Aus Protest: Fürther Politikerin streift im Stadtrat den Schutzanzug über

Wolfgang Händel

Leiter Lokalredaktion Fürth

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22.4.2021, 06:00 Uhr
Aus Protest: Fürther Politikerin streift im Stadtrat den Schutzanzug über

© Foto: Tim Händel

Es kommt nicht allzu oft vor, dass sich Kräfte aus der Kommunalpolitik eigens für Ratssitzungen umziehen. Umso augenfälliger geriet am Mittwoch die Aktion von Birgit Bayer-Tersch in der Stadthalle: Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CSU streifte vor Beginn der Debatte einen weißen Schutzanzug samt Kapuze über und behielt ihn die nächsten anderthalb Stunden an.

Panische Angst vor dem Virus? Nein, sagt die 60-Jährige auf FN-Nachfrage, vielmehr Protest gegen Stadträte der AfD: Die nämlich tragen in aller Regel als einzige im Plenum nur dann Maske, wenn sie sich im Saal bewegen – nicht aber, wenn sie sitzen. Solange das so bleibt, will Bayer-Tersch, von Beruf Geschäftsführerin der Diakonie in Cadolzburg, den Overall überziehen.

Der Haken dabei: Die AfD-Räte begehen im Grunde keinen Regelverstoß, denn tatsächlich gilt die Maskenpflicht am Platz nicht. Das bestätigt Uwe Bauer, der im Rathaus für alle Formalitäten rund um die Fürther Ratssitzungen zuständig ist. Rechtlich sei eine derartige Vorschrift nach allgemeiner juristischer Lesart und nach Auffassung des städtischen Rechtsamts nicht haltbar.


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Birgit Bayer-Tersch ist das wohl bewusst, doch das bringt sie nicht von ihrem Kurs ab. Grund: Es sei allgemeine Übereinkunft aller anderen Kolleginnen und Kollegen auf dem kommunalpolitischen Parkett, zum besseren Schutz dennoch die Masken auch im Sitzen aufzubehalten.

Die Haltung der Rechtspopulisten will sie aus einem weiteren Grund nicht hinnehmen. "Ich mache das auch aus Solidarität mit meiner kleinen Enkeltochter", sagt sie. Die Sechsjährige müsse in der Schule Mund-Nase-Schutz tragen, wo sie geht und steht. Dann, findet Bayer-Tersch, müsste das doch für die Politik erst recht gelten.

"Langsam wird es zur Gewohnheit"

Doch über das, was in Zeiten der Pandemie üblich sein sollte und was die Vorbildrolle erforderlich macht, gehen die Meinungen auch an anderer Stelle auseinander. In der Sitzung vom Mittwoch etwa warf die Linke die Frage auf, wie lange denn Fürths Stadtrat noch in verkleinerter Form tagen soll. Anfang des Jahres hatte man sich – auch unterstützt von den Linken – darauf verständigt, die Zahl der Köpfe coronabedingt von 50 auf 32 zu reduzieren.

Seit Januar tagt der Stadtrat in reduzierter Form in der Stadthalle.

Seit Januar tagt der Stadtrat in reduzierter Form in der Stadthalle. © Tim Händel

Das werde nun, bei der vierten derartigen Zusammenkunft, jedoch "langsam zur Gewohnheit", monieren sie. Man müsse neu darüber diskutieren, denn: Für die Demokratie sei es "unbefriedigend und schädlich", einen beträchtlichen Teil des Kommunalparlaments über so lange Zeit auszuklammern. Er, so Linke-Sprecher Niklas Haupt, werde schon gefragt, warum die Lokalpolitiker nicht hingehen, wenn sie doch gewählt sind. Haupts Partei regte nun an, Rätinnen und Räten stattdessen "ein Testangebot vor den jeweiligen Sitzungen kommunaler Gremien zu machen".

Das wird es zwar nicht geben, doch immerhin auf einen "Appell", sich zu testen oder testen zu lassen, einigte sich die breite Stadtratsmehrheit. Jeglichen Vorstoß aber, zur Normalbesetzung mit 50 Köpfen zurückzukehren, wies der OB vehement zurück – zumal Schnell- und Selbsttests in seinen Augen nicht genügend Sicherheit gewährleisten.

Für die Bevölkerung, argumentierte Thomas Jung, habe die Reduzierung "Vorbildfunktion". Die Politik signalisiere damit, dass auch sie nicht mehr Kontakt als nötig pflege. Alles andere halte er für "nicht vermittelbar": Die Menschen zur Zurückhaltung aufzufordern, sei dann "nicht mehr glaubwürdig".

Er wundere sich ohnedies über den Gesprächsbedarf in Fürth; in Erlangen etwa gebe es über dergleichen "keine Minute Diskussionen". Und auch in Fürth scheint die Debatte so schnell beendet wie sie aufflammte: Es bleibt bis auf Weiteres bei der 32-köpfigen Corona-Variante des Stadtrats.

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