Verwaltungschef Jürgen Müller hat viel zu erzählen
Feuer, Hochwasser und Plastiktüten voller Geld: 37 Jahre im Fränkischen Freilandmuseum
31.8.2021, 09:10 Uhr
Abschied nach mehr als 37 Jahren: Jürgen Müller hat am 31. August seinen letzten Arbeitstag als Verwaltungsleiter des Fränkischen Freilandmuseums. Ab 1. September übernimmt sein bisheriger Stellvertreter Reinhold Werner seine Aufgaben. Der Bezirk Mittelfranken, für den der Diplom-Verwaltungswirt Müller seit Mai 1984 tätig ist, und das Museum werden ihn am 24. September offiziell verschieden. An diesem Tag beginnt für den 62-Jährigen die Freistellungsphase der Altersteilzeit, ehe er am 1. Juli 2023 endgültig in den Ruhestand treten wird. Im Gespräch mit der WZ plauderte Müller vorab ein wenig aus dem Nähkästchen und erinnerte dabei an die eine oder andere ungewöhnliche oder kuriose Begebenheit aus seiner jahrzehntelangen Tätigkeit.
Ein Mäzen mit Plastiktüte
Unauslöschlich in Jürgen Müllers Gedächtnis eingebrannt hat sich der Mäzen mit der Plastiktüte. Es geschah an einem Morgen in den 1990er-Jahren, als ein Mann aus dem Raum Stuttgart mit dem Museum Kontakt aufnahm und um Baupläne einiger Häuser bat. Der Grund: Er wollte Miniatur-Nachbauten für seine Modelleisenbahn bauen, weil ihm die Gebäude so gefielen. Der damalige Museumsleiter Professor Dr. Konrad Bedal erfüllte ihm den Wunsch und bald schon zierten rund zehn Modelle fränkischer Häuser einen schwäbischen Eisenbahnkeller.
Einige Zeit nach den ersten Kontakten besuchte der Mann an einem Wochenende erneut Bad Windsheim und nahm bei Ickelheim an einer Mittelwald-Führung mit Konrad Bedal und der Museums-Ökologin Renate Bärnthol teil. Dass er mit einer Plastiktüte unterwegs war, verwunderte maximal ein wenig.
Der Knaller folgte am Montagmorgen in der Aumühle, dem Verwaltungsgebäude des Museums. Dort erschien der ältere Herr im Büro von Jürgen Müller. Er forderte diesen auf, sich hinzusetzen, zückte seine Plastiktüte, griff hinein und blätterte 200 000 Mark in Tausender-Scheinen auf den Schreibtisch, verbunden mit der so knappen wie präzisen Aufforderung: „Nachzählen!“ Er vermache das Geld dem Museum als Barspende, erklärte der Mann aus dem Raum Stuttgart seinem völlig perplexen Gegenüber.
Damit nicht genug, kam der Gönner mit der Tüte in den darauffolgenden Jahren noch zwei weitere Male und schenkte dem Museum insgesamt 450 000 Mark. Das Geld wurde für den Wiederaufbau des Bauernhauses aus Kleinrinderfeld verwendet, erinnert sich Jürgen Müller.
Das Katzenhaus des Museums
Derlei blieb bislang einmalig, doch bekommt das Museum immer wieder verschiedenste Dinge angeboten – von Geräten aus Land- und Hauswirtschaft bis hin zum Hängebauchschwein. Viele potenzielle Spender denken, das Museum sei zuständig, das Museum nehme es und im Museum sei es gut aufgehoben, sagt Müller. Auch wenn dies ein Ausdruck der Wertschätzung der dort geleisteten Arbeit sei, müsse man in der Praxis viele gut gemeinte Offerten ablehnen, allein schon aus Kapazitätsgründen. Doch es gibt sie bis heute, die Gaben, welche exakt in eine Sammlung passen und dort Bestandslücken schließen – so wie jener selbstgebaute Traktor aus den späten 1940er-Jahren, der wie berichtet seit kurzem zum Fuhrpark zählt.
Und manchmal gibt es auch das eine nicht ohne all die anderen, so wie im Falle des Bauernhauses aus Zirndorf, auf welches das Museum ein Auge geworfen hatte. Weil das Haus seit vielen Jahren leer stand, hatten sich dort unzählige Katzen einquartiert. Die Tiere wurden von etlichen Leuten gefüttert und eben diese „Katzenschutzgemeinschaft“ wollte es nicht hinnehmen, dass das Gebäude einfach abgetragen würde, erzählt Müller. Also wurde für einen Teil der Tiere ein neues Zuhause gesucht und gefunden, die anderen zogen kurzerhand mit ins Freilandmuseum, welches fortan und für lange Zeit ein ungeahntes Alleinstellungsmerkmal besaß: das „Katzenhaus“.
Zum Markenzeichen geworden ist längst auch das Freilandtheater. Jürgen Müller erinnert sich noch gut daran, wie 2002 „ein gewisser Herr Laubert aus Heidelberg“ anrief und ihm seine Idee, angelehnt an das Landschaftstheater im schweizerischen Ballenberg, schmackhaft machte. Der Rest ist erfolgreiche Theatergeschichte, die 2004 mit dem Stück „das fliegend schweyn“ ihren Anfang nahm und bis heute Jahr für Jahr fortgeschrieben wird.
Von Anfang an dabei
Als Jürgen Müller 1984 zum Freilandmuseum kam, stand dessen Aufbau noch ganz am Anfang. Ein gutes Dutzend Gebäude war über das Areal verstreut, heute zählt es über 150 Bauwerke, davon mehr als 110 Häuser. Es gab die Museumskirchweih rund um das Wirtshaus am Eingang, Sommerfest und Adventssingen, heute bilden – abgesehen von der Zeit der Corona-Pandemie – mehr als 80 große und kleine Veranstaltungen das Jahresprogramm. Die Zahl der Mitarbeiter wuchs von zwölf im Eröffnungsjahr 1982 auf mehr als 120 „Köpfe“, die heute bei zugrunde gelegten 56 Vollzeit-Planstellen im Freilandmuseum mitsamt seiner Baugruppe Stadt und im Museum Kirche in Franken in der Spitalkirche beschäftigt sind.
Entsprechend wuchs der Etat des Museums mit, von 1,58 Millionen Euro im Jahr 1984 auf zuletzt 6,33 Millionen Euro. Die jährlichen Besucherzahlen haben sich von anfangs knapp 100 000 in etwa verdoppelt. Allein an vier Tagen des Jahres 2011, als die Bayerische Versicherungskammer ihr 200-jähriges Bestehen feierte, strömten 45 000 Menschen auf das Gelände. All dies und noch viel mehr hat Jürgen Müller miterlebt und mitentwickelt.
Zu den Tiefpunkten seiner 37 Jahre im Museum zählt für Müller der Brand des Eingangsgebäudes mit dem „Wirtshaus am Freilandmuseum“. Im einstigen Gasthaus „Zur Krone“ aus Oberampfrach, seinerzeit als erstes Museumsgebäude eröffnet, brach kurz vor Weihnachten 2003 ein Feuer aus, der Schaden war beträchtlich, wurde aber erfolgreich behoben. Daneben gab es kleinere Brände und eine Serie von Fehlalarmen in einer Neujahrsnacht für den Alten Bauhof ebenso wie Überschwemmungen im südlichen Museumsareal – die bislang folgenschwerste erst am 9. Juli dieses Jahres, aufgrund derer die Eröffnung des Badhauses aus Wendelstein abermals verschoben werden musste.
Als das Badhaus absoff
Woran er sich in den vergangenen Wochen dank Urlaubs und Zeitausgleichs bereits gewöhnen konnte, das ist für Jürgen Müller ab Mittwoch „amtlich“: Statt seiner residiert fortan Reinhold Werner in der Aumühle im Büro des Verwaltungs-Chefs. Müller blickt derweil zurück auf „eine jederzeit spannende, enorm herausfordernde, höchst interessante, absolut vielseitige Aufgabe, kein Job wie andere Berufe, sondern eine Tätigkeit, die ich immer mehr als Berufung empfunden und interpretiert habe“. Oder, kurz gefasst: „Ich habe mich mit dem Museum identifiziert.“ Egal, ob da gerade ein Mann mit Geldtüte oder ein Katzenrudel vor der Tür stand, das Wirtshaus brannte oder das Badhaus absoff.
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