlich", sagt die 17. und nun vielleicht letzte Erlanger Bierkönigin, "ich bin traurig und auch ein wenig geschockt."
Alle weiteren Termine wurden nach der Nachricht vom Freitagnachmittag abgesagt, "ich repräsentiere ja die Kitzmann-Brauerei", sagt Pregartner. Doch die gibt es so nicht mehr. Bei der seit 1712 in Erlangen ansässigen Brauerei wurde am Sonntag der Hahn abgedreht. Zwar hat Kulmbacher die Marke gekauft, Getränkemarkt "BräuKontor" sowie die "BräuSchänke" werden erhalten und geöffnet bleiben - doch in der Stadt Erlangen wird die Privatbrauerei Kitzmann kein Bier mehr brauen.
Peter Kitzmann, der Inhaber und Geschäftsführer, hatte die Nachricht wie berichtet in einer Betriebsversammlung den 35 Mitarbeitern mitgeteilt: Umsatzrückgang seit 1990, steigende Produktionskosten sowie persönliche Gründe zwängen ihn dazu, den Betrieb nach langem Kampf einzustellen. "Unsere Bemühungen, die Brauerei zu retten, waren trotz aller Anstrengungen nicht erfolgreich", so Kitzmann in einer Pressemeldung. Allen Mitarbeitern musste betriebsbedingt am 28. September gekündigt werden.
"Ich war geschockt"
Erstaunlich: Auch die größten Kunden in der Stadt wussten bis zuletzt nichts vom unmittelbar bevorstehenden Aus der Privatbrauerei. "Die Angestellten sollten es ja auch nicht von uns erfahren, sondern von ihrem Geschäftsführer", zeigt Florian Dittmeyer Verständnis. Mit "BräuSchänke", "Tio" und "Tio Rustica" ist der Unternehmer einer der größten Kunden der Brauerei. "Ich habe es am Freitag von Peter Kitzmann persönlich erfahren, vorher gab es keinerlei Anzeichen." Auch sein erster Gedanke: "Ich war geschockt."
Rund zwölf Jahre dauerte die Zusammenarbeit, die mehr war als nur ein Geschäftsverhältnis. Dittmeyer lieferte Ideen, das Bier voranzubringen: Er führte etwa in seinem Lokal das "Special K" ein, ein Kitzmann-Pils mit eigenem Etikett.
Die Folgen für den Unternehmer sind nun - neben der persönlichen Betroffenheit - überschaubar: "Die Mietverträge von der BräuSchänke sind langfristig, es wird dort weitergehen." Mehr noch, Dittmeyer sieht in der gegenwärtigen Situation sogar eine Chance, die BräuSchänke zu erweitern, räumlich auszubauen. Schließlich werden die Tankräume frei, wenn das letzte, Erlanger Kitzmann aus den Rohren gezapft ist.
Soviel wie möglich davon abbekommen möchte Klaus Karl Kraus. Der Erlanger Kabarettist war, wie er selber sagt, "fast 20 Jahre lang eine Art Hofnarr der Brauerei": Kraus eröffnete die Urbock-Zeit, inthronisierte Bierköniginnen, trat für Kitzmann auf der Bergkirchweih auf, im Kosbacher Stadl, im BräuStüberl. Kraus war für viele das Gesicht der Privatbrauerei - mit persönlichem Herzblut. "Schon mein Vater saß immer unter derselben Kastanie auf dem Berch und trank sein Kitzmann", erzählt Kraus, "ich bin mit diesem Bier aufgewachsen. Das ist ein Teil meiner Geschichte und ein ganz großer Teil der Erlanger Geschichte."
Spontaner "Leichenschmaus"
Auch Kraus, der die Nachricht von nordbayern.de erfuhr, spricht immer wieder von "großer Traurigkeit" und "Schock": "Ich habe so viele Erinnerungen an Veranstaltungen, an nette Abende mit Freunden, an meine Jugend und Kindheit, bei der auch das Kitzmann-Bier eine Rolle spielt." Dass jetzt alles vorbei sein soll, kann der Kabarettist kaum glauben: "Alle Termine waren schon wieder ausgemacht, wir müssen jetzt sehen, ob und wie es weitergeht."
Das gilt auch für Theresa Pregartner, die Bierkönigin. "Ich würde die Krone so gern noch einmal weitergeben", sagt sie. Zum einen, damit diese Tradition bestehen bleibt. Zum anderen aber auch aus persönlichen Gründen: "Ich bin ja Erlangerin", sagt Pregartner, "das tut weh, dass jetzt einfach so Schluss sein soll."
Dort, wo das Kitzmann Bier seit 115 Jahren die weite Welt trifft, am Entla’s Keller, herrschte am Wochenende Grabesstimmung. "Es ist wie im Leben", sagt Friedrich Engelhardt, der Chef, "man ist erst einmal erschüttert." Eine Art spontanen Leichenschmaus habe es am spätsommerlich-warmen Samstagabend auf dem Keller gegeben, der Chef selbst hat sich zu den Stammgästen gesetzt, "um zu trauern", wie er sagt. "Aber, Sie kennen das vielleicht: Neben Betroffenheit gibt so ein Leichenschmaus auch neue Kraft und hier und da vielleicht ein Lächeln." Über die Erinnerungen, die Geschichten aus den vielen Jahrzehnten der Zusammenarbeit: "Schon mein Urgroßvater war ja eng mit der Familie Kitzmann verbunden, wir haben immer zusammengestanden." Daher tut diese Nachricht auch so sehr weh, sagt Engelhardt: "Bier ist an sich schon immer etwas Emotionales."
Wie es nun weitergeht, das wissen sie auch oben beim Entla’s Keller noch nicht. "Wir haben, als wir zusammensaßen, gespürt, dass gerade regionales Bier das ist, was den Unterschied macht." Was das konkret für die Zukunft heißen kann, vermag Friedrich Engelhardt noch nicht zu sagen: "Da müssen wir noch zwei oder drei Nächte drüber schlafen." Es ist eben wie im echten Leben.
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