Kein Corona-Testergebnis: Betroffene warten eine Woche in Quarantäne
15.9.2020, 16:12 UhrManu A. lebt erst seit Kurzem in Nürnberg. Der 24-Jährige fühlte sich am vergangenen Donnerstag krank und ließ sich zur Sicherheit auf Corona testen. Da er noch keinen Hausarzt in der Stadt hat, entschied er sich für eine Praxis, die mit Testergebnissen innerhalb von 24 bis 48 Stunden warb. Sein negatives Ergebnis bekam er allerdings erst nach fünf Tagen durch einen Anruf seines Hausarztes mitgeteilt. Über die Corona-Warn-App wurde er bis heute nicht informiert. Die Wartezeit musste Manu A. in Quarantäne verbringen.
Verdacht auf Corona: Wer sollte sich testen lassen?
Diese Geschichte ist kein Einzelfall; es ist eine Pannen-Geschichte auf vielerlei Ebenen. Ärzte berichten von einem bürokratischen Chaos und überforderten Laboren.
Nur ein Fünftel wurde über die App informiert
Dr. Matthias Ott, Allgemeinmediziner aus Altdorf, führte in der letzten Ferienwoche knapp 300 Reihentests bei Lehren durch. Die Ergebnisse sollten sie über die Corona-Warn-App erhalten. Doch da auch nach mehreren Tagen nur knapp 20 Prozent der Getesteten ihren Befund erhielten, musste der Arzt die Übrigen händisch an die Lehrkräfte weitergeben.
Zuständig für die sogenannten PCR-Tests aus Altdorf war das Synlab-Labor in Weiden. Der deutsche Labor-Gigant mit über 19.000 Mitarbeitern verarbeitet mit etwa 80.000 Tests pro Woche beinahe ein Fünftel aller wöchentlichen Test-Abstriche in Deutschland.
Das Unternehmen verwendet nach eigenen Angaben zur Übermittlung der Befunde eine selbstentwickelte App. Und darin sieht Matthias Ott eine mögliche Ursache des Problems: "In den letzten Monaten wurden die Übermittlungsformulare der Test-Proben oft über den Haufen geworfen und wir haben ständig neue Formulare. Da die QR-Codes auf unseren aktuellen Formularen offenbar alles andere als einwandfrei funktionieren, gehe ich davon aus, dass die Schuld bei dem neuen System der Labore liegt."
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Synlab gibt zwar auf Anfrage an, dass Befundergebnisse an die Gesundheitsämter und das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) übermittelt werden, dennoch erhalten viele Patienten keine Benachrichtigung über die offizielle Warn-App. In manchen Fällen wurden die Ärzte gar nicht über die Existenz der Synlab-eigenen App informiert. Das LGL berichtete nordbayern.de, dass dem Landesamt eine solche App ebenfalls nicht bekannt sei.
Auch Hausarzt Dr. Sven Heidenreich, ebenfalls aus Altdorf, klagt über nicht hinnehmbare Wartezeiten auf Laborbefunde. "Auch ich hatte erste Fälle, bei denen erst nach sechs bis sieben Tagen die Testergebnisse vorlagen", berichtet Heidenreich. Die Hausärzte gehen davon aus, dass die Labore aufgrund der enormen Anzahl der aktuellen Tests überfordert sind. Schuld daran sollen mitunter Tests an Personen ohne Symptomen sein. Die von Ärzten als "Söder-Abstriche" verschimpften freiwilligen Testungen nehmen zu viele Kapazitäten in Kauf. "Söders Reihentests für Jedermann sind absolut nicht zielführend und medizinisch nicht sinnvoll", klagt Heidenreich. Auch Ott kritisiert das Verfahren: "Epidemiologisch sind symptomatische Tests wesentlich wichtiger. Diese Tests müssen möglichst schnell und zuverlässig bearbeitet werden. Doch wenn Labore aufgrund dieser Jedermann-Tests an ihre Kapazitätsgrenzen gelangen, dann läuft etwas enorm falsch."
Nachdem am Leibniz-Gymnasium in Altdorf die zwölfte Jahrgangsstufe aufgrund eines infizierten Schüler in Quarantäne musste, soll Dr. Heidenreich nun die über 100 betroffenen Schüler testen. "In meinem Labor scheint mittlerweile beinahe nichts mehr zu gehen", so der Hausarzt. "Dem Labor gehen die Utensilien aus. Wenn da kein Nachschub kommt, dann könnten die Tests mehrere Wochen dauern."
Material-Engpässe sorgen für lange Wartezeiten
Das LGL gab auf Anfrage an, dass aktuell durch die vergleichsweise hohe Anzahl von Testungen Verzögerungen bei der Übermittlung der Ergebnisse nicht ausgeschlossen sind. Das liege zum einen an Lieferengpässen von Laborutensilien und Reagenzien, zum anderen aber auch an verspäteten Meldungen durch die Labore selbst.
Synlab berichtet, dass die Analyse von Abstrichen in ihren Laboren weit skalierbar sei. Es könne jedoch zu kurzfristigen Engpässen kommen. Aufgrund ebendieser Engpässe hielten die Altdorfer Allgemeinmediziner es für sinnvoll, wenn Labore nur eine begrenzte Anzahl von Tests annehmen dürften. "Für schnelle Testergebnisse brauchen wir eine Annahme-Obergrenze für die Labore", fordert Ott. Das Unternehmen Synlab sieht jedoch keinen Bedarf für eine solche Obergrenze, nimmt damit erneute Kapazitätsengpässe in Kauf.
Ministerpräsident Söder verkündete vergangene Woche, dass die bayerische Teststrategie "voll funktioniert" hätte. Das lange Warten auf Befunde lässt daran jedoch zweifeln. Der Altdorfer Allgemeinmediziner Ott verweist in dieser Hinsicht auf neue Erkenntnisse von Infektiologen. Diese besagen, dass ein fünf bis sechs Tage alter Test sinnlos sei, da er keine Aussagekraft habe.
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