Klinikchef Nawratil hat Zahlen offenbar bewusst manipuliert
26.5.2018, 05:40 UhrDie Folie, die Helmut Nawratil bei einer Mitarbeiterversammlung im April 2016 vorlegte, sagt eigentlich alles. Der Verlauf des Strahls für den Umsatz des Erlanger Zentrums für Neurologie und Neurologische Rehabilitation (ZNR) verläuft über Monate hinweg fast konstant, der des Personalaufwands zeigt mit leichten Schwankungen nach oben. Aber die Erträge, sie führen kontinuierlich ins Minus. Den Grund für diese besorgniserregende Entwicklung verschweigt die Grafik.
Tatsächlich sind die Erträge am ZNR nämlich stetig nach oben gegangen. Das weist eine unserer Zeitung vorliegende offizielle Grafik aus. Die hielt Nawratil damals allerdings geflissentlich zurück, genauso wie eine andere Tabelle, die zeigt, was die Ertragslage der Erlanger Einrichtung eigentlich so belastet.
Auf der ist zu erkennen, dass die sogenannten Materialkosten gegen Ende 2015 plötzlich ungewöhnlich steil nach oben gingen. Hinter diesen Kosten verbergen sich nicht nur Ausgaben für Spritzen oder Verbandsmaterial, sondern auch eine Umlage. Die erhebt die von Nawratil geleitete Klinikzentrale für allgemeine Ausgaben.
Nawratil wollte kritischen Geist loswerden
Diese vom Klinikvorstand persönlich getroffene Auswahl des Zahlenmaterials hatte offenbar nur einen Grund. Der damalige ZNR-Chefarzt Dr. Detlef Kohl und die Arbeit seiner Abteilung, immerhin eine der großen Neurologie-Einrichtungen Bayerns, sollte in ein möglichst schlechtes Licht gerückt werden. Kohl hatte es gewagt, an der Politik Nawratils Kritik zu üben, die oft zu Lasten der Patienten und der Mitarbeiter vor allem auf Rendite ausgerichtet sei. Diesen kritischen Geist wollte er loswerden.
Das gelang Nawratil am Ende auch. Der Entlassung des Chefarztes hatten die Mitglieder des Verwaltungsrates, des Gremiums, das den Vorstand kontrollieren soll, schließlich zugestimmt. Kaum hatte Kohl seinen Posten verloren, besserten sich die Zahlen wieder. Einzelne Verwaltungsratsmitglieder waren von Anfang an misstrauisch, die Zahlenspielerei konnten sie damals aber nicht durchschauen. Das ist bis heute so.
Seit Anfang Mai liegen bei Bezirkstagspräsident Richard Bartsch (CSU) nun Anträge von SPD und Grünen, die endlich Aufklärung fordern. Nur Peter Daniel Forster, Vorsitzender der CSU-Mehrheitsfraktion im Ansbacher Bezirkstag und Verwaltungsratsmitglied, sieht dafür keine Veranlassung. Er schweigt zu der Problematik. Und die Pressestelle der Bezirkskliniken sieht sich gegenwärtig nicht in der Lage, den Nebel etwas zu lichten, den Helmut Nawratil offenbar absichtlich erzeugt hat.
Das Muster der gezielten Auswahl von Daten, dort, wo es dem Image des Vorstands als Macher nutzt, und der Schönfärberei erkennen Insider auch an der 97-seitigen "Mangementbewertung" des Klinikums am Europakanal in Erlangen für das vergangene Jahr. Zu ihm gehört auch das ZNR.
In diesem Bericht geht es zum Beispiel um die Patientenzufriedenheit. Nach den Prozentzahlen ist die fast durchgehend in allen Bereichen beachtlich hoch. Widmet man sich allerdings der Zahl der Bögen, die Patienten nach ihrer Entlassung ausgefüllt haben, zeigt sich, wie wenig aussagekräftig das ist.
Auf einzelnen Stationen gab es nämlich einen äußerst spärlichen Rücklauf. Wie aus den Unterlagen ersichtlich ist, gingen bei 55 Entlassungen aus der Klinik zum Beispiel nur 15 ausgefüllte Bögen zurück. Manchmal ist das Verhältnis 68 zu 14, dann wieder nur 75 zu 3 oder 129 zu 9. Da lässt sich die Zufriedenheit schnell auf 90 Prozent bringen.
Keine neutrale Erhebung
Ein Kenner der Abläufe spricht von der Gefahr, dass Klinikpersonal oder Stationsleitung solche Bögen gleich selbst positiv ausfüllen, um gar nicht erst unter Druck zu geraten. Und der steigt unter Nawratils Führung.
Das gilt auch für den Krankenstand. "Wert ist zu hoch" steht trocken in dem Bericht. Und als Zielvorgabe: "Senkung auf 8 Prozent." Mit den Ursachen der vielen Krankmeldungen hält sich die "Managementbewertung" nicht mit einem Wort auf. Auch hier haben Insider erlebt, "dass viel schöngeschrieben und positiv gefärbt wird". Wer offen und ehrlich Zahlen nennen würde, wäre nicht lange auf seinem Posten. Schließlich würden die Daten von keiner neutralen Institution erhoben. Von einem "internen Kennzahlenwahnsinn" und "interessengesteuerten Erhebungen", ausgerichtet auf Helmut Nawratils Wünsche, wird gesprochen.
Als bezeichnend für dessen Haltung zur nach wie vor hohen Zahl von Mitarbeitern, die das Kommunalunternehmen verlassen, gilt eine Formulierung aus dem Bericht zu dieser Fluktuationsrate: "Gesunder Klärungsprozess der Perspektive einzelner Mitarbeiter." So kann man es auch ausdrücken, wenn meist fähige Mitarbeiter der Bezirkskliniken gehen, weil sie unzufrieden sind. "Maßnahmen: keine", "Ressourcen: keine", heißt es zu diesem Punkt in dem Bericht.
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