Kostet der Kasten Bier bald neun Euro Pfand?
8.6.2019, 05:58 UhrAls die Region unter dem Hitzesommer 2018 ächzte, rief die Pyraser Landbrauerei über Facebook zum "Keller-Check" auf. "Bitte gebt eure leeren Kästen und Flaschen ab", appellierte die mittelständische Privatbrauerei aus dem Landkreis Roth an ihre Kunden. Obwohl das Unternehmen seinen Bestand massiv erweitert hatte, kam es in den heißen Monaten immer wieder zu Engpässen beim Leergut. "Im Winter sind unsere Lagerflächen voll, im Sommer aber manchmal nahezu leer", klagt Pyraser-Marketingchef Alexander Schwab.
Ein Problem, das Georg Rittmayer auch aus eigener Erfahrung gut kennt. Der Präsident des Verbandes privater Brauereien in Bayern fordert deshalb ein höheres Pfand für Kästen und Flaschen und hat schon zahlreiche Mitstreiter um sich geschart. "Es geht um die Zukunft der kleinen Brauereien und um die Biervielfalt, die wir hier in Franken haben", sagt Rittmayer, der auch Inhaber der gleichnamigen Brauerei in Hallerndorf (Landkreis Forchheim) ist.
Die teure Ersatzbeschaffung von Leergut hat sich laut Rittmayer für manche kleinere Brauerei zu einem existenziellen Problem entwickelt, denn unter anderem spiegelt das seit vielen Jahren gültige Pfand nicht mehr den tatsächlichen Wert der Mehrwegflaschen und Getränkekisten wider. "Inzwischen kostet uns ein neuer Kasten zwischen drei und fünf Euro, der Kunde zahlt aber nur 1,50 Euro Pfand dafür", kritisiert Alfred Oberlindober, Chef der Brauerei Schönram aus dem Chiemgau, die unter dem Stichwort "Jede Kiste zählt" ebenfalls schon auf Facebook Hilferufe an ihre Kunden gepostet hat.
"Regelung hoffnungslos veraltet"
Mit der gleichen Problematik haben die kleinen Brauereien bei den Flaschen zu kämpfen. Für Kronenkorken-Flaschen gilt in der Regel ein Pfand von acht Cent pro Stück, für Flaschen mit Bügelverschluss, wie sie auch die Brauerei Rittmayer verwendet, sind normalerweise 15 Cent fällig. "Im Einkauf zahlen wir für diese Flaschen aber mittlerweile 32 Cent beziehungsweise 18 Cent für normale Euro- beziehungsweise NRW-Flaschen. Die aktuelle Pfandregelung ist hoffnungslos veraltet", kritisiert Georg Rittmayer.
Für viele Kunden ist der Druck deshalb nicht besonders groß, ihre leeren Kästen zeitnah wieder zurückzubringen und so in den Mehrweg-Kreislauf zurückzuführen. Dem Hallerndorfer Unternehmer schwebt deshalb ein Pfand von acht oder neun Euro für Kasten plus Flaschen vor, um die Quote des zurückgebrachten Leerguts zu erhöhen.
Ein Vorstoß, den Udo Weingart vorbehaltlos unterstützt. "Wenn wir nicht genügend Leergut zurückbekommen, sind oft keine geordneten und effizienten Produktionsabläufe mehr möglich. Und deswegen steigen leider unsere Produktionskosten", gibt der Geschäftsführer der Stadtbrauerei Spalt zu bedenken. Im vergangenen Sommer etwa war laut Weingart der Braubetrieb tatsächlich manchmal auf Kante genäht. "Da wollten wir an einem Tag 150 000 Flaschen abfüllen, wegen des Leergut-Mangels sind es dann aber nur 110 000 Flaschen geworden", erinnert sich der Chef der mittlerweile einzigen kommunalen Brauerei Deutschlands.
Ein weiterer Punkt, der den kleinen Brauereien das Leben schwer macht, ist die immer schwieriger werdende Beschaffung von neuen Flaschen und Kästen, da es nur noch wenige Hersteller auf dem Markt gibt. "Und die nehmen bevorzugt die Aufträge der Großbrauereien an, weil die natürlich viel größere Mengen als wir bestellen", kritisiert Weingart.
Die 25 000 Biertragerl und die entsprechende Menge an Mehrwegflaschen, welche die Stadtbrauerei Spalt im vergangenen Herbst geordert hatte, sei zum Beispiel erst jetzt im Mai statt, wie ursprünglich vereinbart, im März geliefert worden. Christian Schuster wiederum, Chef der Forchheimer Brauerei Greif, hat vor einiger Zeit zwei Lastwagen-Ladungen Flaschen aus Russland gekauft und bevorratet. "Im vergangenen Supersommer war der Markt in Deutschland leergefegt", erinnert sich der oberfränkische Unternehmer.
Chaos bei der Rücknahme
Verschärft wird das Problem mit dem Leergut durch den Umstand, dass immer mehr Brauereien mit Individualflaschen arbeiten, was die Mehrfachnutzung erheblich erschwert. Wenn im Flaschenhals das Logo der jeweiligen Brauerei eingearbeitet wurde oder den Porzellankopf des Bügelverschlusses ein individuelles Logo ziert, ist das Chaos bei der Rücknahme programmiert.
Dieser Wildwuchs sorgt dafür, dass die Brauer immer mehr fremde Flaschen vom Handel zurückbekommen, die sie nicht verwenden können. Zwar gibt es Dienstleister wie ein Sortierzentrum in Coburg, das wieder Ordnung in die oft chaotisch zusammengewürfelten Kästen bringt, doch auch diese Dienste kosten die Brauereien natürlich Geld.
Georg Rittmayer ist außerdem die Praxis vieler Supermärkte ein Dorn im Auge, die auch fremdes Leergut annehmen und die Kästen im Extremfall sogar schreddern. Sein Kollege Ulrich Martin aus dem unterfränkischen Schonungen verklagte deshalb einen Einzelhandelskonzern auf Unterlassung, als der Bierkisten-Schwund in seinem Leergutlager überhandnahm, zog aber vor dem Landgericht Schweinfurt und vor dem Oberlandesgericht jeweils den Kürzeren. Inzwischen verlangt er jedoch fünf Euro Pfand für den Kasten, "denn das kostet er mich ja auch im Einkauf".
Verbandschef Rittmayer hofft nun auf den Druck von unten und dass auch die Großbrauereien bei einer einheitlichen Pfanderhöhung mitmachen. Vielleicht sperrt sich aber auch mancher Konzern und nutzt sein niedrigeres Pfand als Marketinginstrument, befürchten manche Kleinbrauer. "Das ist ein ganz sensibles Thema, denn natürlich muss der Kunde erst einmal mehr bezahlen", erklärt Udo Weingart. Das Geld fürs Pfand sei natürlich nicht weg, doch mancher Verbraucher denke in diesem Moment vielleicht gar nicht daran und gebe dann dem scheinbar preiswerteren Konkurrenzprodukt den Vorzug.
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