Feurige Bilder: Erlanger Historiker bauen Römerschiff

22.9.2020, 16:02 Uhr
Feurige Bilder: Erlanger Historiker bauen Römerschiff

© Foto: Mathias Orgeldinger

Eine steinerne Grenze quer durch Europa – so kennen die meisten den Limes der Römer. Doch entlang der Donau war das nicht nötig. Das unwegsame Ufer und der Fluss waren ohnehin kaum zu überwinden. Der Donaulimes war keine undurchlässige Grenze, sondern wirkte eher wie eine flexible Membran für den Austausch von Menschen, Waren und Ideen.


Römerboot auf dem Dechsendorfer Weiher in Erlangen


Schon vor drei Jahren haben Boris Dreyer, Professor für Alte Geschichte in Erlangen, und sein Team von sich reden gemacht. Damals haben sie mit freiwilligen Helfern ein 16 Meter langes Patrouillenboot nachgebaut, wie es die Römer vor etwa 1800 Jahren benutzt haben, um Germanien zu erobern. Fridericiana Alexandrina Navis, kurz FAN, das Schiff der Friedrich-Alexander-Universität haben sie es damals getauft. "Das neue Boot ist viel leichter zu bauen als die FAN", sagt Dreyer. Dafür ist es mit fünf bis sechs Tonnen gut doppelt so schwer und braucht einen Kran für den Transport.

Eine eigene Werft mit römischen Heereslager

Die Uni Erlangen-Nürnberg ist der einzige Projektpartner aus Deutschland und mit einer Fördersumme von über 900 000 Euro auch einer der wichtigsten. Denn schließlich soll das Boot die Rolle eines Kulturbotschafters übernehmen. Entlang der Donau soll es in zwei Jahren das Bewusstsein für die gemeinsame Geschichte fördern und touristische Entwicklungschancen ausloten.

Die Werft entsteht am Seezentrum Schlungenhof . Die Lage am Altmühlsee ist nicht zufällig gewählt, denn auf dem Stadtgebiet von Gunzenhausen lag einst das nördlichste Kastell des obergermanisch-raetischen Limes. Die Kaserne für eine kleine Einheit römischer Hilfstruppen dürfte um 165 nach Christus entstanden sein. Es spricht viel dafür, dass die Soldaten mit Lastkähnen über die obere Donau und die Altmühl mit Ausrüstung und Nahrungsmitteln versorgt wurden.

Der geplante Bootstyp "Lusoria" ist aber kein Flussfrachter, sondern ein 18 Meter langes Patrouillen- und Transportboot für 20 bis 22 römische Soldaten. Dieser Standardbootstyp des vierten Jahrhunderts lässt sich anhand archäologischer Funde und schriftlicher Quellen vergleichsweise gut rekonstruieren, weshalb ihn die Projektleitung vorgeschlagen hat.

Lusoria bedeute "tänzelndes Boot", erklärt Dreyer, der das deutsche Teilprojekt leitet. Dieser Anflug von Leichtigkeit wird auch in dem Bootsnamen sichtbar, den der Althistoriker gleich mit mehreren Bedeutungen aufgeladen hat.

"Danuvina alacris" knüpft an die Tradition weiblicher Schiffsnamen an. "Alacris" lässt sich mit munter, aufgeregt, freudig oder auch eifrig übersetzen und spricht damit die Emotionen an, die mit dem Projektnamen "Living Danube Limes" und dem lebendigen "Nachspielen" von Geschichte verbunden sind.


Römerboot der FAU auf Naab und Donau im Test


Der Wortstamm Ala (lat. Flügel) deutet auf die gleichnamige Reitereinheit der römischen Kaiserzeit hin. Teilberittene Hilfstruppen waren nachweislich in der Nähe des Kastells Gunzenhausen stationiert. Danuvius war der lateinische Name der Donau.

Für Boris Dreyer bietet der Typ Lusoria gute Vergleichsmöglichkeiten für seine experimentalarchäologischen Forschungen. Bei Fragen der Bemalung, dem Einsatz der Riemen und der Funktionsweise der Ruderanlage werden neue Erkenntnisse über die römische Schiffsbautechnik erwartet. Beide Bootstypen sollen mit Rah-, Lateiner- und Sprietsegel getestet werden.

Die "Danuvina" folgt der gallo-römischen Bautradition. Der Rumpf besteht aus 2,5 Zentimeter dicken Eichenplanken, die durch circa 4000 Eisennägel verbunden sind. Anders als bei der mediterran geprägten FAN sind weder Holznägel noch Nut- und Federverbindungen nötig. Wegen der schlankeren Bootsform müssen die Planken nicht so stark gebogen werden.

Besucher können die Arbeiten beobachten

Die Finanzierung von Transport und Unterhalt beider Boote sei nun nachhaltig gesichert, erklärt Dreyer. Nach zweijähriger Odyssee bekomme die FAN damit endlich einen "Heimathafen", sie werde aber weiterhin auch auf dem Dechsendorfer Weiher zum Einsatz kommen.

Die Stadt Gunzenhausen hatte sich bereits für den Bau einer Bootshalle eingesetzt, bevor Dreyer das EU-Projekt an Land ziehen konnte. Sie kann nun im Herbst mit finanzieller Hilfe der Sparkasse Gunzenhausen und des Bezirks Mittelfranken am Schlugenhof verwirklicht werden. Die Halle wird zehn mal zwanzig Meter messen und bietet Platz für zwei Römerboote. Große Fenster gestatten Besuchern Einblick in die Arbeiten. "Wir sehen das von der touristischen Seite", sagt Karl-Heinz Fitz, der Erste Bürgermeister von Gunzenhausen. "Im Sommer liegen die Boote gut sichtbar am Steg und im Winter in der Halle."

Sobald die Bodenplatte fertig ist, wird die "Danuvina" auf Kiel gelegt. Die ehrenamtlichen "Bootsbauer", die zum Großteil schon beim Bau der FAN in einem Zelt auf dem Uni-Sportplatz in Erlangen mitgemacht haben, werden sich über die winterfeste Arbeitsstätte freuen.

Überhaupt wird vieles anders sein. Dreyer plant die Errichtung eines römischen Heerlagers mit Feuerstelle und Schmiede, umzäunt von einer Palisade. Mitglieder eines neu zu gründenden Vereins, die das Lagerleben nachspielen, sollen die Werft beleben. Beim Bootsbau werden originalgetreue Repliken römischer Werkzeuge zum Einsatz kommen.

Für die authentische Herstellung dieser Werkzeuge hat Dreyer den Kunstschlosser Thomas Hürner aus Cadolzburg mit ins Boot geholt. Einige Hämmer, Zangen, Äxte, Beile, Zieheisen, Stechbeitel, Sägeblätter und viele Eisennägel sind bereits von Hand geschmiedet.


Das Römerboot der FAU ist am Rothsee angekommen


Die Bayerischen Staatsforsten organisieren das Bauholz, verschiedene Uni-Akteure stellen ihr sportmedizinisches, strömungstechnisches oder materialwissenschaftliches Wissen zur Verfügung. Geologen werden bei Gunzenhausen den Verlauf der Altmühl zur Römerzeit erforschen.

Die Gesamtleitung des mit rund 3,2 Millionen Euro geförderten EU-Projekts hat die Althistorikerin Anna Maria Kaiser vom Zentrum für Kulturgüterschutz der österreichischen Donau-Universität Krems übernommen. Sie koordiniert die Teilprojekte 18 weiterer Institutionen aus allen Anrainerstaaten der Donau. Im Sommer 2022 besuchen die Danuvina und die FAN auf einer sechsmonatigen Donaufahrt die anderen Projektpartner.

Am Donnerstag, den 24. September, ab 14 Uhr ziehen römische Legionäre, Schmiede und Bootsbauer auf den Bauplatz am Seezentrum Schlungenhof in der Seestraße 17 in Gunzenhausen und führen dort ihr Können vor. Besucher können sich als Freiwillige für den Bootsbau und die Legion eintragen lassen. Die Veranstaltung findet im Freien statt.

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