Altmühlsee: Ungewöhnliche Gäste im Vogelbiotop
20.10.2020, 06:09 UhrSie möchten aktiv werden für den Arten- und Naturschutz. Doch die Harmonie wird getrübt: Zickenkrieg!Ganz normale Rangordnungskämpfe möchte man meinen, doch vielleicht ist auch Eifersucht im Spiel. Geht es um den Vater aller vier Kinder, einen Testosteron-gesteuerten, bulligen Kerl mit viel "Triesdorfer Tiger" im Blut? Oder sind das ganz normale Kämpfe um die Rangordnung, die "Pippi", "Pirat", "Limo" und "die graue Eminenz" da ausfechten?
Bioland-Bauer Herbert Gutmann kennt die vier Helikoptermütter, die ihren halbwüchsigen Kalbskindern nicht von der Seite weichen, am besten. Er kann die ganze Sache bei einem Besuch auf der Vogelinsel aufklären: Es ist nun der zweite Sommer für den Versuch, die Hauptinsel der Vogelinsel im Altmühlsee mithilfe einer kleinen Mutterkuh-Herde ökologisch aufzuwerten.
Die wählerischen Tiere "mähen" nämlich nicht wie Maschinen, sondern fressen nur das, was gerade am besten schmeckt. So entstehen freie Flächen, auf denen viele Wasservögel und Wiesenbrüter ideale Bedingungen vorfinden. Gleichzeitig bleibt immer wieder ein verschmähtes Büschel als Unterschlupf für die Küken stehen.
Sehr positive Bilanz für Testlauf
In Absprache mit den Naturschutz-Behörden, dem Landesbund für Vogelschutz (LBV) und dem Wasserwirtschaftsamt Ansbach wird hier getestet, wie gut sich die artenreiche Vogelwelt mit den massigen Limousin-Damen und ihrem Nachwuchs verträgt. Andreas Lebender, beim Wasserwirtschaftsamt Ansbach zuständig für die Gewässerentwicklung, zieht bislang eine sehr positive Bilanz: Ungestörter Schilfwuchs, Sauergräser bleiben stehen, insgesamt entsteht ein erwünschtes Mosaik an unterschiedlichen Strukturen.
Selbst für die niedergetrampelten Flächen um einige Tümpel in Hinterland der Insel kann sich der Landschaftsplaner begeistern: Hier wachsen jetzt das kleine Flohkraut, der Schlammling und braunes Zyperngras, alles konkurrenzschwache und seltene Pflanzen, die sich auf einer normalen Wiese nie durchsetzen würden.
Biotop im Kuhfladen
Gerade diese Zonen am Rand der Tümpel sind als Rast- und Futterplatz für viele durchreisende Watvögel wie Uferschnepfen, Kiebitze und Großer Brachvogel ein Schlemmerparadies. Das ist ja noch verständlich, aber dass auch die Kuhfladen ein neues Biotop bilden, das ist dann doch erstaunlich. Dungkäfer und Mückenlarven fühlen sich hier wohl, werden aber von vielen Vogelarten auch gern in den Speiseplan aufgenommen.
Im Hinblick auf den Artenschutz war die Herde also erfolgreich, doch hatten die Damen auch Spaß an der Sache?
Herbert Gutmann ist davon überzeugt: Welche Mutterkuh hat schon solch eine große Weidefläche mit einer ordentlichen Auswahl an Wasserstellen zur Verfügung? Dazu ein schattiger Strauchwald, einen trockenen Unterstand mit Salzleckstein und ab und an eine leckere Kleiemahlzeit. So lässt es sich gut leben als Weidekuh. Und man wird offenbar alt wie Methusalem! Keine der erfahrenen Mutterkühe ist jünger als zehn Jahre, und Pippi mit den langen Hörnern ist gar stolze 19! Na, unter der Lupe unserer Fotokugel wirkt sie schon ein bisschen dürr und schrumpelig, aber ihr properes Bullenkalb mit den fuchsroten Ponylocken versorgt sie trotz dessen Vorpubertät mit ausreichend Muttermilch.
Im vergangenen Sommer hat Pippi die Herde noch angeführt, in diesem Jahr ist sie von der grauen Eminenz abgelöst worden. Als Herbert Gutmann die Fotografin und mich zu einem – übrigens genehmigten – Kurzbesuch auf die sonst mit einem Betretungsverbot belegten Insel bis zum Unterstand mitnimmt und seine Herde ruft, kommt die Graue Eminenz in Begleitung zweier Mutterkühe, nämlich "Pirat" mit dem verwegen ins Gesicht gebogenen Horn und "Limo" samt drei Kälbern, angaloppiert.
Da staut sich Frust an
Pippi folgt in aller Ruhe und in gemächlichem Abstand, als ob sie demonstrieren wollte: Wenn die Eminenz losrennt, muss ich noch lange nicht als dumme Begleitkuh herhalten! Die Graue Eminenz führt dann auch als Erste ihr Kalb zum Fressen in den Unterstand. Pippi muss warten, bis die anderen satt sind.
Da staut sich schon ein bisschen Frust auf bei einer derart abservierten Führungspersönlichkeit. Doch Pippi hält sich an Tine Bethke und mir schadlos. Wir beiden sind beim Anblick der quer über die Insel auf uns zurennenden Tiere eilends auf den Ladewagen mit dem Futterbehälter geklettert. Dort werden wir nun von ihr fixiert. Sie zeigt uns ihre Breitseite, hinter der sich ihr Kalb versteckt, und wackelt ein bisschen mit dem Kopf, um uns die Reichweite ihrer Hörnerpracht zu demonstrieren.
Bei Biobauer Herbert Guthmann haben auch Schweine ein schönes Leben
Leider habe ich in Vorbereitung auf das Treffen ein bisschen nachgelesen, was denn Limousin-Kühe so auszeichnet, und da steht: "Das Limousin-Rind ist eine meist ruhige, ausgeglichene Rasse, die ihre Kälber sehr gut gegen potenzielle Feinde verteidigt. Dabei können sie auch sehr ruppig werden."
Oh, wie sollen wir hier wieder runterkommen nach der Foto-Safari? Herbert Gutmann steht unterdessen mitten unter diesen Mordsviechern und erläutert, dass eine normale Hochleistungs-Milchkuh nach vier, allenfalls fünf Jahren gesundheitlich ruiniert sei, seine ausgeglichenen Mutterkühe hingegen eigentlich nie krank werden. Pippi musste beispielsweise auch noch nie zum Klauen-Ausschneiden.
Schnell zum Rückzug geblasen
Pippi lässt diese Lobeshymne kalt. Sie interessiert sich plötzlich für unsere Schuhspitzen und schnuffelt ungeduldig am Lensball. Jetzt kommen auch noch die anderen Supermuttis und stehen neugierig dabei. Irgendwie müssen wir jetzt von dem Ladewagen runter und den Rückzug antreten. Herbert Gutmann warnt uns überflüssigerweise: "Das ist jetzt kein Streichelzoo."
Kurz und gut: Ganz so würdevoll war unser Abgang nicht, aber es ging sehr schnell. Pippi hat sich nämlich noch einmal an ihr Alpha-Tier-Dasein erinnert und uns regelrecht aus dem Schutzgebiet gejagt. Recht hat sie!
Wenn man Glück hat, kann man von April bis Oktober vom Turm der Vogelinsel aus manchmal die Herde beobachten. Doch bald werden Herbert Gutmann und sein Landwirtschaftshelfer Manfred Meier die Kühe heimholen, denn es gibt nicht mehr genügend Weidegras. Außerdem haben alle vier Damen ein Date – alle mit demselben Triesdorfer-Tiger-Bullen!
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