Stress, Frustration, Einsamkeit

Nach Horror-Lkw-Crash in Fürth: Wie häufig sind Alkohol-Unfälle mit Lastern?

Max Söllner

Volontär

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11.2.2022, 06:00 Uhr
Der Unfall-Lkw wird aus der Fürther Hardstraße abgeschleppt. Beim Horror-Crash am Dienstagabend war Alkohol im Spiel, wie inzwischen auch der Fahrer zugegeben hat.  

© Nicolas Armer, dpa Der Unfall-Lkw wird aus der Fürther Hardstraße abgeschleppt. Beim Horror-Crash am Dienstagabend war Alkohol im Spiel, wie inzwischen auch der Fahrer zugegeben hat.  

34 teils völlig demolierte Autos, mehrere brennende Wagen, lodernde Flammen an einer Hausfassade und vier Verletzte: Am Dienstagabend hat ein 50-jähriger Lkw-Fahrer im Fürther Westen einen kompletten Straßenzug verwüstet.

Inzwischen sitzt der aus der Türkei stammende Mann in Untersuchungshaft. Er hat eingeräumt, den im Ausland zugelassenen Lkw betrunken gefahren zu haben. Laut der Staatsanwaltschaft steht die genaue Unfallursache noch nicht fest. Klar aber ist: Ein noch am Abend durchgeführter Atemtest hatte einen Alkoholwert von rund zwei Promille ergeben.

"Wenn ich mit einem 40-Tonner alkoholisiert durch so eine Straße fahre, dann ist das eine Waffe" sagt Thomas Hampel, der als mittelfränkischer Gewerkschaftssekretär bei Ver.di für Lkw-Fahrer zuständig ist. Er wolle nichts schönreden und attestiert dem Fahrer einen "groben Verstoß", der in der Branche kein Einzelfall sei. Gleichzeitig betont er: "Nicht jeder Lkw-Fahrer ist ein Trinker. Der Berufsstand wird sehr negativ gesehen." Viele Menschen würden sich Trucker als ungepflegte und trinkende Einzelgänger vorstellen.

Lkw-Fahrer auf Raststätten: Bockwurst und Bier

Laut Hampel ist das ein Klischee, das durch mangelhaft ausgestattete Rasthöfe verstärkt wird: Viele Fahrer könnten sich dort weder einen Restaurantbesuch noch eine Dusche leisten. Also kommen sie irgendwo im Dickicht zwischen den Lkw zusammen, zu Bockwurst und Bier.

Oft würden sie dort nicht nur kurz Pause machen, sondern tagelang auf einen neuen Auftrag warten. Es spreche nichts dagegen, in dieser Zeit Alkohol zu trinken, findet Hampel, solange pünktlich zum Fahrtantritt wieder Nüchternheit herrscht. Er gibt zu bedenken, dass Lkw-Fahrer oft wochenlang von ihren Familien getrennt sind und in dieser Zeit kaum Privatsphäre haben. Geselligkeit finde bei ihnen in aller Öffentlichkeit statt – während andere im geschützten Zuhause feiern könnten.

Geregelte Fahrzeiten könnten helfen

Hampel glaubt, dass bessere Arbeitsbedingungen wie höhere Löhne und geregelte Fahrzeiten nicht jeden, aber so manchen Alkoholunfall verhindern könnten: "Der Alkohol, den man sich reinzieht, weil man frustriert in diesem Hamsterrad drin ist, der wäre dann weg." Ein Hamsterrad, das von der großen Konkurrenz zwischen den Speditionen am Laufen gehalten werde, die ihren Kostendruck "eins zu eins" bis ans Steuer durchreichen würden.

Martin Bulheller vom Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) sieht nicht generell ein Alkoholproblem unter Truckern. "Das sind Profis", sagt der Vertreter der Speditionsbranche und verweist darauf, dass Lkw-Fahrer in Deutschland rund elf Prozent der Fahrleistung, aber nur drei Prozent der Alkoholunfälle verursachen würden.

Alkoholmissbrauch: Vereinsamung als Faktor

"Soziale Vereinsamung und ewige Wartezeiten an den Parkplätzen" hält er aber für Faktoren, die Alkoholmissbrauch begünstigen können. Während Lkw-Fahrer aus den Nachbarländern meist alle sechs bis sieben Tage zu ihren Familien kämen, seien solche aus weiter entfernten Ländern wochenlang auf den Straßen Westeuropas unterwegs.

Auch Bulheller fordert bessere und vor allem mehr Parkplätze: "Abends ab 17 Uhr beginnt die große Jagd nach den Parkplätzen, das ist natürlich ein unglaublicher Stress. Hier muss massiv nachgesteuert werden, dass die Lkw-Fahrer auch ihre Pause nehmen können." Und was sagt die Polizei, wie oft kracht es auf unseren Straßen, weil sich Lkw-Fahrer betrunken ans Steuer setzen? Sowohl das oberfränkische als auch das Oberpfälzer Präsidium bestätigen, dass Lkw-Unfälle zirka drei Prozent aller Alkohol-Crashs in ihren Bereichen ausmachen. Ein im Vergleich zu Autos geringer Anteil, heißt es unisono.

In beiden Regierungsbezirken kam es zwischen 2017 und 2020 zu jeweils 49 Kollisionen, bei denen ein alkoholisierter "Schwerverkehr"-Fahrer der Verursacher war. Zum "Schwerverkehr" zählen allerdings auch als Lastwagen zugelassene Sprinter-Fahrzeuge. Und die wiederum machen eine erhebliche Unfallzahl aus, heißt es in der Oberpfalz. Die mittelfränkische Polizei konnte auf Nachfrage keine Lkw-spezifischen Unfallzahlen für ihr Zuständigkeitsgebiet nennen.

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