Zu wenig Impfstoff: Fürther OB spricht von "Staatsversagen"
27.1.2021, 18:33 UhrEin Jahr nach Beginn der Corona-Pandemie und einen Monat nach der Eröffnung des gemeinsamen Impfzentrums für Fürth und den Landkreis zieht Oberbürgermeister Thomas Jung eine gemischte Bilanz. Als erfreulich bewertet er die sinkende Sieben-Tage-Inzidenz, als ärgerlich den Umstand, dass das Impfzentrum seine Kapazitäten bei weitem nicht ausschöpfen kann.
Zu wenige Termine? Fürther Impfzentrum kontert Kritik.
250 bis 350 Menschen werden hier pro Tag immunisiert, sagte Jung beim Pressetermin vor dem Gebäude in der Rosenstraße. Zu schaffen wären 500 bis 600 Impfungen täglich, also das Doppelte. Man könne "hier ein Stück weit den Begriff ,Staatsversagen‘ gebrauchen", kritisierte Jung. "Da muss Deutschland, da muss Europa besser werden."
Vor dem Hintergrund des Impfstoff-Mangels und immer neuer Ankündigungen von Engpässen bei Produktion und Lieferung schlug er ähnlich kritische Töne an wie Ministerpräsident Markus Söder. Dieser wollte nicht direkt von einem Politikversagen sprechen, erklärte aber: "Einen richtig guten Eindruck hinterlässt das alles nicht." Und er forderte ein Export-Verbot für Impfstoff, der in Europa produziert wird.
Für das auch in Deutschland entwickelte Covid-19-Vakzin, sagte Jung, gebe es "vielleicht mal den Nobelpreis, aber wir können die Menschen nicht impfen". Und – Söder zitierend – kritisierte er: Dass "bei uns noch die Großeltern auf ihre Impfung warten, während in Israel schon die Enkel dran sind", sorge für Frust und Verdruss. 7340 Menschen wurden laut Jung von teils mobilen Teams des Impfzentrums bisher geimpft. "Hätten wir genug Impfstoff bekommen, wären es schon 15 000"-
Kritik übte der OB auch am deutschen Datenschutz. Denn: Dass Jobcenter Adressen beispielsweise von Hartz-IV-Empfängern nicht einfach herausgeben dürfen, habe nach Einführung der Tragepflicht für FFP2-Masken in Läden und im ÖPNV für die Stadt eine an sich gute Sache verkompliziert und verzögert: den Gratisversand von FFP2-Masken an Bedürftige. Inzwischen wurden sie an die 7300 Berechtigten verschickt. Die Päckchen gingen am Freitag raus.
Die Sieben-Tage-Inzidenz, die die Zahl der Corona-Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner beziffert, hat sich in Fürth seit Beginn der Pandemie stark nach oben entwickelt, dank Lockdown sinkt sie jetzt ab. In Zahlen: Am 27. April 2020 lag sie bei null, am 20. Dezember erreichte sie den bisherigen Höchststand (269). Wochenlang galt Fürth zuletzt mit einer Sieben-Tage-Inzidenz über 200 als Corona-Hotspot. Seit Montag ist das nicht mehr so, am Mittwoch lag der Wert bei 131.
Fürth muss unter die Schwelle von 100
Jung ist hier zufrieden, warnt aber vor Nachlässigkeiten beim Masketragen, Mindestabstand und anderen Corona-Regeln. Der aktuelle Wert, mahnte er, sei als Aufforderung zu verstehen, nicht nachzulassen. Ziel müsse es sein, Fürth unter die Schwelle von 100 zu bringen. "Das kann niemand befehlen, das haben wir alle gemeinsam in der Hand."
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Im Klinikum ist die Lage laut Jung "belastend". Aber: "Jeder wird behandelt." Die Intensivstation sieht nach Angaben von Sprecherin Carmen Brückner an sich zehn Betten für Corona-Patienten vor. Mit zwölf positiv getesteten Personen ist sie leicht überbelegt. Auf der Normalstation mit ihren 48 Covid-Betten werden gerade 25 Menschen versorgt.
2021 bezeichnet Jung als das "Jahr der Überwindung" der Corona-Pandemie. Das bedeute auch: Im Rathaus werde man "Hilfspakete für die Wirtschaft schnüren". Unterdessen ist Jung froh, dass in Fürth, anders als etwa in Nürnberg, im Corona-Jahr 2020 keine Übersterblichkeit, sondern mit 1612 Fällen sogar weniger Todesfälle registriert wurden als in den Vorjahren. Denn da waren es 1656 (2019) und 1672 (2018).