NN-Behördencheck: Auch in Erlangen nimmt der Anspruch zu

30.8.2019, 07:36 Uhr
NN-Behördencheck: Auch in Erlangen nimmt der Anspruch zu

© Foto: Klaus-Dieter Schreiter

Laut einer Umfrage schwindet das Vertrauen der Bürger in die Behörden. In Erlangen ist das noch kein großes Problem. Doch auch hier nimmt das Anspruchsdenken bei den Kunden zu.

Herr Sitter, wenn man im Rathaus zum Bürgerservice kommt, erschrickt man über die Schlangen. Doch dann geht es meistens sehr schnell. Wie machen Sie das?

Sitter: Unser Konzept sieht vor, die ganzen Leistungen aus einer Hand anzubieten, wir versuchen, mit Fachwissen und vor allem dem notwendigen Personal, alle Bereiche abzudecken. Wenn die Bürger alle Unterlagen dabei haben und es keine sehr komplexen Fälle sind, kann man ein Anliegen meist sehr schnell abarbeiten. Unser Ziel ist eine maximale Wartezeit von rund 20 Minuten.

Reagieren Sie personell auch flexibel auf die Zahl der Besucher?

Sitter: Unter Umständen ja. Wir wissen, wann die Hochzeiten sind, etwa im Sommer, wenn die Ferienzeit losgeht und Pässe verlängert werden müssen oder auch im April, wenn sich die Studenten anmelden. Wir versuchen uns darauf einzustellen.


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Nach einer jüngsten Forsa-Umfrage, die der Deutsche Beamtenbund in Auftrag gegeben hat, halten 61 Prozent der Bürger die Behörden für überfordert. Gibt es trotz aller Vorteile in Erlangen Beschwerden?

Sitter: Es gibt sicherlich Beschwerden, aber man muss die Relation sehen. Wir bearbeiteten im vergangenen Jahr 93.000 Anliegen und die Zahl der zumindest schriftlichen Beschwerden ist weniger als zehn. Klar gibt es bei den Vorsprachen am Schalter mal ein Murren. Ich glaube aber nicht, dass die Unzufriedenheit bei uns sehr hoch oder zu hoch ist.

Wenn es Kritik gibt: Finden die Kunden dann die Wartezeit zu lang oder den Mitarbeiter zu unfreundlich?

Sitter: Eher das, oder man kommt von vornherein mit einem gewissen Aggressivpotenzial herein. Manche haben auch ein Anspruchsdenken, und das ist bei weitem gestiegen.

Treten die Kunden gegenüber städtischen Mitarbeitern aggressiver auf als früher?

Sitter: Ein bisschen schon. Gerade Kollegen, die schon 20 oder 30 Jahre die Arbeit machen, merken die Veränderung. Das ist auch nicht jeder Zweite. Aber man merkt schon dieses Anspruchsdenken, dass man mit einem gewissen Vorbehalt irgendwo hinkommt. Diese – wie ich immer sage – Amazonisierung ist schon zu spüren: Man möchte es schnell, bequem und wichtig. Das ist halt nicht immer machbar.


Liebe Leserinnen und Leser, wie sind Ihre Erfahrungen mit Behörden? Schreiben Sie an nn-leserbriefe@pressenetz.de oder übermitteln Sie uns Ihre Meinung hier in den Kommentaren.


Wie reagieren Sie darauf?

Sitter: Wir müssen uns den Gegebenheiten stellen und sehen: Das ist eine andere Generation. Sie ist nicht mehr wie die frühere, die, ich sage mal etwas übertrieben, in gebückter Haltung in die Behörde hineingeht und mit gebückter Haltung herausgeht. Das ist auch nicht das, was wir wollen. Wir sehen uns als Dienstleister, aber in einem gewissen Rahmen.

Meinen Sie damit vor allem die gesetzlichen Grundlagen?

Sitter: Natürlich, wir sind gebunden an Recht und Gesetz und können in dem Rahmen, der uns zur Verfügung steht, versuchen zu agieren, aber nicht darüber hinaus.

NN-Behördencheck: Auch in Erlangen nimmt der Anspruch zu

© Foto: Klaus-Dieter Schreiter

Ist der Ärger der Kunden größer, wenn es etwa auf dem Ausländeramt um heiklere Sachen geht als um eine Kfz-Zulassung?

Sitter: Natürlich, wenn jemand seinen Aufenthaltstitel verliert oder eine Kindesentziehung durchs Jugendamt ansteht, sind das Entscheidungen, die teilweise schon an die Existenz gehen. Bei unserem Bürgerservice haben wir nicht so kritische Fälle – wobei, wenn jemand seinen Führerschein verliert, ist auch ein gewisses Frustpotenzial der Betroffenen da.

Der Beamtenbund leitet aus der Studie die Forderung nach mehr Personal ab. Wie sieht es da in Erlangen aus?

Sitter: Der Kampf um die geburtenschwächeren Jahrgänge geht los. Dadurch, dass wir mehr Bürger haben und die Sachbearbeitung komplizierter geworden ist, ist es schon so, dass wir auf Kante genäht sind. Wir können die Aufgaben erfüllen, aber künftig muss man schauen, den Personalstand mindestens zu halten.

Die Nachwuchssuche im öffentlichen Dienst ist bisweilen schwer.

Sitter: Ja, manche Städte haben da schon jetzt große Probleme. Denn diese Jobs sind nicht so gut bezahlt, wie man vielleicht glauben möchte und wie es vielleicht den Anforderungen entsprechen müsste. Aber das ist eine Geschichte der Tarifparteien. Doch diese Bedingungen führen schon zu Unzufriedenheit. Wir haben dreimal bis 18 Uhr offen, wir haben zwar einen Schichtdienst, aber es kann durchaus sein, dass Kollegen zehn Stunden zugange sind. Wenn Sie am Tag etwa 50 bis 70 Bürger mit ihren Anliegen haben, ist das schon sehr belastend. Es ist nicht jedermanns Traumjob.

"Alles unter einem Dach und aus einer Hand": So lautet seit August 2005 das Motto des Bürgeramtes der Stadt Erlangen. Seitdem sind die Verwaltungsbereiche Einwohnermeldeamt, Passstelle, Kfz-Zulassung, Fahrerlaubnisbehörde, Wahlamt und Bürgerinformation in zentraler Lage im Rathaus zusammengefasst. Die Stadt wollte mit der Umgestaltung ihre Behörden bürgerfreundlicher und auch moderner gestalten. Die Konzeption hat sich seither ausgezahlt: So wurde das Bürgeramt in den vergangenen Jahren bereits mehrmals auch auf Bundesebene für seine Kundenfreundlichkeit ausgezeichnet.