14. April 1971: Barthel Thomas will den Club in die Bundesliga bringen

14.4.2021, 07:00 Uhr
14. April 1971: Barthel Thomas will den Club in die Bundesliga bringen

© Rzehaczek

Nachdem sich der Club vorzeitig von Trainer Kuno Klötzer getrennt hatte, weil der es nicht vermocht hatte, mit der von ihm betreuten Mannschaft die Bundesliga-Aufstiegsrunde zu erreichen, wurde Barthel Thomas ins Wasser geworfen und musste schwimmen. Warum ging er dieses Wagnis ein und setzte sich auf den Schleudersitz, wo er es doch wesentlich bequemer und ungefährlicher haben könnte?

Barthel Thomas: "Mich reizten einfach die Bedingungen dieser optimalen Anlage am Valznerweiher. Sie waren der Grund, warum ich als Trainer des Rheinländischen Fußballverbandes aufgehört habe."

Sieben Jahre hatte er immerhin dieses Amt inne, was der beste Beweis dafür ist, wie langfristig sich Thomas als Trainer seine Aufgaben stellt. Auch beim Club hatte er bei Arbeitsantritt auf lange Sicht geplant, um etwas auf die Beine stellen zu können. Nur so ist es zu erklären, weswegen Thomas mit dem 1. FC Nürnberg keinen genau befristeten Vertrag hat. "Das ist alles ganz variabel", sagt er sehr offen.

Ihn, der vom Erscheinungsbild her genau das Gegenteil des letzten Trainers, mit dem der Club Erfolg hatte, Max Merkel nämlich, verkörpert, reizt etwas Besonderes an dem von ihm betreuten Verein.

Nur der Wunsch, eben erstklassig werden zu wollen, wie es in dem Interview mit ihm anklingt, erklärt das nicht. Er will ganze Sachen machen, mit der Mannschaft zusammen nicht nur aus der Anonymität des normalen Trainerdaseins heraustreten. Nürnberg soll im Fußball wieder eine Rolle spielen.

Die Mannschaft steht dabei immer im Vordergrund für den Trainer, dem sein Lehrmeister Hennes Weisweiler vom Meister Borussia Mönchengladbach fast schon zu große Besessenheit in Sachen Fußball nachsagt. Barthel Thomas selbst dazu: "Ich glaube nicht, dass das, was Weisweiler meint, für mich von Nachteil ist. Ich muss doch die Spieler und den Verein mit dem, woran ich glaube, infizieren können. Impulse müssen von einem Trainer ausgehen."

Dabei arbeitet er nicht mit dem Mobilmachen billiger Emotionen. Er ist eigentlich ein Prediger der Vernunft und erreichte bei der Mannschaft die nötige Einsicht auf seine Art und Weise. "Es gab bislang keinen Spieler, der nicht mitgezogen hat", kann er nicht ohne Stolz behaupten. Dabei lässt er aber keinen Zweifel darüber, dass er der Sache wegen auch härtere Töne anschlagen könnte.

Von den Leistungen seiner Mannschaft ist er angetan, ohne schon voll überzeugt zu sein. Er weiß zu genau, dass aus ihr noch mehr herauszuholen ist und lässt sich auch von dem großen Punktvorsprung nicht blenden, obwohl er nachdrücklich betont: "Wir haben in dieser Saison noch kein Spiel unverdient gewonnen. Selbst das 1:0 gegen die SpVgg Fürth in der 89. Minute ging doch völlig in Ordnung. Die Zuschauer konnten im letzten Jahr in Nürnberg schon einige Male guten Fußball sehen."

Einen Vorwurf muss sich die Mannschaft von ihrem Trainer gefallen lassen: "Sie ist noch nicht entschlossen genug und macht aus den Chancen zu wenig Tore!" Dafür lobt er jedoch die Leistung bei Auswärtsspielen. "Da sind wir besonders stark." In der Aufstiegsrunde kann sich das bezahlt machen. Mannschaftskapitän Nandl Wenauer, der am 26. April seinen 32. Geburtstag feiert, baut auch darauf. Er, der noch lange nicht ans Aufhören denkt, will unbedingt noch einmal seine Liberoqualitäten in der Bundesliga beweisen.

Sein Trainer ermuntert ihn dabei: "Wann war der Nandl jemals so souverän?" Das gleiche Lob kriegt der 30jährige Verteidiger Fritz Popp ab. Thomas will sich bei Spielern sowieso nicht auf eine bestimmte Altersgrenze festlegen, von der ab sie nicht mehr zu gebrauchen sind. "Wir haben doch die Beispiele: Werder Bremens Ausputzer "Pico" Schütz spielt noch mit 36 Jahren einen bewunderungswürdigen Bundesliga-Part, und Fritz Walter erreichte 1954 bei der Weltmeisterschaft als 34-Jähriger den Höhepunkt seines Könnens. Wie lange der Nandl noch beim Club in der ersten Mannschaft spielen wird, das hängt von seiner Gesundheit und Lebensauffassung ab."

Wenauer selbst sieht dem Zeitpunkt der Ablösung mit Gelassenheit entgegen. "Den kann der Trainer selbst am besten bestimmen. Solange aber kein besserer da ist, der sich aufdrängt, mache ich weiter. Natürlich weiß ich auch, dass ich nicht schneller werde. Dafür wurde aber mein Auge besser."

Fragen an Trainer Barthel Thomas und Spielführer Nandl Wenauer Ziel: "erstklassig sein" Der Spielführer betont die großartige Kameradschaft in der Clubmannschaft – Die besonderen Gesetze der Aufstiegsspiele – Mit Ehrgeiz in die Bundesliga

Frage: Wie kam es zu dem tollen Aufschwung in dieser Saison?

Thomas: "Die nötige Spielbegeisterung war von Anfang an da. Die älteren und jüngeren Spieler fanden sich schnell zusammen und hatten bald Erfolg. Auf dieser Welle schwammen wir und verdauten auch Rückschläge.

Wenauer: "In unserer Mannschaft herrscht nicht nur eine großartige Kameradschaft, sondern auch die Betreuung durch Trainer Thomas und den Leiter der Vertragsspieler-Abteilung Werner Hölkrer, ist so gut, dass Erfolge einfach nicht ausbleiben konnten."

Frage: Warum wurde im letzten Jahr die Aufstiegsrunde nicht erreicht?

Thomas: "Das darf man mich nicht fragen, denn ich kam erst am 1. April 1970 nach Nürnberg und hatte da noch nicht reingerochen.

14. April 1971: Barthel Thomas will den Club in die Bundesliga bringen

© Wolkenstörfer

Wenauer: "Die Mannschaft verbrauchte in der Saison nach dem Abstieg aus der Bundesliga mehr Kraft. Alle hatten wir am Schluß nichts mehr zuzusetzen. Entweder war die Regionalliga Süd damals stärker oder wir waren schwächer. Es stimmte damals auch einiges nicht in unserem Team. Der Umgangston war lange nicht so nett wie jetzt."

Frage: Wie kann man eine Mannschaft, die so viele Punkte Vorsprung hat, zur Aufstiegsrunde in Höchstform bringen?

Thomas: "Wir wollen die Mannschaft noch durch spielstarke Gegner, wie Schalke, HSV und 1. FC Saarbrücken, echt überprüfen lassen, obwohl wir auch wissen, dass selbst diese Mannschaften unsere Gegner in der Aufstiegsrunde nicht simulieren können. Im Training lassen wir jetzt zwar etwas die Zügel schleifen, um dann aber gedanklich und physisch im richtigen Augenblick wieder da zu sein."

Wenauer: "Natürlich treten wir jetzt kurz. Und ich kann mir vorstellen, dass der Trainer bei unseren Trainingsspielen gegen unterklassige Mannschaften nicht gerade vor Freude aus dem Häuschen ist. Aber ich habe keine Bedenken, dass die Mannschaft nicht voll da ist, wenn das erste Aufstiegsspiel ansteht."

Frage: Wen fürchtet der Club am meisten in der Aufstiegsrunde?

Thomas: "Diese Frage ist schlecht von meiner Seite aus zu beantworten, ich will mich da auch nicht festlegen. Außenseiter können doch nach Überraschungssiegen Blut lecken und alles auf den Kopf stellen. Wir kennen die Beispiele der Favoriten Bayern München und VfL Bochum, die im ersten Anlauf scheiterten. Aufstiegsspiele stehen unter anderen Gesetzen. Die Ungewißheit feiert hier Triumphe."

Wenauer: "Auch ich habe eine Abneigung zu sagen, der ist stark und der ist schwach. Gegen uns spielt jeder ganz anders als sonst. Das haben wir doch schon zu oft erlebt. Zum Aufstieg gehören jedenfalls Glück, Kraft und hundertprozentige Konzentration."

Frage: Warum will der Club unbedingt in die Bundesliga zurück, wo die Mannschaft doch auch in der Regionalliga gut leben kann?

Thomas: "Vielleicht kann man in der Bundesliga noch besser leben? Aber der Ehrgeiz eines jeden und die sportlichen Aspekte sprechen doch dafür, dass man in der absolut höchsten Klasse spielen will. Erstklassig zu sein ist das Ziel."

Wenauer: ,,Nicht nur die Spieler können, sondern auch der Hauptverein wird in der Bundesliga besser leben. Die anderen Abteilungen werden ebenfalls davon profitieren."

Frage: Was sagen Mannschaft und Trainer dazu, dass von dem von ihnen eingespielten Geld die Schulden des Gesamtvereins bezahlt werden müssen?

Thomas: "Das eingespielte Geld gehört nicht der Mannschaft, sondern dem Verein. Das steht nun einmal fest. Die Mannschaft kann nicht Spiele für die eigene Kasse austragen."

Wenauer: "Die Gewinne von Grundig werden doch auch nicht unter der Belegschaft verteilt. Die erhält Lohn oder Gehalt, und wir bekommen vom Verein Vertragsgeld, Gehalt und Prämien."

Frage: Bringen die bis jetzt schon bekannten Einkäufe nicht Unruhe in die Mannschaft?

Thomas: "Wer von uns eingekauft wird, hat noch lange keinen Stammplatz fest. Gewiß werden z. B. Starek und Mrosko als Verstärkung geholt, aber das bedeutet nicht, dass die anderen ihnen kampflos das Feld räumen werden. Außerdem ist der finanzielle Anreiz in der Aufstiegsrunde für jeden unserer Spieler sehr groß."

Wenauer: "Derjenige, der Platz machen sollte, kann sich ja so steigern, dass er nicht zu verdrängen ist. Wenn das eintritt, dann hat sich der Einkauf schon gelohnt. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass sich Hanni Müller von Starek nicht ins zweite Glied versetzen lässt."

Frage: Wer wäre für den Club ein Traumeinkauf?

Thomas: "Ein bescheidener, billiger Spieler, der den Durchbruch schafft, so wie es damals mit Overath und Weber vorn 1. FC Köln war, die ganz jung von kleinen Vorortvereinen kamen und zu Volltreffern wurden."

Wenauer: Mit dem Gebiet habe ich mich bisher eigentlich nicht befaßt, denn ich muß mit dem spielen, der kommt. Aber ich kann mir vorstellen, dass ein junger und billiger Gerd Müller für den Club ein Traumeinkauf wäre."

Frage: Wie stehen Sie zum Stadionausbau?

Thomas: "Sicher wäre das eine schöne Sache, wenn es klappen würde, denn die Zuschauer kommen ja gerade bei schlechten Wetterbedingungen nur, wenn ihnen genügend Luxus geboten wird, als da sind: ausreichende Parkmöglichkeiten, ein gutes Restaurant und Sicht im Trockenen in reichlichem Ausmaß."

Wenauer: "Die Voraussetzung dafür ist, dass der Club erstklassig wird. Was hilft das tollste Stadion, wenn statt 80.000 nur 10.000 kommen."

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