OB Jung: Fürth könnte zwei bis drei Moria-Flüchtlinge verkraften

Birgit Heidingsfelder

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12.9.2020, 16:00 Uhr
OB Jung: Fürth könnte zwei bis drei Moria-Flüchtlinge verkraften

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Nürnberg sagt erst einmal Ja zu zehn Migranten aus Moria, Fürth zu "zwei bis drei". Eine Größenordnung, die Oberbürgermeister Thomas Jung, "gemessen am Beispiel Nürnberg, für sehr sinnvoll und angemessen" hält.

Eine Kleinfamilie oder drei unbegleitete Minderjährige wären für Fürth "verkraftbar", sagt er. "Wenn das alle Städte in Europa so machen, tut das niemandem weh."

Seine Bereitschaft signalisiert der OB auch auf der Basis eines Stadtratsbeschlusses. Im Februar 2019 hat sich Fürth einem Kreis von inzwischen mehr als 170 deutschen Kommunen angeschlossen, die bekunden, in Not geratene Geflüchtete aufzunehmen. Auch die Kleeblattstadt erklärte sich zum "Sicheren Hafen".

OB Jung: Fürth könnte zwei bis drei Moria-Flüchtlinge verkraften

© Foto: Petros Giannakouris/dpa

Trotz der akuten humanitären Krise auf der Insel Lesbos, wo in der Nacht zum Mittwoch rund 12 000 Menschen ihr letztes Hab und Gut verloren haben und seitdem obdachlos sind, pocht Jung auf Besonnenheit. Ihm sei ein abgestimmtes europäisches Vorgehen wichtig, sagt er. "Deutsche Alleingänge halte ich für schwierig." Denn: "Dann gewöhnt sich Europa daran, dass Deutschland immer alle Probleme löst." Grundfalsch wäre es aus seiner Sicht, würden einzelne Städte gleich je 1000 Flüchtlinge aufnehmen.

Seebrücke kritisiert "lächerliche" Angebote

Eva-Maria Brütting vom Fürther Ableger der Seebrücke, einer Bewegung, die sich mit Flüchtlingen und Seenotrettern solidarisiert und gegen eine europäische Politik der Abschottung stemmt, ärgert sich über Angebote, egal auf welcher politischen Ebene, die ihres Erachtens in keinem Verhältnis zum Ausmaß der Katastrophe von Moria stehen.

Die Bereitschaft zur Aufnahme von 400 unbegleiteten Minderjährigen, verteilt auf zehn Länder, erscheint ihr ebenso "lächerlich" wie die von zehn im Fall der "Stadt der Menschenrechte" oder eben zwei bis drei. "Das ist eindeutig viel zu wenig", empört sie sich.

Die Seebrücke macht in vielen Städten Deutschlands und im europäischen Ausland seit langem auf die Missstände im Moria aufmerksam. Immer wieder appellierten die Helfer an die Bundesregierung und die EU-Kommission, das aus allen Nähten platzende Camp, das ursprünglich nur annähernd 3000 Menschen Platz bieten sollte, zu evakuieren.

Von einem "Slum mitten in Europa" und einer "Schande für Europa", sprach Brütting im Juni bei einer Fahnen- und Spendenaktion in Fürth, und sie warnte vor dem Eintreffen der Corona-Pandemie in Moria. Nun sollen Migranten Feuer gelegt haben, nachdem die griechischen Behörden wegen Corona-Infektionen für die Bewohner des Lagers Quarantäne verordnet hatten.

Als Brütting am Dienstag aus dem Radio von dem Großbrand im Flüchtlingslager erfuhr, ging ihr dieser Gedanke durch den Kopf: "Jetzt können Seehofer und Co. endlich nicht mehr wegschauen." Dann aber habe das "politische Lavieren" begonnen, klagt Brütting und fügt hinzu: "Ich schäme mich."

Frankenkonvoi pocht auf Rettung

Ein Feuerwehrmann frage doch nicht erst, er rette einfach. So klar ist der Fall auch für Tom Geisbüsch, Gründer der Hilfsorganisation Frankenkonvoi aus Fürth: Das "Pulverfass" Moria sei explodiert, nun habe man es mit einer humanitären Katastrophe zu tun. Das sei wie nach einem Erdbeben, da brauche es schnelle Lösungen. "Wir müssen die Leute retten."

Der 58-Jährige steht in Kontakt zu Frankenkonvoi-Vertreterin Susanne Seulberger, die sich mit einem Partner aktuell in Moria aufhält. Nach dem Großbrand hat sie der Tagesschau Eindrücke aus der Brandnacht geschildert. Laut Geißbüsch mussten seine Kollegen beim Versuch, eine hochschwangere Migrantin vor einem reaktionären Mob zu schützen, ihre eigene Haut retten.


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Schläger hätten mit Eisenstangen auf Flüchtlinge und ihren Wagen eingedroschen. Die Bevölkerung vor Ort sei an sich freundlich und hilfsbereit, so Geisbüsch, doch nach Jahren der Überfüllung und nun auch noch unter dem Eindruck von Corona, sei die Stimmung gekippt, herrsche ein Ausnahmezustand, regiere immer wieder brutale Gewalt.

Shirts von der SpVgg

Aktionen wie die des Discounters Lidl neben dem Camp Moria, der Trinkwasser an Tausende Flüchtlinge verteilt hat, erfüllen Geisbüsch mit Freude. Frankenkonvoi will nun zusammen mit Partnerorganisationen Schlafsäcke, Isomatten und Zelte nach Griechenland schaffen.

Am Freitag wurde in Fürth schon ein Transporter mit 700 Paar Schuhen eines hiesigen Sportartikelherstellers sowie T-Shirts und Trikots von der SpVgg Greuther Fürth beladen. Sein Ziel: die nordgriechische Stadt Thessaloniki, wo sich auch Flüchtlinge aus Moria aufhalten.

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