Was wird aus der Kofferfabrik? Jetzt redet der Chef

Matthias Boll

Lokalredaktion Fürth

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6.3.2021, 11:00 Uhr
Udo Martin, 1957 in Fürth geboren, machte in Nürnberg bei den Vereinigten Deutschen Metallwerken eine Ausbildung zum Industriekaufmann. Selbstständig machte er sich mit einer Elektronikfirma, nach deren Verkauf übernahm er 2007 die Leitung der Kofferfabrik. Zuvor war dort bereits mehrfach als Erzähler und Schauspieler aufgetreten.

© Hans-Joachim Winckler Udo Martin, 1957 in Fürth geboren, machte in Nürnberg bei den Vereinigten Deutschen Metallwerken eine Ausbildung zum Industriekaufmann. Selbstständig machte er sich mit einer Elektronikfirma, nach deren Verkauf übernahm er 2007 die Leitung der Kofferfabrik. Zuvor war dort bereits mehrfach als Erzähler und Schauspieler aufgetreten.

Eine versehentlich abgeschickte Kündigung, der Eigentümer hat sich inzwischen "tausendfach" für das "menschliche Fehlverhalten" entschuldigt. Entschuldigung angenommen?

Ja. Kann doch jedem mal passieren. Ironie aus. Wenn’s halt ein Versehen war, dann war’s wohl so.


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Zugleich hat die Lauer Immobilien-Service GmbH der "Koffer" einen Aufschub von vier Jahren gegeben. Ist für Sie nach dieser Neuigkeit das Glas nun halbvoll oder halbleer?

Schwer zu sagen, auf jeden Fall ist es nicht ganz voll. Der Wasserstand hängt nun von den Gesprächen ab, die die Stadt mit Lauer führen wird. Aktuell bin ich wenig begeistert. Das hat unter anderem mit den "Haftungsfragen" zu tun, von denen Lauer-Geschäftsführer Holmberg gesprochen hat. Daran kann das Ganze scheitern.

Was ist mit Haftungsfragen konkret gemeint?

Jedem Beteiligten ist klar, dass der bauliche Zustand der Kofferfabrik inzwischen sehr schlecht ist. Das Haus ist 140 Jahre alt. Das liegt daran, dass im Mietvertrag ausdrücklich geregelt ist, dass der Eigentümer keinerlei Instandhaltungsmaßnahmen macht. Jetzt ist der Zustand so mies, das wir inzwischen manches Fenster nicht mehr öffnen können, das Mauerwerk bröckelt. Für Unfälle haftet der Eigentümer, und aus dieser Haftung will Lauer raus. Eine sehr schwierige Sache.

Die Haftungsfrage wird definitiv Gegenstand der Verhandlungen mit Lauer sein.

Richtig, aber ich werde ebenso definitiv keine Haftung übernehmen. Oder kennen Sie jemanden, der für seinen Vermieter die Versicherung übernimmt? Die Stadt wiederum kann aus rechtlichen Gründen keine Haftung für ein Privatgrundstück übernehmen. Wenn das möglich wäre, dann könnten ja auch Sie zur Stadt gehen und sagen, mein Dach ist kaputt, bitte repariert mir das mal. Sie sehen, ich bin sehr gespannt auf die Gespräche zwischen Stadt und Eigentümer. Und ich sehe einige Fragezeichen.

Bevor die Kofferfabrik wegen Baufälligkeit zur Bedrohung für ihre Gäste wird, empfiehlt sich vermutlich eher eine Sanierung als die Klärung von Haftungsfragen, oder?

So ist es. Aber ich erwähnte ja bereits, was im Mietvertrag steht.

Was müsste dringend erledigt werden?

Bei einigen Fenstern bin ich mir relativ sicher, dass sie noch aus der Zeit stammen, als die Kofferfabrik gebaut wurde. Die Flachdächer sind hinüber, zusammen mit den rund 80 Fenstern sind Sie da leicht bei einer Summe im hohen sechsstelligen oder niedrigen siebenstelligen Betrag. Und es wäre schön, wenn wir unsere Räume endlich mal beheizen könnten. Dabei birgt das Haus großes Potenzial. Wenn wir Solarzellen auf die Dächer machen, eine Pelletheizung und eine Gastherme einbauen würden, dann könnte die Kofferfabrik zum Vorzeigeprojekt der Infra werden – mit Info-Büro und allem Drum und Dran. Eine Riesenchance wäre das.

Was wird aus der Kofferfabrik? Jetzt redet der Chef

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Sie ahnen die nächste Frage?

Klar: Wer soll das bezahlen? Deshalb wäre die optimale Lösung der Großsponsor, der Mäzen mit Geld und großem Herz für die Kultur. Was allerdings voraussetzt, dass Lauer die Kofferfabrik verkaufen will.

Lauer denkt, wie Holmberg den FN sagte, nicht über einen Verkauf nach, sondern über den Bau von Seniorenwohnungen auf dem gesamten Areal. In vier Jahren.

Die Geschichte ist so alt, die hören wir hier seit 25 Jahren. Wenn Sie den Plan mit den Seniorenwohnungen jemandem auf dem "Koffer"- Gelände erzählen, der dreht sich um und geht.


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Moment, Sie nehmen diesen Plan etwa nicht ernst?

Bis auf Weiteres nicht. Wir haben das von Lauer wirklich schon öfter gehört. Man muss jetzt natürlich sehen, inwieweit sich in den Gesprächen neue Perspektiven auftun.

Sie erwähnten das Alter der Kofferfabrik und seine Baufälligkeit. Schon zweimal, 2010 und 2020 und sehr zum Ärger der Stadtheimatpfleger, hat das Landesamt für Denkmalpflege dem Bau den Schutz verwehrt. Warum?

Die Kofferfabrik ist einer der letzten Industriebauten Fürths. Um es kurz zu machen: Die Denkmalpfleger wären begeistert, wenn hier noch die Maschinen herumstehen würden, mit denen die Firma Winkler & Kütt damals Spiegel gefertigt hat. Erst später kam ja die Kofferfabrik Bermas rein. Man erkenne nicht mehr den architektonischen Gesamtentwurf als einheitliche Fabrikanlage aus der Hochzeit der Industrialisierung. Tja, da stellt man lieber den Fürther Woolworth unter Schutz. Bestandssicherung durch Denkmalstatus, das geht für die Kofferfabrik nicht.

Sie sind jetzt 64. In den vergangenen Tagen öfter mal überlegt, wie lang Sie sich die Kofferfabrik noch antun wollen?

64 ist für mich eigentlich kein Alter zum Aufhören, ich habe noch zig Ideen und Pläne. Aber ich werde zum Saisonende 21/22 aufhören, wenn nicht bis 2022 eine Instandhaltung der "Koffer" auf den Weg gebracht wurde. Ich habe eine Verantwortung für unsere Gäste. Dieser Verantwortung kann ich nicht gerecht werden, wenn nichts vorankommt.

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