Podcast mit Prof. Heinrich Oberreuter

Kommt die CSU in der Normalwelt der Parteien an?

Matthias Oberth

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5.10.2023, 15:48 Uhr
Politikwissenschaftler Prof. Heinrich Oberreuter war zu Gast im Podcast "Horch amol".

© Grafik: Stefanie Witzgall Politikwissenschaftler Prof. Heinrich Oberreuter war zu Gast im Podcast "Horch amol".

27,4 Prozent der Stimmen für die CSU bei einer Landtagswahl. Ist das überhaupt möglich? 1950 war es tatsächlich der Fall. Danach ging es jedoch steil bergauf und die Partei brauchte lange Zeit keinen Partner, um die Regierung zu stellen. Auch diese Zeiten sind längst vorbei.

Wenn die Wahlforscher richtig liegen, dann wird die erfolgsverwöhnte CSU am Sonntag, 8. Oktober, bei 36 Prozent landen und damit das zweitschlechteste Ergebnis seit ihrem Bestehen einfahren. Für den Politikwissenschaftler Professor Heinrich Oberreuter von der Universität Passau ist damit auch die CSU jetzt "in der Normalwelt der Volksparteien angekommen ist". Eine Entwicklung, die in der Vergangenheit bei den Volksparteien in ganz Europa zu beobachten gewesen sei, so Oberreuter.

Kein Abkoppeln von allgemeiner Entwicklung

Bayern sei zwar nach wie vor ein Sonderfall, dennoch könne sich der Freistaat nicht von der allgemeinen Entwicklung abkoppeln. Zwar bescheinigt Oberreuter den Parteien, sie hätten an "Reaktionsfähigkeit und Umorganisationsfähigkeit" gewonnen. Der Effekt kann die verstärkte Zustimmung zu einer Partei sein, genauso gut sind aber auch Stimmverluste möglich.

Die Parteienforschung geht davon aus, dass von dieser "Fluidität" in erster Linie neue Parteien profitieren, die in kurzer Zeit relativ hohe Ergebnisse erzielen können. Die etablierten Volksparteien werden sich darauf einstellen müssen, dass ein Ergebnis in Richtung 50 Prozent der Stimmen nicht mehr erzielbar ist.

36 Prozent ein Erfolg?

Insofern seien die 36 Prozent der CSU durchaus ein Erfolg und zeigten, dass Ministerpräsident Markus Söder im Wahlkampf auf die richtigen Themen gesetzt habe. Als "Parteiführer" habe er die Themen aufgegriffen, die die Menschen bewegen, so der Politikwissenschaftler. Viele dieser Themen sind von der Bundespolitik beeinflusst gewesen, weshalb Söders "Ampel-Bashing" durchaus seine Berechtigung hatte.

"Die Bayern können die Migrations- und Inflationsproblematik landespolitisch nicht lösen, genauso wenig wie die der sozialen Verunsicherung entgegenwirken", sagt Oberreuter. Da aber die Themen "bis ins letzte bayerische Dorf" durchschlagen, biete es sich an, darauf einzugehen, "auch wenn man nicht unmittelbar dafür zuständig ist".

Politisches Führen erforderlich

Mit Blick auf die Bundespolitik weist Oberreuter darauf hin, dass "demokratisches Regieren, immer auch mit politischer Führung zu tun" hat. Dabei kann politische Führung durchaus auch "gegen Meinungen oder gegen Mehrheitsmeinungen ausgeübt werden", so Oberreuter, dabei dürften aber die Realitäten nicht aus den Augen verloren werden.

So sei etwa das geplante Heizungsgesetz "schlicht und einfach an den Empfindungs- und Toleranzmöglichkeiten normaler Menschen" vorbeigegangen. Für einen Hubert Aiwanger oder die AfD sei es dann ein Leichtes, sich als Ansprechpartner der Bürgerinnen und Bürger zu präsentieren. Wobei klar sei, dass Aiwanger ein viel "harmloserer Ansprechpartner als die AfD ist".

Mutige Entscheidungen treffen

Generell empfiehlt Heinrich Oberreuter den demokratischen Parteien, durchaus mutig ihn ihren Entscheidungen zu sein, ohne dabei die Lebenswirklichkeit der Menschen aus den Augen zu verlieren. Wenn beispielsweise in Sachen Klimaschutz Deutschland lediglich für zwei Prozent des weltweiten CO2-Austoßes verantwortlich ist, dann sei es legitim, die Frage zu stellen, ob Deutschland mit "aktivistischen Maßnahmen" überall den Vorreiter spielen muss.

Die Diskussion um eine Deindustrialisierung oder die Angst um den Verlust des Arbeitsplatzes zeige das "spannungsgeladene Verhältnis", in dem wir uns bewegen. "Alle vernünftigen politischen Kräfte wollen die Klimaziele erreichen", so Oberreuter, aber eben "mit unterschiedlich gemessenen Schritten".

Falschmeldungen und Verleumdungen

Dass die politische Auseinandersetzung derzeit mit harten Bandagen geführt wird, ficht den Professor nicht an. "Polemische Entgleisungen" habe es in der Politik schon immer gegeben. Aber die Protagonisten zeigten ihr Gesicht und versteckten sich nicht hinter gefälschten Profilen in den sozialen Netzwerken.

"Heute haben die Leute die unsägliche Möglichkeit, sich richtig auskotzen und müssen keinerlei Respekt mehr vor irgendwem zeigen", sagt Oberreuter. Hinzu kommt, dass man sich gegen Falschmeldungen und Verleumdungen kaum wehren kann. Disziplinierungsmaßnahmen seien daher dringend erforderlich, so der Politikwissenschaftler.

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