Behandlung gegen Long-Covid
Kiliani-Klinik wird erweitert
24.7.2021, 00:30 UhrHämmern während eines Liedvortrages, schwenkende Kräne während der Rede von Dr. Ursula Becker, Geschäftsführerin der Unternehmensgruppe: An der Baustelle der Dr. Becker Kiliani-Klinik geht es stetig voran, wie die Verantwortlichen bei einem kleinen Fest für die 350 Mitarbeiter in Bad Windsheim berichteten.
„Das Bewegungsbad kann hoffentlich im September in Betrieb gehen und die Therapieräume im Erdgeschoss genutzt werden“, erklärte Klinikdirektorin Ursula Siebertz-Ohnesorge. Auch die Zukunft der Rehaklinik mit einer hochmodernen Station für intensivmedizinische Therapie und einem Kompetenzteam für Folgen von Coronavirus-Erkrankungen, Long-Covid genannt, waren Themen.
Etwas Besonderes
Bewegungsbecken, neue Neurologische Frühreha-Station, Therapieräume – „es ist schon etwas Besonderes, was hier passiert“, sagte Ursula Becker, die mit ihrer Mutter, Firmengründerin Marie-Luise Becker, aus Köln angereist war. Sie erinnerte an ihre erste Reise nach Bad Windsheim, nach der die Entscheidung fiel, die Reha-Einrichtung dort aufzubauen. „Hier ist es schön und hier gibt es leckeren Wein“ seien Kriterien gewesen, sagte sie mit einem Lächeln.
Die aktuelle Situation mit der Versorgung von neurologischen Frühreha-Patienten sei „nicht optimal“ gewesen. „Und das Schwimmbad war energetisch gesehen damals ein Desaster.“ Die Unternehmensgruppe sei beeindruckt „von den Ministerien in Bayern“, die Fördermittel für die Erweiterung auslobten. „So kennen wir das in NRW nicht“, sagte Ursula Becker.
Aufgrund der Verfahren habe sich der Bau aber verzögert. Im März 2020 ging es los, nun sei die Hoffnung groß, im September das Bewegungsbecken – dieses ist 190 Quadratmeter großen und dort sollen bald wieder Kurse der Deutschen Rheuma-Liga, Aquafitness und Schwimmkurse integriert werden – und Therapieräume fertigzubekommen. „Der Rest folgt nächstes Jahr, da freue ich mich aber auch schon drauf“, sagte Ursula Becker. Insgesamt würden fast elf Millionen Euro investiert. „Das ist natürlich auch ein Statement für die Zukunft des Standortes.“
Die Corona-Pandemie war Teil von Ursula Beckers Rede, vor der ein kleiner Kinderchor sang. „Mit am schlimmsten in unserer Unternehmensgruppe hat es uns hier getroffen.“ Die zeitweise Klinikschließung sei „eine der schwierigsten Entscheidungen des Jahres“ gewesen. „Das war alles schon sehr belastend für alle.“ Daraufhin sprach Ursula Becker eine „nicht so tolle Impfquote“ bei den Klinik-Mitarbeitern an. „Es geht nicht nur um Sie, es geht um ihre Familien, Angehörigen, es geht um das Unternehmen und ihre Kollegen. Bitte, bitte lassen Sie sich impfen“, sagte die Geschäftsführerin.
Den Standort der Einrichtungen Kiliani-Klinik und Vitalis Wohnpark mitten im Kurpark bezeichnete Ursula Becker als „super, richtig schön – eine grüne Oase für Patienten und Mitarbeiter“. 256 Betten gibt es aktuell in der Kiliani-Klinik, 2850 Patienten im Jahr werden im Durchschnitt behandelt: neurologische, orthopädische und neuro-onkologische sowie Menschen, die eine neurologische Frührehabilitation brauchen. Schwere neurologische Schäden nach intensivpflichtiger Erkrankung werden therapiert, ebenso Leiden nach Schlaganfall, Hüft- oder Knie-Prothesen-Operation oder chronischen Rückenschmerzen und Multipler Sklerose. Orthopädischer Chefarzt ist Dr. Martin Wick, neurologischer Chefarzt Dr. Cay Cordes. Zudem werden neurologische Frührehabilitations-Patienten in 40 Akutzimmern mit Monitoring und Beatmung versorgt. Die neue Phase-B-Station umfasst 24 Betten mit höchstem Standard.
Wie Ursula Becker sagte, ist die Klinik aktuell nicht komplett belegt. Trotzdem: „Gerade ist die Stimmung relativ entspannt“, berichtet Ursula Siebertz-Ohnesorge. „Etwas unruhig sind wir aber, was im Oktober auf uns zukommen kann.“ Strengere Maßnahmen seien wieder denkbar. Covid-19 beschäftigt auch die Mediziner um Cay Cordes. Rund 130 Covid-Patienten seien in der Kiliani-Klinik bisher behandelt worden.
Und: „Studien sagen, dass etwa zehn Prozent langfristig, also länger als sechs Monate, mit den Folgen zu kämpfen haben. Die Auswirkungen sind dabei sehr vielfältig.“ Long-Covid werde in Teams mit Experten aus unterschiedlichen Bereichen behandelt. „Covid-19 ist primär eine Lungenkrankheit, mittelfristig ist aber vor allem auch das Hirn betroffen“, sagte Cay Cordes. Zu den anfänglichen körperlichen Problemen kämen Störungen von Koordination, Konzentration, Leistungsfähigkeit oder Belastbarkeit. „Es gibt Patienten, die sind ein Jahr nach der Infektion immer noch nicht arbeitsfähig.“
Cordes und Ursula Becker können sich die Bildung eines Long-Covid-Kompetenzteams in der Kurstadt vorstellen. Aber nicht nur Corona wird Reha-Aufenthalte für viele auch in der Zukunft nötig machen. Ursula Becker fordert daher von der Politik, die „hohen Barrieren, die Patienten/innen immer noch den Zugang zu medizinischen Rehaleistungen erschweren“, dringend abzubauen. Auch, damit in der erweiterten Kiliani-Klinik möglichst vielen Patienten geholfen werden könne.
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