"Impfen macht frei" bei Demos in Franken: Ministerium besorgt über Juden-Hass

Tobi Lang

Online-Redakteur

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27.5.2020, 16:07 Uhr

Die Teilnehmer der Corona-Demos, die seit Wochen auch in Franken stattfinden, haben oft einen Hang zur Symbolik. Anonymous-Masken gehören genauso zum Porfolio wie Verweise auf eine Neue Neueweltordnung oder Bill Gates, den Strippenzieher der vermeintlichen Verschwörung. Immer wieder schlägt all das auch in Antisemitismus um. Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Bayern (RIAS) hat mehrere Fälle gesammelt, listet sie penibel in Monitoring-Berichten auf. Juden-Hass und antisemitische Botschaften gehören "zum Grundrauschen", so die Verantwortlichen der Organisation, die derartige Vorfälle sammelt.

"In Nürnberg wurde ein Schild mit der Aufschrift “2020=1933” gezeigt", heißt es etwa in einem Bericht zu den Demos von vor zwei Wochen, eine Anspielung auf die Machtergreifung der Nationalsozialisten vor dem Zweiten Weltkrieg. Eine Woche zuvor habe ein Teilnehmer einen gelben Stern mit der Aufschrift "nicht geimpft" getragen, immer wieder stand auf den Ansteckern auch "Impfen macht frei". "Damit stellen sich die TrägerInnen selbst als vermeintliche Opfer in eine Reihe mit den verfolgten und ermordeten Jüdinnen und Juden und verharmlosen damit die Schoah", so die RIAS. Meistens, so die Einschätzung der Experten, werden solche Botschaften nicht von den Organisatoren der Demos verbreitet, sie seien aber Teil des Protestes. 

Minister: "Für Antisemitismus keinen Platz in Bayern"

Jetzt reagiert auch das bayerische Justizministerium. "Mit solchen Aktionen werden die Infektionsschutz-Maßnahmen von Bund und Ländern auf unerträgliche Weise mit dem Nationalsozialismus und der Schoah verglichen und sogar gleichgesetzt", sagt Ressort-Chef Georg Eisenreich (CSU). Die Verbreitung solcher Verschwörungstheorien könne zum Nährboden für neue Straftaten werden. "Für Antisemitismus gibt es keinen Platz in Bayern."


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Bayern reagiert mit einem neuen Leitfaden, der antisemitische Straftaten aufdecken soll. Ziel sei ist es, Anhaltspunkte für eine judenfeindliche Motive aufzuzeigen und gerade Staatsanwälten im Freistaat so die Arbeit zu erleichtern. "Das können Codes oder Jahrestage sein, die für Neonazis von Bedeutung sind", sagte Eisenreich.

Derweil teilt das Ministerium mit: Die Zahl der Straftaten gegen Juden in Bayern steigt. Allein im Freistaat habe es im vergangenen Jahr 300 antisemitisch motivierte Vorfälle gegeben. Im laufenden Jahr seien 81 Hatespeech-Verfahren wegen Posts im Netz eingeleitet worden.

Die antisemitischen Vorfälle bei den Corona-Demos seien ein neuer Aspekt - dabei bezieht sich das Ministerium ausdrücklich auf die RIAS-Monitoring-Berichte. Im Kampf gegen Antisemitismus halte ich das Miteinander von drei Vorgehensweisen für notwendig: Die gelebte Solidarität mit Jüdinnen und Juden, die Prävention und Bildung gegen Antisemitismus sowie die Verfolgung von Straftaten", sagt der Beauftragte der Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, Ludwig Spaenle. "In Bayern erlebe ich, dass Polizei und Justiz Antisemitismus mit Nachdruck entgegentreten."

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