Silvia Schnabel: Das Forchheimer Karate-Kid
19.2.2015, 11:26 Uhr1979 besuchte die angehende Krankengymnastin einen Anfänger-Kurs im Karate – und entpuppte sich im fernöstlichen Kampfsport, der damals in Deutschland nach der Gründung des Dachverbandes DKV und der Aufnahme in den Sportbund immer beliebter wurde, prompt als Riesentalent.
Ihr jahrelange Leichtathletik-Training spielte der Forchheimerin, die nach ungewöhnlich kurzer Zeit die ersten Erfolge bei Bezirksmeisterschaften feierte, in die Karten. Für den ersten Schwarzgurt benötigte Silvia Wiegärtner die Minimalzeit von drei Jahren, war zuvor bereits zum ersten Mal Deutsche Meisterin in Berlin geworden.
Blutblasen an den Füßen
Dass Wiegärtner so viele Duelle für sich entschied, lag nicht nur am Talent. Durchschnittlich zwei Stunden am Tag investierte sie in einer regulären Trainingswoche, ihr Freizeit- und Privatleben ordnete sie dem Leistungssport unter. Zu Hause im Forchheimer Verein betreute sie ihr späterer Ehemann Oliver Schnabel als Trainer, beinahe alle vier Tage fuhr Wiegärtner zum Üben ins Bundesleistungszentrum nach Bottrop, verbrauchte unzählige Urlaubstage.
Unter dem japanischen Bundestrainer Hideo Ochi sammelten die deutschen Kämpfer viele Titel, hatten aber in der Vorbereitung auf die Turniere nach drei Einheiten am Tag nicht selten Blutblasen an den nackten Füßen. Wie viele Deutsche Meistertitel sie in ihrer Karriere gewonnen hat, kann Silvia Schnabel heute nicht mehr genau sagen. In Erinnerung sind ihr besonders die Auftritte auf internationalem Parkett geblieben: „Das war schon sehr emotional, wenn du auf dem Podest standest und die Nationalhymne gehört hast.“
Mit der neuen Spitzenkraft aus Forchheim gewann Deutschland 1985 einen Länderkampf gegen die Topnation Japan. „Manche Orte und Länder bekommst du so nie zu sehen, wir durften die heiligsten Trainingshallen der Sumo-Ringer betreten. Allein für diese Erfahrungen würde ich alles wieder so machen“, erzählt Schnabel. 1986 führte sie ihre erste WM-Teilnahme in die australische Metropole Sydney, in den Jahren danach regnete es Medaillen.
Mit 29 Jahren am Gipfel
Im Alter von 29 Jahren stand Silvia Schnabel auf dem Zenit ihres Könnens — und entschied sich, ihre Laufbahn zugunsten der Familienplanung ausklingen zu lassen. Ihren allerletzten Kampf sollte Schnabel, die außer ein paar obligatorischen Fingerbrüchen von schlimmen Verletzungen verschont blieb, schließlich erst mit 31 Jahren bestreiten. Als die Forchheimerin 1992 ihre Abschiedstournee auf großer Bühne gab, krönte sie ihre Karriere.
Mit dem Gewinn des Europameistertitels im Einzel und der Bronzemedaille mit der Mannschaft stieg die Fränkin zur erfolgreichsten Karatesportlerin Deutschlands auf und bekam sogar vorübergehend einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde. Im Herbst desselben Jahres stand Schnabel dann vor dem ganz großen Wurf. Im spanischen Grenada traf die Forchheimerin im Halbfinale erneut auf ihre EM-Finalgegnerin Nurhan Firat, die für die Türkei startete. Die Kontrahentinnen kannten sich sehr gut, waren sie doch Mannschaftskolleginnen und in der Bundesliga 1991 zusammen Deutscher Meister mit dem TSV Ingolstadt geworden. Eine unbedachte Bewegung kostete die Deutsche den Sieg, aber nicht die Leidenschaft für ihren Sport, der sich bisher vergeblich um die Aufnahme ins olympische Programm bemühte.
Knapp 22 Jahre nach ihrer aktiven Laufbahn kümmert sich Silvia Schnabel als geprüfte Trainerin mit dem 5. Dan einmal pro Woche um den Forchheimer Karate-Nachwuchs und hält auf Einladung Lehrgänge bei Vereinen. 2004 war sie für den Weltverband auf Mission im Iran und trainierte mit dem dort sehr erfolgreichen Frauenteam. Mit 230 Mitgliedern erfreut sich derweil das Forchheimer Shotokan-Zentrum regem Zulauf, knapp 15 Schützlinge (zwischen acht und 18 Jahren) der selbstständigen Physiotherapeutin nehmen regelmäßig an Wettkämpfen teil und bilden bei der anstehenden Bezirksmeisterschaft auch eine Juniorenmannschaft. So fing es einst auch für die lebende Forchheimer Karate-Legende an.
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