"Keine Stimme der AfD": 1500 Fürther demonstrieren gegen Rechts
7.3.2020, 19:30 UhrVor sechs Jahren haben die Fürther kurz vor der Kommunalwahl schon einmal ein starkes Zeichen für Vielfalt und Toleranz gesetzt: Rund 2000 Menschen protestierten damals friedlich gegen die Neonazi-Tarnorganisation "Bürgerinitiative Soziales Fürth", die in den Fürther Stadtrat einziehen wollte. Die rechtsextreme Gruppierung scheiterte mit ihrem Vorhaben; mangels ausreichend Unterstützer-Unterschriften wurde sie nicht einmal zur Wahl zugelassen.
Ruth Brenner vom Bündnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus erinnert daran, als sie am Samstagvormittag die Kundgebung am Kohlenmarkt eröffnet. Sie hofft, dass in einer Woche, am 15. März, auch der AfD der Sprung in den Fürther Stadtrat nicht gelingt.
Der Platz ist voller Menschen: Diesmal sind rund 1500 Fürtherinnen und Fürther gekommen, um für eine offene Stadtgesellschaft einzutreten - darunter sind viele Kleeblattanhänger, viele Familien mit Kindern, Mitglieder der Seebrücke und der Protestgarten-Bewegung, neben einigen Stadträten (von SPD, Grünen, Linken und der CSU). Oberbürgermeister Thomas Jung, Bürgermeister Markus Braun und der SPD-Bundestagsabgeordnete Carsten Träger sind anfangs ebenfalls dabei. Das Publikum ist zum Auftakt der Veranstaltung bunter, als es mancher angesichts der vorrangig aus der linken Szene stammenden Initiatoren wohl erwartete.
"Hanau, Halle, Lübeck, NSU - keine Stimme den Wegbereitern des rechten Terrors", steht auf einem der Transparente. Es spiegelt eine Überzeugung, die viele hier haben: Die in Teilen rechtsextreme AfD bereitet den Nährboden für Übergriffe und Anschläge. "Mach dich groß gegen Rechts", hat der Fürther Künstler Marc Vogel auf sein Schild geschrieben - er wird auf Stelzen mitlaufen.
Unterstützung von der SpVgg
Aufgerufen zum Protest unter dem Titel "Fürth gegen Rassismus - keine Stimme der AfD" hat ein Aktionsbündnis, zu dem sich das Bündnis gegen Rechts, die Fan-Gruppierung "Stradevia 907", Gewerkschaften, die Antifaschistische Linke Fürth (ALF) sowie etliche Wirte und Einzelhändler zusammengeschlossen haben. Die Demo ist der Schlusspunkt einer Kampagne, zu der neben der Aufklärungsarbeit des Bündnisses gegen Rechts auch die sogenannte Bierdeckel-Aktion der Kneipenszene gehörte: Tausende Bierdeckel wurden in den Gastrobetrieben verteilt und Plakate in den Fenstern aufgehängt, um deutlich zu machen, dass Anhänger der AfD hier unerwünscht sind.
Am Freitag hatte sogar die Spielvereinigung Greuther Fürth selbst Fans auf ihrer Facebook-Seite dazu aufgerufen, sich der Demo anzuschließen: "Rassismus, Ausgrenzung, rechtsradikales Gedankengut und Intoleranz - all das sind Werte, die bei der SpVgg Greuther Fürth tabu sind und auch in unserer Stadt keinen Platz finden dürfen", hieß es da.
Anja Schmailzl, Sprecherin des Bündnisses gegen Rechtsextremismus und Rassismus, warnt davor, die AfD als "bürgerliche" Partei zu bezeichnen - selbst hier in Fürth, wo die Mitglieder nicht als Scharfmacher auftreten wie ein Björn Höcke: "Auch wenn die Fürther AfD in Personal und Wortwahl versucht, sich ein demokratisches Mäntelchen umzulegen: Die Inhalte und das Personal der AfD bleiben nationalistisch, reaktionär, rassistisch, frauenfeindlich, antisozial sowie mit der Leugnung des menschengemachten Klimawandels realitätsfremd und umweltzerstörerisch." Keiner der Fürther AfDler habe sich vom Faschisten Höcke oder von einem Alexander Gauland distanziert. "Damit machen sie sich gemein mit Leuten, die durch ihre Worte die Munition und die Stichwortgeber für rassistische Morde und Taten sind."
Auch die AfD in Fürth, so Schmailzl weiter, schüre Ängste vor Migration, Hass und Vorurteile. Mit dieser Partei dürfe - im Falle eines Einzugs in den Stadtrat - nicht zusammengearbeitet werden.
"Wer die AfD wählt, toleriert Rassismus"
Jens Schmidt, der später neben Marco Graeser, für die Kneipenszene ans Mikrofon tritt, formuliert es so: "Wenn man die Partei unterstützt, muss man auch nicht offen rassistisch agieren - man unterstützt einfach so einen Werteapparat, der vielen Menschen das Leben schwer macht." Er wisse nicht, ob jeder, der die Partei wählt, ein Rassist sei - aber jeder, der sie wählt, toleriere Rassismus. "Und das können wir nicht tolerieren." Die Kneipenszene lebe von Offenheit und Diversität. Man freue sich daher über den enormen Zuspruch, den die Bierdeckel-Aktion gebracht habe. "Das zeigt, dass die Fürther ihre Geschichte kennen."
Der evangelische Dekan Jörg Sichelstiel erinnert an die Menschen, die allein zwischen 1990 und 2017 durch rechte Gewalt ums Leben kamen - mindestens 183 Fälle seien bekannt, darunter waren Migranten, Obdachlose, Punks, Antifaschisten, Aussteiger aus der rechten Szene. Wolfgang Schäuble, Präsident des Bundestags, habe zu Recht jüngst festgestellt, dass rechte Gewalt bisher zu wenig beachtet wurde.
Bodenlos sei es, so der Dekan, wie auch die Fürther AfD versuche, sich immer wieder als Opfer darzustellen. Und: "Wer behauptet, dass zwischen Freien Wählern, FDP, Grünen, Linken, SPD und CSU keine Unterschiede bestehen würden, ist entweder dumm oder - das ist noch gefährlicher - gefährlich, weil sie sich damit als Feind der Demokratie offenbaren." Er wolle nicht, betonte Sichelstiel, "dass die AfD die Erinnerungskultur hier in Fürth mitbestimmt."
Beschämende Wahlbeteiligung
Er appelliere deshalb an alle, am 15. März zur Wahl zu gehen. Beschämend sei die Wahlbeteiligung von 2014 gewesen - gerade einmal 45,2 Prozent hätten ihre Stimme abgegeben. Er wünsche sich, dass diesmal die Beteiligung von 2002 (55 Prozent) getoppt werde - das Publikum applaudiert laut.
Redner der Stradevia und der Antifaschistischen Linken Fürth (ALF) warnen ebenfalls vor der Gefahr, die von der AfD ausgehe. Sie trage zu einem Klima bei, in dem die Hemmschwelle sinkt, andere zu beleidigen und auszugrenzen. "Sie erkennen nicht, welchen Wert eine multikulturelle Gesellschaft für uns hat und dass ein Fremder zum Freund werden kann", sagt der Sprecher der Stradevia und stellt klar: "Egal ob Pegida, AfD oder Dritter Weg: In Fürth habt ihr mit eurem Gift keinen Platz."
"Rechts ist Rechts"
Worin sich sämtliche Redner einig waren: Die AfD sei nicht vom Himmel gefallen. Sie nähre sich auch aus "einer verfehlten Politik, die zu Altersarmut, Niedriglöhnen und Wohnungsnot führte", so Schmailzl. Und Brenner, die für den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) sprach, erinnerte an die vielen Menschen, die in prekären Arbeitsverhältnissen stecken oder zur Tafel gehen müssen. 20 Prozent der Kinder in Deutschland lebten mindestens fünf Jahre in Armut - "eine Schande". Diese Missstände habe sich die AfD zunutze gemacht, sie spiele Arme gegen noch Ärmere aus.
Unter den Bürgern, die an diesem Tag mit durch die Innenstadt ziehen, ist auch Sigrun Riechert mit ihrer achtwöchigen Tochter Alma. Auch sie unterscheidet nicht zwischen der Fürther AfD und dem rechtsextremen Flügel um Höcke: "Rechts ist rechts, und wenn man Leute aufgrund einer Hautfarbe oder Religion ausgrenzt, gibt es für mich nichts zu diskutieren."
Es sei schockierend, was gerade in der Türkei und Griechenland abläuft. "Wenn sich die Leute, die ähnlich denken, zusammentun und wachrütteln, dann ist das, glaub ich, eine Mehrheit."
Angriff auf den CSU-Wahlkampfstand
Zu unschönen Szenen kam es am Rande der Veranstaltung, als der Demonstrationszug in der Fußgängerzone am Wahlkampfstand der CSU vorbeizog. CSU-Politiker berichten davon, dass Teilnehmer aus dem linksradikalen Lager ausfällig wurden, sie mit der AfD auf eine Stufe stellten, eine Fahne aus dem Wahlkampfstand rissen und zu Boden warfen. "Man beschimpfte uns als Nazis und dass man doch unsere Fahne nicht nur hätte rausreißen sollen, sondern den Stand gleich anzünden hätte sollen", schildert Stadtratskandidatin Michaela Partheimüller auf ihrer Facebook-Seite.
Eine Anzeige dazu liegt der Polizei bislang nicht vor. Weitere Störungen habe es nach derzeitigen Erkenntnissen nicht gegeben, sagte ein Polizeisprecher auf FN-Nachfrage.
Enttäuscht vom Bündnis
Entsetzt über die Attacke ist CSU-Stadträtin Angelika Ledenko, die selbst an der Auftaktkundgebung teilnahm. Und sie zeigt sich gegenüber den FN enttäuscht vom Bündnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus: Einmal mehr habe es mit verbalen Angriffen gegen die CSU die Chance vertan, den Protest gegen Rechts auf eine wirklich breite Basis zu stellen; die meisten CSU-Stadträte blieben Veranstaltungen des Bündnisses inzwischen fern. Anja Schmailzl und Ruth Brenner hatten Teile ihrer Redezeit dazu genutzt, gegen die CSU zu sticheln und sie zu attackieren. Unter anderem ging es um Horst Seehofers Aussage "Die Migration ist die Mutter aller Probleme" aus dem Jahr 2018 und das Verhalten der Schwesterpartei CDU vor kurzem bei der Thüringen-Wahl.
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