13. Dezember 1967: Finstere Hinterhöfe müssen weg

13.12.2017, 07:33 Uhr
13. Dezember 1967: Finstere Hinterhöfe müssen weg

© Kammler

Trotz dieser erfreulichen Entwicklung warnte gestern bei der Jahreshauptversammlung der Vereinigung Nürnberg-Fürther Wohnungsunternehmen im Gesellschaftshaus Gartenstadt deren Vorsitzender Hans Schmid (Fürth) davor, den sozialen Wohnungsbau zu vernachlässigen. Gerade in Nürnberg - einer Stadt, die noch 12.000 Wohnungen bräuchte - zeige sich, wie regional unterschiedlich die Sättigung des Marktes sei. Außerdem erwüchsen neue große Aufgaben bei der Sanierung der Altstadtviertel. Es sei an der Zeit, so erklärte Schmid, daß dieses Problem angepackt werde. "Wir unterstützen deshalb den Plan, Wohnungsbau und Städtebau in den Katalog der grundgesetzlich verankerten Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern aufzunehmen", fuhr der Sprecher der Unternehmen fort.

Die Nürnberg-Fürther Vereinigung hat jedoch noch einen dritten Wunsch auf dem Herzen, der mit dem Schlagwort "Gerechtigkeit für alle" überschrieben werden kann. Auf der einen Seite gibt es Familien, die für ihre "vier Wände" mehr aufwenden müssen, als ihnen nach ihrem Einkommen zugemutet werden kann. Andererseits wird es zahlreichen Familien zu leicht gemacht. Sie leben billig in guten Sozialwohnungen, obwohl sie sich schon längst teurere Räume leisten könnten.

Es wird nicht leicht sein, eine Lösung zu finden. Aber die Wohnungsunternehmen haben in dem bayerischen Innenminister Bruno Merk einen Mitstreiter gefunden,der erst kürzlich erklärt hat: "Nicht ohne Sorge registriert das Innenministerium die Einstellung mancher Interessenverbände, die glauben, die öffentliche Wohnungsbauförderung habe ihre Aufgabe erfüllt und könne abtreten. Nach wie vor sind viele auf Mieten angewiesen, die unter denen des frei finanzierten Sektors liegen."

Außerdem hat Bruno Merk - er hält in Bayern jährlich 66.000 neue Wohnungen, darunter 30.000 öffentlich geförderte, für erforderlich - darauf hingewiesen: "Wenn es gelingt, die vorhandenen Sozialwohnungen zu einem Reservoir für die Menschen zu machen, die darauf angewiesen sind, haben wir schon viel erreicht."

Außerdem ärgern sich die Wohnungsunternehmen über den Bundestagsbeschluss, dass bisher zinslos zur Verfügung gestellte staatliche Baudarlehen künftig mit vier v. H. zu verzinsen sind. "Dagegen wäre nichts einzuwenden. Unbefriedigt sind wir nur darüber, dass nur die Zinsen für solche Darlehen erhöht werden, die für den Mietwohnungsbau zur Verfügung gestellt werden. Förderungsmittel für Eigentums-Vorhaben bleiben nach wie vor zinsfrei", schilderte Hans Schmid die Lage und erklärte: "Nach dem zweiten Wohnungsbaugesetz genießen solche Eigentumsvorhaben den Vorrang, das heißt nichts anderes, als dass dafür auch die Gelder verwendet werden, die durch die Anhebung der Zinsen von Mietwohnungen eingehen. Das verstößt gegen das Grundgesetz. Wir verlangen, dass die Mittel auch wieder für den Mietwohnungsbau verwendet werden."

Trotz der vielen Probleme, die sich vor ihnen auftürmen, haben die Unternehmen aber auch Grund zur Freude. In der nordbayerischen Metropole sind 1966 erstaunliche Leistungen erzielt worden. "4.767 neue Wohnungen - 771 mehr als 1965 - konnten bezogen werden", berichtete Hans Schmid, der auch 1967 einen beachtlichen Zuwachs ankündigte. Er berief sich dabei auf den Bauüberhang von 6.162 Wohnungen, mit dem Nürnberg in dieses Jahr gegangen ist.

Wohngeldlawine rollt

Mit einigen Zahlen veranschaulichte der Vorstandsvorsitzende auch die Nürnberger Entwicklung seit dem Jahre 1939, als 420.000 Einwohner und 125.000 Wohnungen gezählt wurden. Am Ende des zweiten Weltkrieges waren 196.000 Einwohner und 65.700 Wohnungen übriggeblieben, aber 1966 gab es wieder 473.000 Bürger, die in 174.000 Wohnungen lebten. Setzt man die Zahlen des Jahres 1939 gleich 100 v. H., so kommt für 1966 ein Bevölkerungszuwachs von rund 12 v. H. heraus, während der Wohnungsbestand um rund 38 v. H. Zunahm.

Freilich, immer weniger Bürger können die steigenden Mieten aus eigener Tasche bezahlen, so dass eine wahre Wohngeldlawine ins Rollen gekommen ist. Wurden noch 1964 fast 3.000 Anträge gestellt und 811.000 DM ausgezahlt, so kletterte die Zahl der Anträge 1966 auf über 9.300. Die Wohngeldsumme zog mit und erreichte die einsame Höhe von über 4,6 Millionen DM.

Der Schwerpunkt der Nürnberger Bautätigkeit liegt im neuen Stadtteil Langwasser, in den bisher rund 350 Millionen DM investiert worden sind. 4.300 Wohnungen entstanden auf dem 600 Hektar großen Gelände, das im Sommer auch Bundeswohnungsbauminister Dr. Lauritzen besichtigt hat, der bei dieser Gelegenheit versprach, er werde sich an die Mitfinanzierung der Großbaustelle erinnern. Hoffentlich hat er das nicht vergessen, denn gerührt hat sich bisher noch nichts.

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