Wie kriminell ist Fürth? Kriminalstatistik liefert Antworten

Luisa Degenhardt

E-Mail zur Autorenseite

10.4.2021, 11:00 Uhr
Sorge bereiten auch in Fürth die zunehmenden Angriffe auf Polizisten.

© Tim Händel, NN Sorge bereiten auch in Fürth die zunehmenden Angriffe auf Polizisten.

Die gute Nachricht vorneweg: Fürth bleibt 2020 sicherste Großstadt in Bayern. Das freut die hiesige Polizei. Gleichzeitig stellen die Beamten fest, dass sich Corona wie auf viele andere Bereiche auch auf die Straftaten auswirkt. "Die Kriminalitätsentwicklung trägt den Stempel der Pandemie", fasst Fürths Polizeichef Bernd Wolf zusammen.

Sicherheit

5314 Delikte beschäftigten die Fürther Polizei 2020, 86 weniger als 2019. Außen vor bleiben ausländerrechtliche Verstöße wie illegaler Aufenthalt, denn "sie beeinflussen die Sicherheit nicht zwingend", sagt Wolf. 22.000 Mal mussten die Beamten 2020 insgesamt ausrücken, das sind im Schnitt 60 Einsätze pro Tag. Zum 17. Mal in Folge holt Fürth in puncto Sicherheit den Spitzenplatz im Freistaat, in die Statistik fließen alle Städte ein, die mehr als 100.000 Einwohner zählen. "Das ist ein Umstand, auf den wir sehr wohl sehr stolz sind." Die bundesweiten Zahlen – auch hier landete Fürth in den vergangenen Jahren stets auf der Pole-Position – stehen noch aus.

Aufklärungsquote

65,9 Prozent aller Straftaten klärte die Fürther Polizei im vergangenen Jahr auf. Dabei gelte, so der Inspektionsleiter, "umso wertiger die Delikte, umso höher die Aufklärungsquote". Bei Gewaltverbrechen lag sie beispielsweise bei 86,6 Prozent. Schwierig ist es, Sprayer ausfindig zu machen oder Kriminellen auf die Spur zu kommen, die sich aufs sogenannte Cybercrime im Internet spezialisiert haben.

Täterstruktur

59,7 Prozent der Kriminellen, die in Fürth gegen das Gesetz verstießen, wohnten auch in der Kleeblattstadt. 2019 war dieser Wert noch etwas niedriger. Der Grund: "Durch den Lockdown hat die Bewegung der Menschen abgenommen", sagt Wolf.

Laut Statistik verstießen Frauen seltener gegen das Gesetz als Männer: 24 Prozent aller Straftaten gingen auf ihr Konto. Frauen fuhren aber in etwa genauso oft betrunken Auto und begingen genauso viele Diebstähle. Für 80 Prozent aller Verbrechen in Fürth waren Erwachsene über 21 Jahre verantwortlich – das entspricht in etwa dem Wert von 2019.

Jugendliche

Im Umkehrschluss heißt das, dass 20 Prozent der Straftaten von jungen Menschen begangen wurden. Bei Sachbeschädigungen wie Schmierereien sind sie dem stellvertretenden Inspektionsleiter Mark Kohl zufolge besonders stark vertreten. Ohne Schule oder Sportverein fehle die Sozialkontrolle. Es komme zu "Impulsstörungen", Mülleimer werden angezündet, Wände beschmiert – "irgendwo müssen die Hormone hin", sagt Kohl.

Seltener als 2019 nahmen sie dagegen Geschäfte ins Visier. Der Anteil von Jugendlichen an den Ladendiebstählen machte 2020 29,5 Prozent aus (2019: 36,9 Prozent) – eine Folge der Corona-Pandemie, betont Wolf. Denn: Wenn Geschäfte geschlossen sind, kann man dort nichts mitgehen lassen.

Das Führungstrio der Fürther Polizeiinspektion (v. l): Stellvertretender Leiter Mark Kohl, Chef Bernd Wolf und der Leiter der Kriminalpolizei, Michael Dietsch.   

Das Führungstrio der Fürther Polizeiinspektion (v. l): Stellvertretender Leiter Mark Kohl, Chef Bernd Wolf und der Leiter der Kriminalpolizei, Michael Dietsch.    © Luisa Degenhardt

Sachbeschädigung

2020 wurde mit 831 Sachbeschädigungen deutlich häufiger randaliert als 2019 (707), dadurch entstand ein Schaden von 695 000 Euro. Die Aufklärungsquote ist in diesem Bereich mit 31 Prozent recht niedrig.

Fahrraddiebstähle

Die Zahl der Fahrraddiebstähle hat stark zugenommen: Wurden 2019 noch 319 Räder gestohlen, waren es 2020 insgesamt 416 Stück – für 46 Prozent der ermittelten Fälle sind Jugendliche verantwortlich. "Wenn ich drinnen nicht klauen kann, klaue ich draußen", sagt Wolf. Der Schaden ist enorm: 226 000 Euro. Dieses Jahr will die Polizei ihren Fokus darum besonders auf Fahrraddiebe legen. Zugange seien sie überall in Fürth, wenngleich in Flexdorf weniger als in der Südstadt.

Schwere Fälle

Die Entwicklung ist nicht neu und setzte sich im Pandemie-Jahr fort: Von 2019 auf 2020 gab es einen deutlichen Anstieg bei der Gewaltkriminalität in Fürth, von 180 Fällen auf 216. Unter diesem Oberbegriff werden Vergehen wie schwere oder gefährliche Körperverletzung, Raub, Geiselnahme oder Tötungen zusammengefasst.

Die gute Nachricht: 2020 wurde in der Stadt und im Landkreis niemand vorsätzlich getötet, wenngleich es vier "Straftaten gegen das Leben gab". Bei derart schweren Vergehen kommt Michael Dietsch ins Spiel. Er leitet die Fürther Kripo und erinnert sich noch gut an ein versuchtes Tötungsdelikt im Zirndorfer Ankerzentrum im Juni. Ein Mann hatte wegen finanzieller Streitigkeiten auf zwei Kontrahenten eingestochen.

Ebenfalls im Gedächtnis geblieben ist ihm außerdem ein Mann, der seine Wohnung in der Fürther Südstadt mit Benzin in Brand gesteckt und danach die Flucht ergriffen hatte – "ein besonders schwerer Fall von Brandstiftung", so Dietsch.


Kriminalität 2019: Fürth bleibt ein sicheres Pflaster


Spektakulär war auch der Goldbarrenraub auf der Fürther Freiheit im Mai. Rückblick: Ein Rentner und seine Lebensgefährtin verabreden sich zu einem Treffen mit Interessenten, denen sie sechs Kilo Gold verkaufen wollen. Der Mann möchte das Bargeld in einer nahe gelegenen Bank auf seine Echtheit hin überprüfen lassen, es kommt zum Streit. Die Räuber flüchten mit dem Gold. Wenig später kracht ihr Wagen gegen eine Hauswand in der Turmstraße. Demnächst, so Dietsch, beginnt die Verhandlung vor Gericht.

Drogendelikte

"Eine offene Rauschgiftszene wie in Nürnberg gibt es bei uns nicht", erklärt Kripo-Chef Dietsch. Wolf zufolge sank die Rauschgiftkriminalität in der Stadt 2020: von 586 auf 517 Fälle. Die Aufklärungsquote ist mit 97 Prozent deshalb so hoch, weil die Konsumenten bei Kontrollen auffliegen. Bei 300 der Vergehen war Cannabis im Spiel. Dietsch geht allerdings davon aus, dass die Dunkelziffer weitaus höher ist.

Widerstand

Immer öfter müssen die Ordnungshüter Menschen unter Kontrolle bringen, die sich zur Wehr setzen. Das nennt sich dann offiziell "Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte". 2020 flossen 43 Vorfälle in die Statistik ein, ein Jahr vorher waren es 37, 2015 nur sechs. In den vergangenen Jahren habe man auch vermehrt mit psychisch Auffälligen zu tun. "Das bereitet uns Sorge", so Wolf, müsse man doch stets mit Angriffen rechnen. Die Pandemie mache die Situation schlimmer: Einige würden ihre Medikamente nicht mehr nehmen, Arztbesuche vermeiden und weniger Kontakt mit Angehörigen haben – die Kontrolle fehlt.

Zukunft

Mark Kohl geht davon aus, dass künftig die Diebstähle zunehmen werden. Trauriger Hintergrund: Die Altersarmut steigt, immer mehr Menschen können sich ihr Leben nicht mehr leisten und beginnen deshalb zu stehlen. Noch stecke dieses Phänomen "in den Kinderschuhen", kriminologisch müsse man sich aber künftig damit beschäftigen. Auch Kripo-Chef Dietsch sieht diese Entwicklung kommen: "Die Bevölkerung wird immer älter, das wird irgendwann zum Problem."