14. Februar 1969: Die Baufachleute blasen zum Alarm

14.2.2019, 07:08 Uhr
14. Februar 1969: Die Baufachleute blasen zum Alarm

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Der jüngste Beschluß des Bauausschusses bestärkte weitgehend die langgehegten Befürchtungen zahlreicher Bürger, daß der fortschreitende Verfall der Klosterruine als eine zwar bedauerliche, aber unabänderliche Tatsache von der Stadtverwaltung hingenommen werde. Deutlich wird der Vorwurf erhoben, der Wiederaufbau sei zugunsten geplanter neuer Kulturzentren „geopfert“ worden. Gerade die geplante Einrichtung eines Freilichttheaters wird als „schlüssiger Beweis“ verstanden, daß an einen Wiederaufbau nicht mehr gedacht werde.

Die Planung für die Meistersingerhalle – vor mehr als zehn Jahren – ging damals davon aus, daß die Katharinenkirche als „Konzertsaal für rund 1.000 Besucher“ wiederaufgebaut wird. Deshalb wurde auf den Bau eines dritten Konzertsaals in der Meistersingerhalle verzichtet. Sollte der damalige Stadtratsbeschluß inzwischen gegenstandslos geworden sein? Wie aus Kreisen des Stadtrates zu erfahren war, steht der geplante Wiederaufbau der Katharinenkirche „bereits seit zehn Jahren in Permanenz zur Wiedervorlage“ auf der Tagesordnung des Stadtparlaments. Doch hätten Schulbauprobleme und der Bau eines Kultur- und Bildungszentrums zwischen dem Königs- und Marientor „Vorrang“ vor dem Wiederaufbau der Klosterruine, der deshalb nicht vor Ende der siebziger Jahre in Angriff genommen werden könnte. Die Freilichtbühne sei nur eine Zwischenlösung.

Doch Baufachleute und Denkmalspfleger schlagen „Alarm“. Der miserable bauliche Zustand der Mauerreste der geschichtsträchtigen Katharinenkirche, bis zu ihrer Zerstörung 1945 Nürnbergs stimmungsvollster Konzertsaal, und des anschließenden Klostertrakts, der mit der Kirche eine bauliche Einheit bildet, geben zunehmend zu „ernster Besorgnis“ Anlaß. Die Schäden an der Umfassungsmauer, seit 23 Jahren allen Witterungseinflüssen nahezu schutzlos preisgegeben, sind nach allen Erfahrungen noch schwerwiegender als der Augenschein ohnehin vermuten läßt.

Nach dem Urteil von Fachleuten könnte nur ein „Regenschirm“ über der Kirche und dem Klostertrakt dieses bedeutende Bauwerk der Nachwelt erhalten. Nach überschlägigen Schätzungen würden die Baukosten für eine Überdachung rund 800.000 DM betragen. Diese Maßnahme würde aber nicht nur den nachfolgenden Generationen die Meistersingerkirche erhalten, sie wäre zugleich der erste und entscheidende Schritt für den Wiederaufbau der Kirche zu einem zusammenhängenden, einheitlichen Konzertraum. Denn der Klostertorso bietet die einzigartige Möglichkeit, in einer harmonischen Synthese von alt und neu – unter sorgfältiger Erhaltung historischer Substanzen –, im Zentrum der Stadt in der Katharinenkirche ein modernes Kulturzentrum erstehen zu lassen.

Des „Deutschen Reiches Schatzkästlein“ kann mit berechtigtem Stolz auf zahllose bedeutende Männer, die es hervorgebracht hatte, und wertvolle Kunstwerke verweisen, um die Nürnberg vielfach beneidet wird. Doch weder ein Albrecht Dürer noch andere große Söhne der Stadt, weder die Lebkuchen noch die Bratwürste, weder die Burg noch die Kirchen und Paläste haben Nürnberg so berühmt gemacht, wie gerade seine Meistersinger. Als ständiger Gast auf allen großen Bühnen der Welt verbreiten Richard Wagners „Meistersinger von Nürnberg“ den Ruhm der Stadt, eine frühere Stätte europäischer Kultur und Kunst zu sein.

Tausende von Ausländern aus allen europäischen Staaten und aus Übersee besuchen alljährlich Nürnberg, um die Stadt der Meistersinger kennenzulernen. Doch auf ihre bohrenden Fragen nach der Meistersingerkirche pflegen die Fremdenführer mit einem Trick zu reagieren: Die Marthakirche an der Königstraße, zeitweiliges Übungslokal der Meistersinger, wird schlicht als Meistersingerkirche aufgewertet. Nicht wenige Nürnberger betrachten diesen Zustand als dem einer traditionsreichen Stadt unwürdig.

Mit den Meistersingern, deren Einfluß nicht nur die süddeutschen und österreichischen Singschulen prägten, meldeten erstmals biedere Handwerker und Arbeiter nachhaltig den Anspruch an, an der Kulturgestaltung ihrer Zeit teilzuhaben. Die Katharinenkirche, seit 1620 Versammlungsraum der Meistersinger, wurde zu einem in Deutschland einzigartigen Denkmal bürgerlich-demokratischer Kulturentwicktung.

Meistersinger Hans Sachs war Zeitgenosse von Albrecht Dürer. Das Dürerjahr sollte deshalb gerade Anlaß zur Besinnung sein, die Meistersingerkirche, deren Wiederaufbau eine nationale Verpflichtung ist, zu neuem Leben erstehen zu las-sen.

Nürnbergs Sänger werden auf ihrer Generalversammlung über Hilfsmaßnahmen zum Wiederaufbau der Katharinenkirche beraten. Auch die Delegierten des Kreises Nürnberg des Fränkischen Sängerbundes wollen ihren Willen bekunden: „Die Meistersingerkirche darf nicht sterben!“ Die Sänger sind entschlossen, das ihre beizutragen, daß die Katharinenkirche nicht länger wehmütige Erinnerung der Nürnberger an bedeutende Konzerte in der Vorkriegszeit bleibt. Baureferent, Stadtrat Heinz Schmeißner mahnt: „Schnelle Hilfe tut not“

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