11. Oktober 1967: Aus Unrat wird Dampf

K. E.

11.10.2017, 07:00 Uhr
11. Oktober 1967: Aus Unrat wird Dampf

© NN

Rohrleitungen und Halle gehören zur Müllverbrennungsanlage, die für rund 40 Millionen Mark auf dem Pferdemarkt aus dem Boden gestampft wird: ein rund 30 Meter hoher Koloß aus Beton und Backsteinen. Auch der Schornstein ragt schon 20 Meter aus der Erde. Im März nächsten Jahres wird er 100 Meter erreicht und ein unverkennbares Aussehen bekommen haben. Ab einer Höhe von 85 Meter öffnet er sich wie eine Tulpe.

Im Innern des Betriebsgebäudes werden zur Zeit die gewaltigen Feuerungs- und Kesselanlagen installiert. Denn im Spätherbst 1968 soll es soweit sein: Unrat verwandelt sich in nützlichen Dampf. 300 Tonnen kann täglich jeder der drei Öfen produzieren.

11. Oktober 1967: Aus Unrat wird Dampf

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Mit Hochdruck wurde in den vergangenen Monaten bei herrlichen Bauwetter an dem riesigen „Ofen“ gearbeitet, der Nürnberg mit einem Schlag von allen Müllsorgen befreien wird. Bis auf die Verbindungsbrücke ist die breite Rampe vollendet, über die die Lastwagen hinaufrollen zu den Öffnungen, durch die die Ladungen geschüttet werden. Fertig ist auch der Müllbunker, eine tiefe Wanne, in der stets leichter Unterdruck herrschen wird, damit kein übles Rüchlein an die Außenwelt dringt.

Das Dach ist schon dicht

Auch der Uneingeweihte erkennt auf der großen Baustelle überall Fortschritte. Das letzte Drittel der Garagen – sie liegen unter dem Entlade-Deck – wird in etwa 14 Tagen fertig sein. Nebenan erhebt sich bereits das Sozialgebäude mit der Kantine. Selbst das Dach der Müllverbrennungsanlage ist schon dicht. Die Arbeiter, die mit dem Einbau der Technik beschäftigt sind, sitzen im Trockenen, wenn einmal der Dauerregen beginnt.

Im Gebäude geht es zu wie in einem Ameisenhaufen. Im Gewirr der Kabel, Rohre, Treppen und Stahlträger wird montiert, geschweißt und gestrichen. Man kann in die schwarzen Höhlen der Feuerungen hineinblicken und die dreistufigen Roste betrachten. Hier verbrennt später im Betrieb der Müll bei Temperaturen zwischen 800 und 1000 Grad und schrumpft dabei auf etwas mehr als ein Zehntel seines ursprünglichen Volumens zusammen.

Darüber erheben sich die rund 24 Meter hohen Kessel. Jeder von ihnen birgt Rohrleitungen, die – über den Daumen gepeilt – zwischen 20 und 25 Kilometer lang sind. An der, dem Gaswerk an der Volkmannstraße zugewandten, Rückfront erheben sich die drei dazugehörigen Filteranlagen mit den darunter angeordneten Aschebunkern. Durch sie muß der Rauch, ehe er elektrisch gereinigt über den Schornstein ins Freie darf.

Soweit es sich bisher überblicken läßt: im August 1968 kann wie vorgesehen mit dem Probebetrieb begonnen werden. Drei Monate später sollen die drei Öfen – der Platz für einen vierten ist vorhanden – voll beschickt werden. Die Berge von Unrat, die die Männer der Müllabfuhr täglich zusammenkarren, vermodern dann nicht mehr nutzlos auf hohen Halden, sondern erzeugen – je nach Tonne Müll eine Tonne Dampf von 300 Grad Wärme – wertvolle Energie.

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