Ämter schieben sich für verpasste Ausreise die Schuld zu

Martin Müller

Redaktion Metropolregion Nürnberg und Bayern

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16.11.2018, 06:00 Uhr
Ämter schieben sich für verpasste Ausreise die Schuld zu

© Hans-Joachim Winckler

"Es ist zum Kopfschütteln", weiß auch Fürths Rechtsreferent Mathias Kreitinger. Da bemüht man sich seit mehr als zwei Jahren, Papiere für den 37-jährigen Intensivstraftäter, der Anfang November im Fürther Pegnitzgrund eine Spaziergängerin vergewaltigt haben soll, zu besorgen, und hat, weil der Betroffene jede Mitwirkung verweigert, doch keine Chance, Passersatzpapiere für ihn zu bekommen. "Uns sind die Hände gebunden", sagt ein Vertreter der Ausländerbehörde Fürth. Man habe getan, was man tun könne.

Hier eine kurze Chronologie der Ereignisse: Der heute 37-jährige türkische Staatsbürger ist in Fürth geboren, ist dort aufgewachsen und hat auch später dort gelebt. Mit dem Gesetz kommt er schon früh in Konflikt, er begeht viele Straftaten. "Er hätte unter diesen Voraussetzungen keine Chance auf die deutsche Staatsbürgerschaft gehabt, wenn er sie beantragt hätte, auch vor vielen Jahren schon nicht", veranschaulicht ein Vertreter der Ausländerbehörde. Bis zu einer mehrjährigen Haft wegen Gewalt- und Betäubungsmitteldelikten, die Ende Juni 2018 endete, hatte er eine Niederlassungserlaubnis in Form einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis. Durch seine Straftaten wurde er ausreisepflichtig und hatte während und nach der Haft nur noch eine Duldung.

Unterlagen nicht vollständig

Während der Haft beantragte er zwar eine erneute Aufenthaltserlaubnis, diese wurde ihm aber Mitte 2016 vom Verwaltungsgericht Ansbach verwehrt. Daraufhin begann die Ausländerbehörde Fürth damit, seine Ausreise vorzubereiten. Als sie seinen Ausweis nicht ausfindig machen konnte, machte man sich Anfang 2017 daran, Passersatzpapiere zu beschaffen. Die Justizvollzugsanstalt lieferte zwar Lichtbilder des Betroffenen, doch dieser weigerte sich, einen Antrag zur Beschaffung von Passersatzpapieren auszufüllen.

Weil die Unterlagen nicht vollständig waren, hat die Ausländerbehörde nicht die Zentrale Passbeschaffung für Bayern beim Landesamt für Asyl und Rückführungen eingeschaltet, die für den Kontakt mit den ausländischen Behörden zuständig ist. Die türkischen Behörden waren deshalb in diesen Fall noch gar nicht involviert. "Wenn wir gewisse Anforderungen nicht erfüllen, können wir uns nicht an die Zentrale Passbeschaffung wenden", erklärt ein Vertreter der Ausländerbehörde. "Er muss seine Personalien freiwillig angeben oder uns muss ein Identitätsnachweis vorgelegt werden. Es könnte ja sonst jeder behaupten, dass jemand türkischer Staatsbürger ist", meint ein Vertreter des türkischen Generalkonsulats in Nürnberg.

"Lieber zu früh als gar nicht"

Weil keine Papiere besorgt werden konnten, wurde der 37-Jährige am Ende seiner Haftstrafe Ende Juni nicht abgeschoben, sondern in die Freiheit entlassen. Mit Einschränkungen wurde versucht, ihn doch noch zum Einlenken zu bewegen: Der 37-Jährige durfte Bayern nicht verlassen, nur in Fürth wohnen. Auch eine Beschäftigung hätte ihm die Ausländerbehörde nicht gestattet. "Wenn er jetzt länger in Freiheit geblieben wäre, hätte eine Kürzung seiner Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz auf ein Minimum bevorgestanden", sagt Rechtsreferent Kreitinger. Wenn der Betroffene auch dann nicht kooperiert, habe man aber keine Handhabe mehr.


Streit um Passersatzpapiere: "Staaten kooperieren üblicherweise nicht"


Sagt zumindest die Ausländerbehörde. Beim Innenminister hört sich dies anders an: "Wir werden den Fall zum Anlass nehmen, nochmals alle Ausländerbehörden in Bayern darauf hinzuweisen, dass sie zur Passersatzbeschaffung die Zentralstelle beim Landesamt für Asyl und Rückführungen in Anspruch nehmen sollen. Unsere Zentralstelle wird dann gegebenenfalls die zuständigen Stellen des Bundes miteinbinden", äußert Joachim Herrmann gegenüber unserer Zeitung. "Lieber zu früh als gar nicht" solle man die Stelle einschalten, ergänzt ein Sprecher des Innenministeriums.

Verwundert über Aussagen

In Fürth ist man über diese Aussagen sehr verwundert. Man habe beim Innenministerium eine vollumfängliche Stellungnahme zu dem Fall abgegeben. "Es gab von dort keinerlei Beanstandung beziehungsweise auch keinen Hinweis auf ein mögliches Versäumnis seitens der Ausländerbehörde der Stadt Fürth", betont Fürths Rechtsreferent Mathias Kreitinger.