Forchheim: Ohne Müll geht's an der Wursttheke fast nie
03.07.2019, 06:00 Uhr
Ulrike Petry-Färber ärgert sich. „Leider gibt es Unternehmen, die nur auf diesen Zug aufspringen und umweltbewusste Kunden halten wollen mit einem grünen Anstrich, ohne dass wirklich Müll reduziert wird“, sagt sie. Die Forchheimerin und ihre Familie versuchen seit zwei Jahren Verpackungsmüll konsequent (ob aus Plastik oder Papier) zu vermeiden. „Unter anderem kaufen wir seit dieser Zeit Käse, Wurst und Fleisch in unseren eigenen, mitgebrachten Dosen ein“, was an der Frischetheke „eines Verbrauchermarktes am Paradeplatz immer bestens funktioniert“ habe.
Bis eben dieser Markt offiziell damit warb, dass man nun den eigenen Aufbewahrungsbehälter mitbringen könne. Da erklärten ihr die Supermarkt-Mitarbeiter, dass sie trotzdem aus Hygienegründen jede Wurst- und jede Käseportion einzeln in beschichtetes Papier einpacken müssten. Petry-Färber meint: „Die Werbung müsste besser lauten: ,Bringen Sie Ihre eigenen Dosen mit, wir packen Ihnen unseren Müll mit ein.‘“
Gemäß Lebensmittelhygiene-Verordnung (LMHV) muss „jegliche nachteilige Beeinflussung von Lebensmitteln, die an andere abgegeben werden, ausgeschlossen sein“, erklärt Ursula Egger, Sprecherin der Rewe-Gruppe Süd auf NN-Nachfrage. Die LMHV ist unmittelbar geltendes EU-Recht in Deutschland. Das mache es für Supermärkte mit eigener Wurst- und Käsetheke nicht einfach, auf Kunststoff zu verzichten.
Denn die LMHV-Maßgabe „umfasst alle Aspekte der Hygiene und damit des Verbraucherschutzes, aber auch jegliche andere unerwünschte Beeinflussung der Ware durch gegenseitigen Kontakt“, so Egger. Der den Mitarbeitern vorbehaltene (hintere) Teil der Bedienungstheken sei aus Hygienegesichtspunkten „ein besonders sensibler Bereich“. Vor diesem Hintergrund dürften üblicherweise keine Gegenstände von Kunden über den Tresen angenommen werden.
Um dennoch die Befüllung von Kunden-Mehrwegbehältnissen bundesweit ermöglichen zu können, habe Rewe laut Egger ein „Handhabungskonzept“ mit dem Veterinäramt Köln sowie dem Landesamt für Verbraucherschutz NRW abgestimmt. „An diese Handlungsanweisung sind alle unsere Märkte gebunden.“
Fehlender "Ermessensspielraum"?
Die Anweisung sieht auch die Verwendung von Trennfolie oder Trennpapier beim Abwiegen und beim Befüllen des Behälters „grundsätzlich“ vor. „Diesbezüglich gibt es seitens Rewe zur Zeit keinen Ermessensspielraum, um im Rahmen von Kundenwünschen auf die Trennpapiere zu verzichten“, sagt die Unternehmenssprecherin.
Vielmehr müssten Rewe-Mitarbeiter diese Kundenwünsche sogar ablehnen, „da eine Zuwiderhandlung zu einer behördlichen Untersagung der Dienstleistung am Kunden führen kann“. Egger: „Wir bitten daher um Verständnis für diese einheitliche Vorgehensweise.“
Für Kunden wie Ulrike Petry-Färber ist das nur ein schwacher Trost. Und sind die LMHV-Maßgaben tatsächlich so streng, dass im Spannungsfeld zwischen Nachhaltigkeit und Hygiene am Ende wieder nur Müll übrig bleibt? „Nein“, sagt Lebensmittelkontrolleur Paul Zier vom Forchheimer Landratsamt. „Wir Kontrolleure und die LMHV werden von den Supermarkt-Ketten oft als Grund vorgeschoben.“
"Da findet keine Berührung statt"
Zier klärt: Hinter der Theke sei zwar Sperrgebiet für eigene Boxen, „die Unternehmen machen aber ihre eigenen Geschichten, haben ihre eigenen Weisungen von oben“.
Aus Sicht von Lebensmittelkontrolleuren wie ihm schaue die Sache so aus: „Supermärkte dürfen ihre Thekenware in die Boxen oder Dosen der Kunden füllen.“ Grundsätzlich reiche dafür eine ausgewiesene Fläche neben oder auf der Theke. Zier: „Das Personal wiegt dann die Wurst aus, legt sie mit der Gabel in den Behälter, der Kunde macht selber den Deckel drauf, fertig – da findet nicht mal eine Berührung statt.“
Eine gewisse hygienische Gefahr bestehe mit Blick auf die selbst mitgebrachten Boxen schon, so der Lebensmittelkontrolleur. Doch müsste das Marktpersonal einfach angewiesen werden, einen Blick auf die Sauberkeit der Behälter zu werfen: „Wenn es dreckig ist, hat man einen Grund, den Kundenwunsch abzulehnen, und darf das auch ruhig so ansprechen.“ Um derartige Situationen gar nicht erst aufkommen zu lassen, „machen es sich die großen Konzerne relativ leicht mit ihren knallharten Anweisungen“, meint Zier. Will heißen: umweltfreundlich zwar der Anspruch, doch einheitlich kundenfreundlich die Handhabung – und frisch muss die Ware ausschauen. Das wäre der Idealzustand.
Frisches Aussehen spielt übrigens angesichts der Dauerhitze ebenfalls eine Rolle. Wer rohe beziehungsweise sensible Lebensmittel zu lange zu hohen Temperaturen aussetzt, kann die dickste Plastikfolie oder die schönste Mehrweg-Frischebox dabei haben — die Produkte kommen unschön bis ungenießbar daheim an. Hier gelten zwei Faustregeln: Je kürzer der Transport, desto besser. Und: Je kleiner die Menge, desto geringer die Haltbarkeit.
Zier hat dafür ein anschauliches Beispiel parat: Ein Milchlaster aus Italien könne Zehntausende Liter „latte“ über mehrere Tage von Franken bis ans Mittelmeer bringen, ohne dass die Milch gekühlt werden muss. Deren Temperaturunterschied zwischen Beginn und Ende der Fahrt sei marginal und unbedenklich. „Einfach, weil der Lkw-Tank so gut isoliert und die Menge an Milch so groß ist“, erklärt Zier. Anders sei das, wenn jemand ein rohes Paar Bratwürste beim Metzger in Forchheim kauft und sie im heißen Auto-Kofferraum nach Neunkirchen bugsiert. „Dann könnte es schon zu spät für die Würste sein.“
Von der widersprüchlichen Firmenpolitik mancher Supermarkt-Ketten lässt sich Ulrike Petry-Färber jedenfalls nicht beirren: Sie kauft bei jenen Forchheimer Metzgern oder Bio-Läden ein, die ihre Boxen ohne Verweis auf Verordnungen wirklich verpackungsfrei befüllen – nach jenem „berührungsfreien“ Prinzip, wie es von Paul Zier dargestellt wurde.
Und was die Hitze betrifft, noch eine positive Meldung für Forchheimer Freibad-Gänger: Im Königsbad sollen laut Stadt ab nächster Saison Holzbesteck, Pappbecher und -schachteln aus dem Bistro auf der Liegewiese verbannt werden. Currywurst, Pommes und Konsorten können dann auf Keramik-Geschirr und mit Metall-Besteck verputzt werden.
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