So digital wird der Bundestagswahlkampf in Bamberg und Forchheim
29.4.2021, 17:55 Uhr"Vielen Dank, dass Sie kurz gewartet haben", beginnt Lisa Badum, Bundestagsabgeordnete und erneute Kandidatin der Grünen, wenige Minuten nach 19 Uhr zu sprechen. Über 70 Menschen haben sich auf dem Forchheimer Paradeplatz versammelt, denn mit Anton Hofreiter ist ein prominenter Politiker angekündigt, um für die Mobilitätswende zu werben.
In einem normalen Bundestagswahljahr hätte der Wahlkampfauftakt der Grünen vielleicht so stattgefunden. Doch es ist Pandemie, und wer weiß schon genau, wie lange noch. Also setzen viele Kandidatinnen und Kandidaten des Wahlkreises Bamberg, zu dem auch einige Kommunen im Forchheimer Landkreis gehören, verstärkt auf digitale Formate – zumindest vorerst.
Die Grünen zum Beispiel haben als erste Partei am Mittwochabend den öffentlichen Wahlkampf eröffnet. Mit über 70 Menschen, mit Anton Hofreiter, mit wenigen Minuten Verspätung, aber eben nicht auf dem Forchheimer Paradeplatz, sondern in einem virtuellen Raum.
Eine Plattform zur Beteiligung
Zum Einsatz kommt eine Videokonferenzsoftware sowie eine Onlineplattform zur Beteiligung. "Dort könnt ihr jetzt einfach eine Frage reinstellen", erklärt Badums Wahlkampfmanager Luca Rosenheimer. Anschließend können die Fragen bewertet werden: Je mehr Likes, desto größer die Chance, dass sie tatsächlich auch ins Podium einfließen.
Dort sind nämlich nicht nur Badum und Hofreiter, sondern auch lokale Verkehrswende-Experten versammelt, etwa vom Fahrradclub (ADFC), dem Verkehrsclub Deutschland (VCD) und dem Bamberger Radentscheid. Sie treten nacheinander in mehreren Panels auf. Badum moderiert, gibt aber auch inhaltliche Statements ab. Und liest aus den zahlreichen Fragen vor, die auf der Plattform gestellt werden.
"Brauchen wir Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit nicht nur als Modellversuch, sondern in allen (!) geschlossenen Ortschaften?" ist nach 30 Minuten die Top-Frage – mit 13 Likes. Es könne nicht sein, dass man Tempo 30 extra begründen muss, nicht aber, schneller zu fahren, sagt Thomas Koch vom VCD Forchheim dazu. Die Geschwindigkeitsbegrenzung ist nur eines von vielen Themen der eineinhalbstündigen Veranstaltung.
Kombination aus analog und digital
"Ich fands gut", sagt Badum nach der Videokonferenz. "Die Leute waren lange dabei und haben sehr viel mitdiskutiert." Noch hat sie die Hoffnung auf Präsenzveranstaltungen nicht aufgegeben: "Mein Traum wäre ein Wahlkampfevent auf dem Keller." Realistisch aber werden ihr zufolge in den nächsten Wochen keine Großveranstaltungen möglich sein. Solange will Badum auf eine "Kombination aus analog und digital" setzen. Alle Teilnehmer des virtuellen Wahlkampfauftaktes hätten zum Beispiel einen Sattelüberzieher zugeschickt bekommen. Auch Infostände, Hausbesuche und Radtouren sind geplant, sofern es die Corona-Lage zulässt. Zudem will Badum auf Twitter, Telegram, Facebook und Instagram Präsenz zeigen.
Anderen Parteien steht der Wahlkampfauftakt noch bevor. "Wir beginnen eine Woche nach den Pfingstferien", sagt Andreas Schwarz, der für die SPD im Bundestag sitzt und wie Badum erneut antritt. Der Schwerpunkt werde seiner Einschätzung nach online sein, es soll mehrere Themenwochen geben. Neben seiner eigenen Website und virtuellen Live-Events will der Genosse auch Twitter, Facebook sowie Instagram bespielen. Ob er auch Nachteile in einem überwiegend digitalen Wahlkampf sieht? "Es ist schwieriger, ältere Menschen zu erreichen."
Jens Herzog, Direktkandidat der Freien Wähler aus Effeltrich, hofft auf einen Vor-Ort-Wahlkampf "ab Sommer", etwa in Form von Infoständen. Parallel dazu werde es digitale Formate geben, wozu seine Partei unter anderem Facebook, Twitter, Instagram und Youtube nutzen will.
Große Veranstaltungen eher nicht
Für die Linken kandidiert Jan Jaegers, der Geschäftsführer der Bamberger Stadtratsfraktion ist. Er schreibt: "Wir versuchen Verantwortung und Solidarität zu beweisen, indem wir derzeit alle unsere Treffen und Veranstaltungen digital abhalten." Das Datum eines öffentlichen Wahlkampfauftaktes sei wegen Corona "schwer bestimmbar". Spätestens wenn Anfang Juni das Bundeswahlprogramm veröffentlicht werde, wolle man aber loslegen – mit einer "vorsichtigen Mischung" aus analog und digital. Kurze Gespräche an Haustüren könnten möglich sein, große Veranstaltungen eher nicht.
"Wir hoffen sehr auf Präsenzwahlkampf, gehen aber aus jetziger Situation davon aus, dass er vorwiegend digital stattfinden wird", sagt Sven Bachmann, Bundestagskandidat der FDP. Der Wahlkampfauftakt sei für Ende Juni oder Anfang Juli geplant. Zum Einsatz kommen sollen Podcasts, Facebook, Instagram, Youtube sowie digitale Meetings, um möglichst viele Menschen zu erreichen.
Zuerst 200 Unterschriften
Die Heroldsbacherin Lisa Lösel will für die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) ins Rennen gehen. Weil ihre Partei aber weder im Bundes- noch in einem Landtag sitzt, muss sie erst einmal 200 Unterstützungsunterschriften sammeln. Mitte Juni soll absehbar sein, ob das klappt – dann will auch sie in den eigentlichen Wahlkampf starten.
Geplant sind Plakate, aber nicht besonders viele. Einerseits wegen des Mülls, aber auch wegen des Geldes, denn die ÖDP nimmt laut Lösel grundsätzlich keine Firmenspenden an. Insgesamt spricht Lösel von "einem guten Mix zwischen analog und digital", von den sozialen Medien setzt sie auf Instagram und Facebook. Öffentlich zu Wort melden will sie sich immer dann, wenn es konkrete Anlässe gibt. Ein aktuelles Beispiel sei das geplante Lidl-Logistikzentrum in Stadelhofen, das dort auf einem Bio-Acker entstehen soll. Wir haben auch CSU und AfD angefragt, doch beide Parteien haben uns nicht geantwortet.
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Wir haben auch die AfD angefragt, doch sie hat uns nicht geantwortet. Michael Weiß wird für die Partei antreten. Die CSU, für die aktuell Thomas Silberhorn im Bundestag sitzt, hat noch keinen Kandidaten nominiert.
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