Museum Industriekultur
Museum Industriekultur: Wie geht es nach dem Kulturhauptstadt-Aus weiter?
12.6.2021, 11:57 UhrAuch nach diesem Artikel wird es wohl so kommen. Immer wenn in der Zeitung etwas über Umbaupläne für ihr Haus stehe, sagt Monika Dreykorn, bekomme sie danach Zuschriften und Anrufe. Ob denn die Motorräder bitte bleiben. Das scheint die einzige Sorge zu sein. "Die Motorräder", sie muss lächeln und etwas seufzen, "dürfen schon bleiben. Aber nicht an dieser Stelle und in dieser Breite."
Monika Dreykorn leitet das Museum Industriekultur, einen Ort, der vom modernen Menschen und seinem Alltag erzählt. Man könnte glauben, dass der Mensch ihn auf der Straße verbringt. Denn der Komplex auf dem Tafelwerk-Gelände in St. Jobst begrüßt einen ausgerechnet im ersten Raum mit einem langen Spalier aus Nürnberger Zweirad-Fabrikaten. "Stattdessen bräuchten wir hier eine Einführung ins Thema. Es ist nicht so ganz klar, was das Museum eigentlich erzählt, obwohl jeder Besucher dann irgendwie doch glücklich wird."
Versprechen aus der Kulturhauptstadt-Bewerbung
Dreykorn und ihre zwei Mitarbeiter haben im Corona-Winterschlaf abschließend ihre Ideen sortiert, wie hier nach fast 35 Jahren sinnvoll aufgeräumt werden könnte. Das 1988 eröffnete Haus, das zu den städtischen Museen gehört, ist zuletzt aus dem Blickfeld des Publikums geraten. Nach den Rekordjahren 2004 und 2006 mit der Terrakotta-Armee und der Bayerischen Landesausstellung erzielte es zwar weiter stabile Besucherzahlen (zuletzt 45.000 Besucher 2019), aber Stadtgespräch war es kaum noch.
Um es zu adeln, hob das Rathaus es in der Endrunde für die Wahl zur Kulturhauptstadt Europas im Bewerbungsprogramm hervor. Als einer von vier Entwicklungsorten für Kultur war es benannt, für das Thema "Arbeit heute und morgen". Die Modernisierung bis zum Jahr 2025 wäre im Fall des Titelgewinns eine Selbstverpflichtung gewesen.
Doch Kulturhauptstadt wird jetzt Chemnitz. Die 10,9 Millionen Euro, die das Bewerbungsbüro dem Museum zugeordnet hatte, waren eben nur eine gedruckte Zahl. Bedauerlich für Dreykorn. "Wir hatten uns so gefreut, es wäre ein großer Wurf geworden. Das ist ein Wahnsinnsthema für Nürnberg, die Industrialisierung prägt die Stadt bis heute an jeder Ecke."
Der Ausbau der vier Kulturorte aus der Bewerbung (neben der Industriekultur das Haus des Spiels, die Feuerwache 1 und die Kongresshalle) ist trotz Corona-Flaute in der Stadtkasse nicht vom Tisch, sondern eine Hängepartie für den Stadtrat.
Mehrheitsfraktionen im Stadtrat legen sich nicht fest
Nach ihren Beratungen mit dem Kämmerer im Frühjahr halten die Stadtratsfraktionen von CSU und SPD bis auf Weiteres an den Kulturgroßprojekten fest. Aber: "Was wir uns leisten können, müssen wir im Herbst bei den Haushaltsberatungen besprechen", sagt Michael Ziegler, kulturpolitischer Sprecher der SPD. Investitionen in den Bestand erscheinen ihm dabei naheliegender, als neue Standorte aufzubauen. Er sagt auch: "Ich persönlich brenne für das Museum Industriekultur. Es war eines der Herzensthemen unseres legendären Kulturreferenten Hermann Glaser – ein sozialdemokratischeres Museum ist ja nicht denkbar."
Kerstin Böhm, die CSU-Kultur-Sprecherin, bekennt sich auch vorsichtig optimistisch zur hohen Priorität. "Uns ist sehr wichtig, dass hier etwas getan wird. Es wäre schade, den Zeitpunkt jetzt verstreichen zu lassen."
Nürnberg will Millionen in Kultur und Freizeit investieren
Also kämpft die Museumsleiterin weiter für ihren Plan einer "Teilneukonzeption", wie sie es nennt. Sie hofft auf die Lösung über den Umweg des Brandschutzes. Eine Brandschutzsanierung der denkmalgeschützten ehemaligen Fabrikhallen ist Pflicht. Schon seit zehn Jahren plant die Stadt daran. Die Baugenehmigung dafür liegt seit 2020 endlich vor. Für ein Jahr muss das Museum während der Arbeiten also demnächst schließen. Da wäre es naheliegend, auch die Dauerausstellung zu überarbeiten. Oder vielmehr: "Es wäre Irrsinn, nach der Schließung wieder alles so einzuräumen wie zuvor", sagt Monika Dreykorn. Im Moment wartet sie auf erste Vorschläge eines Gestaltungsbüros, mit denen sie den Stadträten einen Vorgeschmack geben könnte.
Rasenmäher trifft Schiffsmodell
Die Oldtimer-Fans müssten sich jedenfalls nicht sorgen, beruhigt die Chefin. "Ich liebe dieses Museum. Ich will hier nichts wegschmeißen, sondern ergänzen und die Geschichten zum Blühen bringen." Beim Rundgang spricht sie in der Tat liebevoll von "unserem zugewucherten Garten". Immer mehr Themen wurden mit den Jahren angebaut.
Das führte stellenweise zu einem unentschiedenen Miteinander. Rasenmäher trifft Schiffsmodell trifft Mikroskop trifft Spielekonsole. Aber was das Bemerkenswerte an den Gerätschaften ist, erfährt man oft gar nicht. "Begehbares Magazin" nannten die Mitarbeiter der ersten Stunde das Prinzip Masse seinerzeit. Klingt drollig, war aber nur Ausdruck des städtischen Geldmangels der Anfangsjahre, und dann blieb es einfach dabei.
Der regionale Wirtschaftsumbruch nach den Schließungen von Grundig, Triumph Adler, AEG und Quelle ist noch nicht erzählt, zählt sie auf. Etwas mehr Tageslicht bräuchte es. Einen Seminarraum für Gruppen. Und mehr Menschen-Geschichten: Die jüdischen Unternehmer, die Arbeiterführer und Sozialistinnen des "roten" Nürnberg treten bisher nicht in Erscheinung. "Klar, in den 1980er Jahren war es modern, Geschichte in Strukturen und nicht anhand von Köpfen darzustellen." Ach ja, und ein Multimedia-Führer wäre nicht schlecht.
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Was aus Sicht der Historikerin bleiben kann: die nostalgische Themenstraße mit den Kulissen für beispielsweise ein Klassenzimmer, Läden, eine Druckerei und eine Küche aus dem frühen Industriezeitalter. "Diese Inszenierungen verbinden die Besucher mit unserem Museum. Aber wir wollen sie künftig schneller in die Jetzt-Zeit führen."
Am inhaltlichen Stellenwert hat Dreykorn keinen Zweifel. "Aus der Industriekultur sind so viele Themen hervorgegangen, die uns heute auf den Nägeln brennen: Strukturwandel, Klimawandel, Globalisierung, Homeoffice zum Beispiel." Das Haus werde immer ein "Objektmuseum" bleiben. Aber aufpoliert könne es "ein hervorragender Ort für die Diskussionen der Gegenwart werden. Ein Museum, das sich einmischt, sage ich immer".
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