Impfpflicht für Pflegekräfte: So urteilen Fürther Experten

13.1.2021, 06:00 Uhr
Impfpflicht für Pflegekräfte: So urteilen Fürther Experten

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Markus Söder hat am Dienstag gleich zwei Mal für viel Wirbel gesorgt: mit der Ankündigung, dass Bayern eine FFP2-Maskenpflicht beim Einkaufen und im ÖPNV einführt und mit dem lauten Nachdenken über eine Impfpflicht für Pflegekräfte.


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Dr. Michael Hubmann, der ärztliche Leiter des Fürther Impfzentrums, muss nicht lange überlegen, wie er dazu steht: "Ich bin kein Anhänger einer Impfpflicht", sagt er auf FN-Nachfrage.

Auch wenn in dieser Zeit der Schutz der älteren Menschen ganz oben steht und dem Pflegepersonal dabei eine besondere Verantwortung zukommt, sollte jeder für sich entscheiden können, ob er sich impfen lässt, meint Hubmann.

Pflegekräften das Gefühl zu geben, dass ihnen etwas vorgeschrieben werden könnte, findet er kontraproduktiv. Eigentlich müsste man ihnen etwas anderes vermitteln: Angesichts der großen Nachfrage und der begrenzten Impfstoffmengen sei die Möglichkeit, jetzt schon versorgt werden zu können, ein "Privileg".

Noch sei es zu früh, so der Arzt, um einschätzen zu können, wie impfwillig das Pflegepersonal in Stadt und Landkreis ist. Er erlebe aber in den Heimen eine "große Offenheit gegenüber dem Thema und eine hohe Bereitschaft, sich impfen zu lassen".

Die mobilen Teams des Impfzentrums beantworten vor dem Pieks stets auch die Fragen von Bewohnern und Beschäftigten. Man lerne außerdem in dieser Zeit ständig dazu, sagt Hubmann. Jüngst etwa konnte ein Heim den betreuenden Hausarzt dafür gewinnen, für die Belegschaft eine Infoveranstaltung abzuhalten.

"Das wäre ein Unding"

"Es wäre ein Unding, das Personal zu zwingen", sagt Katrin Rohm, die beim Fürther BRK den Bereich Pflege und Soziales leitet. Hier gehe es um die Menschen, die "in der schwierigen Zeit da waren für andere". Und man dürfe auch nicht vergessen, dass es einen Mangel an Pflegekräften gibt: "Wir brauchen diese Leute."

Beim Personal in den beiden Heimen des BRK in Fürth und Oberasbach sowie in der ambulanten Pflege sei momentan ein Drittel bereit, sich immunisieren zu lassen. Rohm ist sich sicher, dass der Anteil wachsen wird. "Man wird sehen, dass der Impfstoff gut vertragen wird." Für die Debatte, die Söder angestoßen hat, sei es deshalb noch zu früh. Jetzt sei etwas anderes wichtig: Aufklärung.


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Rohm betont zudem: Das Personal wisse um seine Verantwortung und gehe sorgsam damit um. "Der Hygienestandard ist wirklich sehr hoch." Eines der beiden BRK-Heime habe noch keinen einzigen Corona-Fall gehabt, im anderen seien bislang ein Bewohner und ein Mitarbeiter positiv gewesen.

Werbung und Aufklärung – das ist für Stefan Siemens, den Leiter des Fritz-Rupprecht-Heims und des Wohnstifts Käthe Loewenthal der Awo in Burgfarrnbach, ebenfalls der richtige Weg. Eine Impfpflicht findet er "immer schwierig".

"Es war ein sehr schöner Moment"

Sein Eindruck: Dass der Impfstoff so schnell zugelassen wurde, mache viele misstrauisch. Hier gelte es, mit Information dagegenzuhalten, etwa bekannter zu machen, dass sehr viel Geld für die Forschung zur Verfügung gestellt wurde.

Ihm selbst war es wichtig, "voranzugehen": Als jüngst 135 Bewohner und Mitarbeiter des Käthe-Loewenthal-Wohnstifts immunisiert wurden, war er darunter. "Es war ein sehr schöner Moment", sagt er: "Zum ersten Mal nach einem Dreivierteljahr Pandemie hatte man das Gefühl, dass man etwas dagegen tun kann."

Vorher konnte man nur reagieren, jetzt habe man dem Virus etwas entgegenzusetzen. Der Impfstoff eröffne die Chance, wieder mehr zusammenzukommen und irgendwann endlich wieder Feste mit den Heimbewohnern zu feiern.


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Die Impfteams hat er als sehr "motiviert, nett und menschlich" erlebt. Sie hätten sich Zeit für Beratungsgespräche genommen. Siemens schätzt, dass etwa die Hälfte seiner Mitarbeiter aktuell bereit sind, sich impfen zu lassen. Die anderen seien nicht alle Impfgegner, manche wollen erst noch abwarten.

Auch Ruth Papouschek, aus dem Vorstands-Trio des Diakonischen Werks Fürth, das mit den Pflegeheimen Gustav-Adolf in Zirndorf und dem Sophienheim in Fürth sowie sechs ambulanten Pflegestationen im Landkreis einer der großen Akteure in der Altenhilfe vor Ort ist, ist dieser Tage intensiv mit dem Thema Impfungen für das Personal befasst.

Eine Pflicht würde sie begrüßen

220 Mitarbeiter beschäftigt die Diakonie Fürth in ihren zwei stationären Pflegeeinrichtungen. Die mobilen Impfteams waren bereits in beiden Häusern vor Ort. Allerdings hätten sich maximal 50 Prozent der Mitarbeiter tatsächlich impfen lassen. Woraus Papouschek ihnen keinen Vorwurf machen wollte, "schließlich hat jeder das Recht auf Selbstbestimmung", sagt sie.

Begrüßen würde sie eine Impfpflicht trotzdem, "schon allein aufgrund meiner Fürsorgepflicht als Arbeitgeber für die Beschäftigten und für die uns anvertrauten Menschen, die besonders gefährdet sind". So bleibe ihr derzeit nur, an die Vernunft der Beschäftigten zu appellieren.


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Was bei ihr auf wenig Verständnis stößt: dass die Mitarbeiter aus der ambulanten Pflege bis dato völlig unberücksichtigt blieben in der Liste derer, die vorrangig immunisiert werden sollen. Gerade sie würden im Fall einer Infektion das Virus von Haus zu Haus tragen.

Offenbar habe man diesen Personenkreis nicht so im Blick, weil er im privaten Bereich agiere. Aktuell fragt sie in den Pflegestationen nach, wie viele der 260 Mitarbeiter sich impfen lassen würden, um Argumente zu sammeln für einen Brandbrief des Verbands.

Ihren Beschäftigten zollt sie Respekt: Wegen des Pflegenotstands, der auch die Diakonie als Träger plagt, sei es für sie schon vor Corona nicht einfach gewesen, jetzt aber arbeiteten sie bis an die Grenze der Belastbarkeit. "Ihnen wird Abartiges abverlangt."

Die ständigen Testungen, die zusätzliche Dokumentation oder das Besuchs-Management in den Heimen seien keine primären Aufgaben der Pflege, sollten aber jetzt nebenbei erledigt werden.